
„Laut Statistischem Bundesamt werden in Deutschland bis zum Jahr 2049 voraussichtlich zwischen 280.000 und 690.000 Pflegekräfte fehlen“, sagt Peer-Michael Dick, Alternierender Vorsitzender des Verwaltungsrates der AOK Baden-Württemberg auf Arbeitgeberseite. Foto: unai/stock.adobe.com
AOK-Verwaltungsratschef Dick will Strukturrefom: Pflege muss jetzt zukunftssicher gestaltet werden
Die Pflegeversicherung befindet sich in einer äußerst angespannten Situation. Es bedarf einer nachhaltigen und umfassenden Struktur- und Finanzreform, meint Peer-Michael Dick, Alternierender Vorsitzender des Verwaltungsrates der AOK Baden-Württemberg auf Arbeitgeberseite.
Mehr Pflegebedürftige stoßen auf wenigere Pflegekräfte
„Die Herausforderungen der sozialen Pflegeversicherung sind groß: Der demografische Wandel führt zu mehr Pflegebedürftigen, gleichzeitig betrifft er die Belegschaften der Pflegeeinrichtungen selbst – viele Beschäftigte werden in den nächsten Jahren altersbedingt aus ihrem Beruf ausscheiden, und der Nachwuchs kann dies aufgrund des Fachkräftemangels kaum kompensieren“, sagt Peer-Michael Dick.
Die amtlichen Prognosen stimmen bedenklich: „Laut Statistischem Bundesamt werden in Deutschland bis zum Jahr 2049 voraussichtlich zwischen 280.000 und 690.000 Pflegekräfte fehlen“, so Peer-Michael Dick.
Erste Pflegekasse musste schon Finanzhilfe beantragen
Und das ist nur eine Seite der großen Pflegekrise. „Noch dazu hat sich die finanzielle Situation der Pflegeversicherung in den letzten Monaten in einer Art und Weise zugespitzt, wie viele sich das noch vor wenigen Jahren nicht vorstellen konnten. Trotz mehrerer Beitragserhöhungen, zuletzt im Januar 2025, musste eine erste Pflegekasse bereits Finanzhilfe aus dem Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung beantragen, um zahlungsfähig zu bleiben. Das ist ein deutliches Alarmsignal, dem konkrete Maßnahmen folgen müssen“, erklärt Peer-Michael Dick.
Er warnt dabei ganz deutlich: „Dabei sind Beitragserhöhungen allein keine Lösung. Um weitere Beitragssatzanhebungen zu verhindern oder zumindest abzufedern, müssen frühzeitig weitere Maßnahmen ergriffen werden.“

Peer-Michael Dick sieht den Bund in der Pflicht
Wa tun? „Neben der Erhöhung der Beitragspauschale für Bürgergeldbeziehende muss ein dauerhafter, dynamischer Bundesbeitrag für versicherungsfremde Aufgaben eingeführt werden: Allein die Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge zur Rentenversicherung pflegender Angehöriger würde für deutliche Entlastungen von bis zu vier Milliarden Euro jährlich sorgen. Die Erstattung der von der Pflegeversicherung erbrachten Pandemiekosten würde darüber hinaus einmalig 5,5 Milliarden Euro zurückführen.“
Aber Peer-Michael Dick geht es nicht nur ums Geld, er denkt an grundlegende Reformen: „Neben der dringend notwendigen Stabilisierung der Finanzen bedarf es aber auch echter Strukturreformen: Hierzu sollten Pflegeleistungen flexibler und besser zugänglich sein. Ein Pflegebudget aus Geld- und Sachleistungen, unabhängig vom Leistungsort und ohne starre Systemgrenzen, würde die Selbstbestimmung der Pflegebedürftigen stärken.“
Mehr Kooperation und Caring Communities
Hier wären dann gleich mehrere Partner gefordert. „Gleichzeitig müssen Kommunen und Krankenkassen vor Ort enger zusammenarbeiten. Eine moderne, vernetzte Pflege setzt auf Caring Communities. Zentral ist, Sozialräume oder Quartiere festzulegen, den Kreis der Akteure zu erweitern, Ehrenamtliche einzubeziehen, alle vernetzt und abgestimmt zusammenarbeiten zu lassen und eine Datengrundlage für die Strukturplanung zu schaffen“, sagt Peer-Michael Dick.
„Zudem ist es wichtig, rechtliche Grundlagen für den Einsatz neuer Pflegeberufe zu schaffen. Und dann geht es auch darum, die Potenziale digitaler Technologien konsequent zu nutzen. Wir sollten mehr Mut haben, Künstliche Intelligenz (KI) und Robotik in der Pflege einzusetzen“, wünscht sich Peer-Michael Dick. Seine Forderung: „Das Thema lediglich von Bundestagswahl zu Bundestagswahl entsprechend auf die Agenda zu setzen, reicht nicht aus.“ pm/tok