Wer hätte vor ein paar Monaten daran gedacht, dass man sich irgendwo mitten in einer Großstadt jenseits von Urwald und Savanne Affenpocken einfangen könnte? Zoonosen, von Tieren auf Menschen überspringende Infektionskrankheiten, werden unter anderem auch durch den Klimawandel immer häufiger. Foto: Zerbor/stock.adobe.com

One Health: Ist die Natur krank, wird es auch der Mensch – Klimawandel fördert Zoonosen

Der Mensch ist Teil der Natur – eine Binsenweisheit, die im Laufe der Technologisierung, während Homo Sapiens aus Höhlen und Hütten herausgekrochen ist, in den Hintergrund getreten ist. Das bedeutet zwangsläufig: Ist die Natur krank, kann es gesunde Menschen und Tiere nicht geben. Das ist der zentrale Gedanke des One-Health-Ansatzes: Er betrachtet die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt im Zusammenhang.

Quellen: Health for Animals, World Health Organization, zoonosen.net / Grafik: pharma-fakten.de

Zoonosen verursachen 2,4 Milliarden Krankheitsfälle pro Jahr

Die vom SARS-CoV-2-Virus ausgelöste globale Krankheitswelle hat die Notwendigkeit dieses ganzheitlichen Ansatzes wieder auf die Agenda von Gesundheitsexpert:innen gehievt, wie pharma-fakten.de meldet. 75 Prozent aller neuen Erreger von Infektionen haben ihren Ursprung im Tierreich. Ob Ebola-, Zika- oder Denguefieber, ob Aids oder Cholera, ob SARS oder MERS – all das sind Beispiele für so genannte Zoonosen. Das sind von Tier zu Mensch und von Mensch zu Tier übertragbare Infektionskrankheiten.

Die 13 am meisten verbreiteten Zoonosen sind pro Jahr für 2,4 Milliarden menschliche Krankheits- und 2,2 Millionen Todesfälle verantwortlich. Einer der Gründe dafür ist zunehmende Bevölkerungsdichte. Der Mensch dringt immer mehr in Gebiete ein, die vor langer Zeit eher naturbelassen waren, und setzt sich somit vermehrt Krankheitserregern aus.

Deshalb besteht akuter Handlungsdruck, denn die gesundheitlichen Folgen unserer Lebensweise sind längst da – oder stehen kurz vor der Tür:

Risikofaktor Hitze

Unter den Risikofaktoren, die zu einem verfrühten Tod führen, ist Hitze weltweit auf Platz 5 – nach Tuberkulose, Verkehrsunfällen, HIV und Malaria. Die Klimakrise ist heute schon für 1 von 3 Hitzetoten verantwortlich. In Regionen wie Südeuropa rechnen Expert:innen mit einer Verzehnfachung der Hitzetoten bis zum Ende des Jahrhunderts.

Klimawandel fördert Malaria & Co.

Der menschengemachte Klimawandel mit dem Anstieg von Temperaturen, Niederschlägen und Feuchtigkeit schafft den Nährboden für die Ausbreitung der für die Malaria verantwortlichen Anophelesmücke. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rechnet zwischen 2030 und 2050 mit 60.000 zusätzlichen Malariatoten. Stechmücken aus südlichen Regionen der Erde sorgen dafür, dass Krankheitserreger nach Europa kommen – so wie heute schon das West-Nil-Virus. Malaria und Denguefieber in Deutschland: Nur noch eine Frage der Zeit?

Fördert Hitze Antibiotikaresistenzen?

Hinter dem Schlagwort Antibiotikaresistenz steckt das Szenario der nächsten globalen Gesundheitskrise. Weil immer mehr dieser antibakteriellen Arzneimittel ihre Wirksamkeit verlieren, ist eine der größten medizinischen Errungenschaften in Gefahr. Es mehren sich die Hinweise, dass steigende Umgebungstemperaturen die Entwicklung von Resistenzen beschleunigen.

Mehr CO2 ändert Nährstoffgehalt der Pflanzen

Der steigende CO2-Gehalt hat Auswirkungen auf die Ernährung. Studien haben ergeben, dass bei Grundnahrungsmitteln wie Reis, Weizen, Mais und Soja der Nährstoffgehalt der Pflanzen sinkt, wenn das CO2 in der Luft steigt. Zink-, Eiweiß-, Eisen- und Vitamingehalt sinken und sorgen bei Menschen für Mangelernährung – und damit für Gesundheitsprobleme.Eine Welt, eine Gesundheit

Hungerkrisen durch Insektensterben

Die Klimakrise befördert das Artensterben, von dem offenbar besonders Insekten betroffen sind. Viele von ihnen spielen bei der Versorgung mit Lebensmitteln eine entscheidende Rolle, weil die Bestäubung die Voraussetzung dafür ist, dass Pflanzen, die wir als Nahrungsmittel brauchen, wachsen. Man könnte auch sagen: Wem Insektensterben egal ist, hat keine Angst vor Hungerkrisen.

Mehr CO2 macht Pollen aggressiver

Wenig gute Nachrichten gibt es auch für Allergiker:innen: So fanden Wissenschaftler:innen heraus, dass ein höherer CO2-Gehalt in der Luft die Pollenproduktion allergieauslösender Pflanzen erhöht. Außerdem beginnt bei steigenden Temperaturen die Pollenzeit früher und endet später. Beobachtet wird auch, dass die Pollen aggressiver werden. Die Volkskrankheit Allergie bekommt einen weiteren Schub. pm

Das will One Health ändern

Die Liste ist alles andere als vollständig, aber sie zeigt: Die menschliche Gesundheit kann nicht isoliert betrachtet werden; sie ist eingebettet in die planetare Gesundheit. Michel J. Ryan von der WHO formuliert es so: „Wir schaffen die Bedingungen, in denen Epidemien gedeihen.“ Soll heißen: Wir schaffen unsere Gesundheitskrisen selbst. Der One-Health-Ansatz will das ändern. 

Wie zum Beispiel das forschende Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim die Human- als auch die Tiermedizin mit dem One-Health-Gedanken verbindet, lesen Sie hier. pm