
Ein Sohn pflegt die Mutter, eine Ehefrau den Ehemann. Manchmal pflegen auch Eltern ein krankes Kind. Sie alle sind wichtige Stützen fürs Gesundheitssystem. Foto: Jelena Stanojkovic/stock.adobe.com
Helden und ihre Welten: AOK Nordschwarzwald und PZ-Medien im Dialog mit pflegenden Angehörigen
Die „Helden des Alltags“, die tagaus, tagein und oft rund um die Uhr ihre Nächsten zu Hause aufopferungsvoll pflegen und treu umsorgen, sollten einmal mit ihren Problemen und Erfahrungen zu Wort kommen. Deshalb hatten AOK und PZ diesen Personenkreis zu einem Frühstück ins TurmQuartier der Sparkasse Pforzheim eingeladen. Überwiegend fanden sich Frauen ein.
Es war viel, was die Betroffenen belastete und berührte – der Austausch über Mikrofon oder intern an den runden Tischen folglich intensiv. Zirka 40 Personen, die sich für ein paar Stunden von zu Hause loseisen konnten, hatten sich zu der munteren und konstruktiven Diskussionsrunde eingefunden, moderiert von PZ-Chefreporter Alexander Heilemann und dem AOK-Geschäftsführer für den Nordschwarzwald, Claus Bannert.


Viele berührende Geschichten
„Sie leisten viel für Ihre Angehörigen, aber auch für die Gesellschaft insgesamt“, betonte PZ-Redakteur Heilemann. Auch für Gordana Marsic, Vorstandsmitglied der AOK Baden-Württemberg und dort unter anderem für die Pflege zuständig, ist klar: „Sie sind tatsächlich die Helden. Wir können gar nicht die Pflege erbringen, die nötig ist und die alle verdient haben.“ Der regionale AOK-Chef Bannert, der weitere Fachleute der Krankenkasse mitgebracht hatte, versprach eingangs nicht zu viel: „Wir müssen in den Dialog kommen. Jede von Ihnen hat eine Geschichte zu erzählen.“
Viele solcher Geschichten gab es an diesem Vormittag zu hören. Beispielsweise von einer gelernten Krankenschwester, die seit vier Jahren beide demente Eltern zu Hause betreut: „Wenn ich einmal im Jahr für zwei Wochen eine Auszeit benötige, muss ich ein Jahr im Voraus die Kurzzeitpflege buchen. Außerdem gibt es kein Doppelzimmer, in dem mein Vater und meine Mutter dann zusammen sein dürfen.“
Das Thema Kurzzeitpflege treibt auch viele ihrer Leidensgenossinnen um. „Wenige Einrichtungen nehmen sowohl die pflegebedürftige Person als auch die Pflegeperson auf“, beklagte eine andere Betroffene. Eine dritte Frau steuerte bei: „Ich kümmere mich um meine Schwiegermutter seit zwei Jahren. Ich bekomme keine Kurzzeitpflege. Für ihre Inkontinenz werden mir zudem nur für 14 Tage im Monat die Höschen-Windeln bezahlt.“
Anregung: Ein Wut-Telefon
Das überzeugte Bannert: „Mit 14 Windeln kann man nicht auskommen. Darüber müssen wir reden.“ Außerdem regte der AOK-Geschäftsführer an: „Vielleicht brauchen wir ein Pflege-Hotel.“ Dass der Pflegedienst „nicht gerne die Wundversorgung macht, weil der hohe Aufwand nicht ersetzt wird“, ärgerte eine Diskussionsteilnehmerin. „Wir haben die Schräglage erkannt“, räumte Bannert ein.
Eine Frau, die eine lange Liste an Ärgernissen vortrug, meinte: „Vielleicht brauchen wir ein Jammer- oder Wut-Telefon.“ Bannerts spontane Antwort: „Das Wut-Telefon sollten wir aufnehmen.“ Mehr noch: „Wenn wir sagen, wir gründen ein Werkstatt- oder Experten-Team, dann sind Sie die Expertinnen.“ Sowohl für die AOK als auch für die PZ steht fest: „Wir bleiben am Thema dran.“ Bruno Knöller