
„Krankenhausaufenthalte bergen für Pflegeheimbewohnende viele Risiken. Die Verlegung in eine ungewohnte Umgebung kann bei dieser vulnerablen Gruppe zu psychischen und körperlichen Belastungen führen“, heißt in einem Faktenblatt des Wissenschaftlichen Instituts der AOK. Foto: Chinnapong/stock.adobe.com
Vermeidbare Klinikaufenthalte: Wenn Pflegebedürftige vor dem Ende ihres Lebens noch ins Krankenhaus müssen
Deutschlandweit mussten 42,26 Prozent der Pflegeheimbewohnenden 2023 in ihren letzten 30 Lebenstagen ins Krankenhaus. In Baden-Württemberg sind es nur 37,36 Prozent. Für Pflegeexperten gelten solche Klinikaufenthalte am Lebensende eigentlich als vermeidbar, weil sie die Patienten psychisch und physisch stark belasten können.
Aktuelle Zahlen des „QCare Qualitätsatlas Pflege“ des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) zeigen, dass der Hospitalisierungswert für Pflegeheimbewohner in ihren letzten 30 Tagen erstmals seit 2019 wieder angestiegen ist. Damals lag der Anteil jener in der Klinik gestorbenen Pflegeheimbewohnenden unter allen verstorbenen Pflegeheimbewohnenden bei 46,24. Seitdem war der Wert kontinuierlich auf 41,38 Prozent im Jahr 2022 gesunken.
Eine Belastung für die Patienten aus dem Pflegeheim
Pflegeexperten sprechen bei Hospitalisierungen in den letzten 30 Lebenstagen von vermeidbaren Klinikaufenthalten. „Krankenhausaufenthalte bergen für Pflegeheimbewohnende viele Risiken. Die Verlegung in eine ungewohnte Umgebung kann bei dieser vulnerablen Gruppe zu psychischen und körperlichen Belastungen führen“, heißt in einem Faktenblatt des WIdO. Die Folge seien oft kognitive Verschlechterungen, Infektionen, Verwirrtheit, Stürze, Komplikationen durch Unbeweglichkeit, etwa ein Druckgeschwür, ein sogenannter Dekubitus, und schließlich der Verlust von Selbstständigkeit und Selbstbestimmtheit.
„Hospitalisierungen von pflegebedürftigen Menschen, die sich in der letzten Lebensphase befinden, sind zuvorderst potenziell vermeidbar. Und zwar, wenn eine kontinuierliche, interdisziplinäre (palliative) Versorgung vor Ort im Pflegeheim möglich ist und wenn keine Erkrankung vorliegt, die eine Einweisung in ein Krankenhaus notwendig macht“, heißt es im Faktenblatt des „QCare Qualitätsatlas Pflege“.
„Wichtig ist hier, den Nutzen einer stationären Behandlung gegen deren Risiken sorgfältig abzuwägen“, empfiehlt das WIdO. Dies gelte besonders, wenn Menschen ihren Willen in der jeweiligen Situation oder auch in einer Patientenverfügung äußern.
Wichtig ist aber auch, dass die Menschen in ihren letzten Tagen und Stunden schmerzfrei sind. Das wird oft vorbildlich in Hospiz-Einrichtungen praktiziert, aber auch in Pflegeheimen kann dies durch Pflegefachkräfte garantiert werden. Das Sterben in gewohnter Umgebung des Pflegeheims ist übrigens auch für Angehörige der Pflegeheimbewohner oft leichter zu ertragen als in einem Klinikzimmer.
Baden-Württemberg ist top bei vermeidbaren Klinikaufenthalten von Sterbenskranken – Pforzheim ist Schlusslicht
Baden-Württemberg verzeichnet unter den deutschen Bundesländern mit 37,36 Prozent den niedrigsten Wert bei Krankenhausaufenthalten von Pflegeheimbewohnern in ihren letzten 30 Lebenstagen. Hamburg hat den höchsten Wert mit 49,26 Prozent. Auf Kreisebene bietet Bayern die beiden Extremwerte: Weiden in der Oberpfalz liegt mit 65,45 Prozent vorn, das bayrische Miesbach mit 22,58 Prozent am Ende des Rankings.
Nimmt man den Bundesdurchschnitt von 42,26 Prozent als Maßstab, so müssen im Stammgebiet von Vital-Region.de vergleichsweise wenig Pflegeheimbewohner ihren Tod beziehungsweise die Tage davor in der Klinik erleben. Den besten Wert im Sinne einer patientengerechten Vermeidung von Klinikaufenthalten hat der Landkreis Heilbronn mit 33,15 Prozent, gefolgt von den Landkreisen Böblingen und Karlsruhe mit 33,48 Prozent und 35,98 Prozent.
Für eine Großstadt hat Stuttgart sehr gute 36,25 Prozent. Anders sieht es in den Großstädten Heilbronn, Heidelberg und Pforzheim aus. Während Heilbronn mit 41,18 Prozent noch unter dem Bundesdurchschnitt, aber schon deutlich über dem Landesschnitt liegt, hat Pforzheim mit 48,41 Prozent den höchsten Wert in Baden-Württemberg. Heidelberg mit 48,15 Prozent hat den zweithöchsten Wert im Südwesten.
Unterschiede bei Klinikaufenthalten nach Pflegegrad und Geschlecht
Mit einem Anteil von 43,7 Prozent besonders betroffen waren 2023 Menschen zwischen 80 und 89 Jahren, Männer (46,76) stärker als Frauen (42,27). Ab 90 Jahren sinkt der Gesamtanteil leicht auf 40,92 Prozent, steigt aber bei Frauen auf 47,88 Prozent, während er bei Männern deutlich auf 26,04 Prozent fällt. Pflegeheimbewohner mit Klinikaufenthalt in den letzten 30 Lebenstagen hatten 2023 zu 38,85 Prozent den Pflegegrad 4, zu 29,36 Prozent den Pflegegrad 5 und zu 25,45 den Pflegerad 3. Kaum in Pflegeheimen versorgt werden Menschen mit Pflegegrad 2. Ihr Anteil bei liegt bei 6,24 Prozent.

Quelle: QCare Qualitätsatlas Pflege“ des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) / Bild: Wikimedia Commons – Pflege in einem Altersheim / Grafik: tok – KI-generiert
Info
Der „QCare Qualitätsatlas Pflege“ des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) erfasst kritische Ereignisse in der pflegerischen, ärztlichen und therapeutischen Versorgung in Deutschland bis hinunter auf Kreisebene und offenbart erhebliche regionale Unterschiede. pm/tok