
Klimaangst ist keine psychische Störung im klassischen Sinne, sondern eine nachvollziehbare emotionale Reaktion auf reale Bedrohungen. Foto: Alexandra – KI-generiert/stock.adobe.com
Eco-Anxiety: Wenn die Angst vor dem Klimawandel übermächtig wird
Ein Hitzerekord jagt den anderen. Schnee im Winter? Fehlanzeige. Seit Jahren müssen wir in Deutschland mit Dürrewarnungen leben. In Baden-Württemberg verbieten inzwischen Gemeinden die Entnahme von Wasser aus Flüssen und das Grillen auf eigentlich dafür gedachten Plätzen im Wald. Trockene Rasenflächen, Waldbrandgefahr und öffentliche Hitzewarnungen. Und während die Wissenschaft immer dringlicher warnt, scheint die Politik nicht in die Gänge zu kommen. Kein Wunder, dass immer mehr Menschen unter einer Klimaangst leiden.
Keine psychische Störung, sondern nachvollziehbare emotionale Reaktion
Klimaangst, auch als Eco-Anxiety bekannt, beschreibt die wahrgenommene Sorge um die Zukunft des Planeten angesichts der sich zuspitzenden Klimakrise. Das Phänomen kann sich in Form von Ohnmachtsgefühlen, Traurigkeit, Schuld, Wut oder eben auch lähmender Angst äußern. Besonders junge Menschen sind davon betroffen, aber auch Erwachsene spüren zunehmend psychischen Druck angesichts globaler Umweltveränderungen und damit verbundener Herausforderungen. Dieser Ratgeber liefert einen Überblick über das Phänomen Klimaangst und gibt Betroffenen praktische Tipps für eine Bewältigungsstrategie.
Klimaangst ist keine psychische Störung im klassischen Sinne, sondern eine nachvollziehbare emotionale Reaktion auf reale Bedrohungen. „Diese Form der Angst zeigt, dass wir die Umweltkrise ernst nehmen. Doch wenn die Angst überhandnimmt, kann sie unsere Lebensqualität massiv beeinträchtigen und uns sogar daran hindern, aktiv gegen den Klimawandel zu werden“, sagt Andrea Jakob-Pannier, Psychologin bei der BARMER.
Warum die Klimakrise alle Menschen betrifft
Die Klimakrise ist längst keine abstrakte Zukunftsvision mehr. Sie ist real, spürbar und betrifft alle Menschen. „Waldbrände, Dürren, Überschwemmungen und Hitzewellen zeigen immer deutlicher die Folgen eines sich wandelnden Klimas. Inmitten dieser Entwicklungen fragen sich viele Betroffene, was sie allein schon tun können oder ob sich überhaupt noch etwas ändern lässt“, erläutert Jakob-Pannier.
Diese und ähnliche Fragen verstärken aus Sicht der Expertin dann das Gefühl der Hilflosigkeit. „Wer permanent mit Katastrophenmeldungen konfrontiert ist, kann das Gefühl entwickeln, dem Geschehen schutzlos ausgeliefert zu sein. Medien und soziale Netzwerke tragen das ihre dazu bei, das Ohnmachtsgefühl noch zu verstärken, indem sie häufig mehr Probleme als Lösungen beschreiben“, so die BARMER-Psychologin. Medienkonsumentinnen und Konsumenten fänden sich in einer regelrechten Blase gefangen, die bestehende Ängste immer wieder bestätige und verstärke.
Klimaangst ernst nehmen und nicht verdrängen
Aus Sicht von Jakob-Pannier ist es wichtig, Klimaangst nicht kleinzureden oder als übertrieben abzutun. „Gefühle wie Angst, Trauer oder Wut sind verständlich. Sie können sogar Motor für Veränderung sein. Doch es braucht gesundheitsfördernde und präventive Strategien, um mit diesen Emotionen umzugehen. Sonst drohen Erschöpfung, Rückzug oder emotionale Abstumpfung.“
Wer seine Gefühle erkenne und akzeptiere, könne besser mit ihnen leben und arbeiten. „Der erste Schritt ist daher, sich selbst gegenüber ehrlich zu sein und Klimaangst als legitime Reaktion zu begreifen“, sagt Jakob-Pannier.
Der Klimawandel als Herausforderung und Chance zugleich
Der Klimawandel ist eine kollektive Herausforderung, aber zugleich auch eine kollektive Chance. „Indem wir Klimaangst als Warnsignal verstehen und in konstruktives Handeln umwandeln, lässt sich nicht nur die psychische Gesundheit stärken, sondern Betroffene auch Teil der Lösung werden“, erläutert Jakob-Pannier. Klimaangst sei eine verständliche Reaktion auf eine ernste Krise. Sie verdiene volle Aufmerksamkeit.
„Indem wir Gefühle ernstnehmen, aktiv werden und uns vernetzen, können sich daraus Zuversicht und Stärke entwickeln. Die Zukunft ist offen und wir haben Einfluss darauf, wie sie aussieht“, so das Fazit der Psychologin.
Was hilft gegen Klimaangst?
Wissen bewusst dosieren: Informiert zu sein, ist wichtig, doch ein Zuviel an schlechten Nachrichten kann auch überfordern. Es hilft, die Informationsflut zu begrenzen. Feste Zeiten für Nachrichtenkonsum, vertrauenswürdige Quellen und auch gezielte Pausen vom Klimadiskurs können helfen, wieder handlungsfähig zu werden.
Ins Handeln kommen: Das Gefühl der Ohnmacht kann kleiner werden, wenn Betroffene aktiv werden. Das muss nicht gleich die Weltenrettung sein. Aber kleine, konkrete Schritte zählen bereits. Ob plastikfreier Einkauf, Engagement in lokalen Initiativen oder ein Brief an die politische Vertretung vor Ort. Aktivität gibt Selbstwirksamkeit zurück.
Gemeinschaft suchen: Viele Menschen erleben Erleichterung, wenn sie merken, dass sie nicht allein sind mit ihren Sorgen vor dem Klimawandel. Gespräche mit Gleichgesinnten, Austausch in Gruppen oder engagierte Netzwerke geben Rückhalt. Zusammen lassen sich so Ängste besser tragen, gemeinsam lässt sich in der Regel mehr bewegen.
Selbstfürsorge stärken: Wer sich dauerhaft nur mit der Klimakrise beschäftigt, braucht bewusste Gegenpole. Spaziergänge in der Natur, kreative Hobbys, Achtsamkeit oder bewusste Offline-Zeiten können bereits helfen, das emotionale Gleichgewicht zu bewahren. Auch professionelle Hilfe ist eine Option, besonders dann, wenn die Angst stark belastet.
Hoffnung ist kein naiver Luxus: Hoffnung bedeutet nicht, die Augen vor der Realität zu verschließen. Sie bedeutet, trotz der Herausforderungen an Veränderung zu glauben und diese mitzugestalten. Viele Lösungen existieren bereits, und weltweit arbeiten Menschen daran, den Wandel voranzutreiben. pm/tok