Weltweit werden Starkregen stärker, Hitzewellen tödlicher, Böden trockener, Wirbelstürme und Sturmfluten richten mehr Verluste und Schäden an. Das gefährdet unsere Gesundheit auf vielfältige Weise. Foto: Celt Studio/stock.adobe.com

Hitzetote, Stress und Allergie-Auswüchse: Der Klimawandel bedroht schon jetzt unsere Gesundheit

Der „Lancet Countdown-Bericht zu Klimawandel und Gesundheit 2024“ verdeutlicht, dass die negativen Auswirkungen der Klimakrise weltweit ein beispielloses Ausmaß erreicht haben – insbesondere mit Blick auf unsere Gesundheit. Vor allem die Hitzeperioden im Sommer fordern in Deutschland immer mehr Todesfälle.

Die Zunahme von heißen Tagen und Hitzewellen stellt dem Bericht zufolge für die Bevölkerung eines der größten klimawandelbedingten Gesundheitsrisiken dar. Durch den Klimawandel seien 2023 die Menschen weltweit durchschnittlich 50 Tage länger Extremtemperaturen ausgesetzt gewesen – mit gravierenden Folgen für die Gesundheit. Die hitzebedingte Sterblichkeit von Menschen über 65 Jahren sei im Vergleich zu den 1990er Jahren um 167 Prozent gestiegen, schreiben die Experten. Und Menschen, die sich im Freien körperlich betätigten, hätten 2023 fast 28 Prozent mehr Stunden ein Risiko für Hitzestress gehabt als in den 1990er Jahren.

Extremwettereignisse häufen sich

Ein weiterer beunruhigender Fakt: Fast die Hälfte der weltweiten Landfläche war 2023 von extremer Dürre betroffen, Extremwettereignisse häuften sich. Diese klimawandelbedingten Wetterveränderungen würden in der Folge zu mehr Sandstürmen, Wasserverschmutzung sowie mehr Infektionskrankheiten durch virale und bakterielle Erreger führen, warnt der Bericht. Allein für Deutschland wurden nach aktuellen Berechnungen für den Sommer 2022 über 9.100 hitzeassoziierte Todesfälle geschätzt.

Angesichts der immer stärkeren Bedrohung der menschlichen Gesundheit durch die Klimaerwärmung schlagen die Experten im Lancet-Bericht Alarm und üben harsche Kritik an der Untätigkeit von Regierungen und Unternehmen. „Um die katastrophalsten Folgen für die Entwicklung, Gesundheit und das Überleben der Menschheit zu verhindern, sind jetzt Unterstützung und Wille aller gesellschaftlichen Akteure gefordert“, so die Autoren. Der Lancet Countdown-Bericht zu Klimawandel und Gesundheit erscheint seit den Pariser Klimaschutzverhandlungen 2015 jährlich und stützt sich auf die Expertise von mehr als 120 Fachleuten.

Kein gutes Zeugnis für Deutschland

Parallel zum Lancet-Bericht hat die Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V. (KLUG) gemeinsam mit dem Centre for Planetary Health Policy (CPHP) und weiteren Partnern den Lancet Countdown Policy Brief für Deutschland veröffentlicht. „Die aktuellen politischen und gesellschaftlichen Bemühungen, um die Treibhausgasemissionen in Deutschland zu senken, sind nicht ambitioniert genug“, kritisieren die Autoren des deutschen Policy Brief und stellen damit den Bemühungen der aktuellen Ampel-Regierung im Kampf gegen den Klimawandel ein schlechtes Zeugnis aus.

Selbsthilfearbeit möglichst wenig klimabelastend

Neben den politischen Vorgaben bemüht sich seit geraumer Zeit auch die Selbsthilfelandschaft in Deutschland darum, die Selbsthilfearbeit möglichst wenig klimabelastend zu gestalten. Die AOK unterstützt die Selbsthilfeorganisationen bei dieser Arbeit, etwa im Rahmen der Selbsthilfe-Fachtagung „Planetary Health – braucht die Erde Selbst-Hilfe?“. Zudem finanziert der AOK-Bundesverband aus Mitteln der Selbsthilfeförderung gezielt Projekte in der Selbsthilfe, die nachhaltiges Verhalten und vor allem Aufklärung zu den Auswirkungen des Klimawandels im Fokus haben.

Damit will der AOK-Bundesverband chronisch kranke Menschen auf Grund ihrer gesundheitlichen Betroffenheit darin unterstützen, Ideen und Aktionen zum Schutz der Gesundheit anlässlich des Klimawandels in ihren Verbänden und Gruppen oder auch in den Kontaktstellen umzusetzen.

Hitze belastet vor allem junge und ältere sowie vorerkrankte Menschen

Ob Hitzeausschlag, Hitzekrämpfe oder Hitzschlag – bei einer zu langen Exposition in großer Hitze versagt die Thermoregulierung des Körpers. Die Folgen sind immer häufiger tödlich. Aktuelle Studien zeigen, dass die hohen Temperaturen in den vergangenen Sommern in Europa zu Hunderttausenden hitzebedingten Sterbefällen geführt haben – allein in Deutschland sind es Schätzungen zufolge jährlich bis zu 20.000 Menschen, die an den Folgen der Hitze sterben. Somit fallen hierzulande mittlerweile deutlich mehr Menschen dem Klimawandel zum Opfer als dem Straßenverkehr.

Als besonders gefährdet gelten Säuglinge und Kleinkinder, deren Kühlmechanismen noch nicht ausgereift sind, vor allem aber auch ältere Menschen. Nach Berechnungen der Bundesärztekammer hat ein Viertel der rund 18 Millionen Menschen über 65 Jahre in Deutschland ein erhöhtes Risiko, hitzebedingt ins Krankenhaus zu müssen. Abhängig von der Klimapolitik könnte sich die Zahl bis zum Jahr 2050 bereits auf 85 Prozent erhöhen – das ist das Ergebnis einer Studie des Berliner Klimaforschungsinstituts MCC basierend auf Abrechnungsdaten der AOK.

Eine weitere Risikogruppe sind Menschen mit Vorerkrankungen. So steigt etwa bei Hitze das Risiko für eine Unterzuckerung, weshalb Diabetiker besonders gefährdet sind. Menschen mit Diabetes haben zudem oft eine beeinträchtigte physiologische Hitzeanpassung, etwa durch eine geringere Aktivität bestimmter Nervenbahnen, die die Schweißdrüsen und Blutgefäße regulieren. Steigende Lufttemperaturen sind auch mit einem erhöhten Risiko für Menschen mit kardiovaskulären Erkrankungen oder Atemwegserkrankungen verbunden.

Psychische Belastungen mit Langzeitwirkung

Zu den körperlichen Belastungen kommen die psychischen: Extreme Hitze kann vor allem bei bereits Geschwächten Stress, Ängste und Depressionen verstärken und erhöht das Suizidrisiko. Der Weltklimarat zeigt auf, dass die Klimakrise ein immer größeres Risiko für die psychische Gesundheit darstellt und suizidales Verhalten verstärken kann. Ereignisse wie die Flutkatastrophe 2021 in Westdeutschland haben auch langfristige Folgen für die Psyche der Betroffenen und stellen die Gesundheitssysteme regional vor große Herausforderungen.

Hitze beeinträchtigt nicht zuletzt den Schlaf – und wer zu wenig schläft, ist nicht nur gereizt und müde, auch die Stressresistenz und die allgemeine Leistungsfähigkeit nehmen ab.

Mehr und früher startende Allergien mit schwereren Verläufen

Neben der Hitze und den damit einhergehenden körperlichen Belastungen hat der Klimawandel aber auch indirekte gesundheitliche Auswirkungen. So hat sich in den vergangenen Jahrzehnten beispielsweise die Allergiesaison deutlich verlängert. Die Pflanzen produzieren ihre Pollen bereits deutlich früher und auch deutlich länger. Durch das mildere Klima konnten zudem neue hochallergene Pflanzen wie Ambrosia hier heimisch werden.

Einige Studien zeigen auch, dass die Pollen selbst aggressiver werden, möglicherweise als Reaktion auf Umweltschadstoffe. Das legen unter anderem Untersuchungen mit Birkenpollen nahe: Unter dem Einfluss von Luftschadstoffen bilden sie mehr Allergie auslösende Proteine und neue Allergene aus, Luftschadstoffe verändern auch das Mikrobiom auf der Pollenoberfläche zum Nachteil. So kommt es immer häufiger bei Allergien zum sogenannten Etagenwechsel – dabei gehen die Allergiesymptome auf die Lunge über und es entwickelt sich ein allergisches Asthma.

Neue Infektionskrankheiten

Der Klimawandel begünstigt auch die Verbreitung von neuen Infektionskrankheiten. Heißere Sommer und mildere Winter verbessern die Lebensbedingungen für Insekten, Nagetiere, Vögel und andere Lebewesen, die Infektionskrankheiten verbreiten. Ein Beispiel hierfür sind Zecken als Überträger von Borreliose, Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) und neuerdings auch Krim-Kongo-Fieber.

Infektionskrankheiten, die bislang auf tropische und subtropische Regionen beschränkt waren, breiten sich durch den Temperaturanstieg auch in Deutschland aus. Exotische Stechmückenarten wie die Asiatische Tigermücke tragen nach Angaben des Umweltbundesamtes zu einer Ausbreitung neuer, bisher in Deutschland nicht heimischer Infektionskrankheiten bei. So treten Infektionen wie Dengue, Chicungunya, Zika und Gelbfieber seit einigen Jahren immer öfter auch in Deutschland auf.

In der Klimakrise können aber auch unsere bislang harmlosen heimischen Mücken zur Bedrohung werden: Es ist davon auszugehen, dass zum Beispiel das West-Nil-Virus aufgrund der steigenden Temperaturen in Deutschland in einheimischen Stechmücken hierzulande überwintert. Im Sommer 2022 warnte der damalige Präsident des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler, sogar vor der Rückkehr der Malaria. Mehr als die Hälfte der bekannten Krankheiten, die auch den Menschen befallen, können durch den Klimawandel verschlimmert werden.      pm