Das Bauchfett bei Männern, also der Umfang der Taille, gibt genauer Auskunft über das Krebsrisiko durch Adipositas als der klassische Body-Mass-Index. Bei Frauen funktioniert das nicht so, da diese das Fett eher anders einlagern. Foto: grinny/stock.adobe.com

Taillenumfang bei Männern noch aussagekräftiger für Krebsrisiko durch Übergewicht als der BMI

Wer übergewichtig ist, hat ein höheres Risiko an Krebs zu erkranken. Eine Analyse von rund 340.000 Patientendaten, die Josef Fritz von der Medizinischen Universität Innsbruck mit Kolleginnen in Schweden durchgeführt hat, zeigt nun, dass bei Männern die Messung des Taillenumfangs, das Risiko an Adipositas bedingtem Krebs zu erkranken, noch genauer anzeigt als der Body-Mass-Index. Bei Frauen trifft das nicht zu.  

Der Body-Mass-Index (BMI), ein Wert, der sich aus dem Verhältnis von Körpergröße und Gewicht ergibt, ist ein anerkannter Marker, um Übergewicht zu messen und das damit verbundene Risiko für bestimmte Adipositas bedingte Krebsformen zu kalkulieren. Neue Forschungsergebnisse des Biostatistikers und Epidemiologen Josef Fritz von der Medizinischen Universität Innsbruck zeigen nun, dass der Taillenumfang von Männern ein noch aussagekräftigerer Risikofaktor für die Entwicklung von Adipositas bedingtem Krebs ist als der BMI. Für Frauen gilt diese Erkenntnis jedoch nicht. Die Studie „Comparing waist circumference with body mass index on obesity-related cancer risk: a pooled Swedish study“ wurde kürzlich vom Journal of the National Cancer Institute (JNCI) veröffentlicht.  

Adipositas kann viele schwere Folgeerkrankungen nach sich ziehen. Auf die leichte Schulter sollte man das Übergewicht auf keinen Fall nehmen. Grafik: bilderzwerg/stock.adobe.com

Große Datenmenge aus Schweden durchforstet

Für die Analyse wertete Fritz, der am EpiCenter (Direktor: Peter Willeit) der Medizin Uni Innsbruck und an der Universität Lund in Schweden tätig ist, gemeinsam mit seinen schwedischen Kolleginnen Ming Sun und Tanja Stocks die Daten von 339.190 Personen (Durchschnittsalter 51,4 Jahre) aus, die zwischen 1981 und 2019 in verschiedenen schwedischen Bevölkerungsgruppen erhoben wurden und glich diese mit den Krebsdiagnosen des schwedischen Krebsregisters ab. Während einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 14 Jahren nach Erhebung des BMI und des Taillenumfangs wurden 18.185 Adipositas bedingte Krebserkrankungen registriert.

Als Adipositas bedingte Krebsarten gelten laut Definition der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) jene, für die es ausreichend Beweise für den Zusammenhang mit Übergewicht gibt:

  • Speiseröhrenkrebs
  • Magenkrebs
  • Dickdarmkrebs
  • Rektumkrebs
  • Leberkrebs
  • Gallengangskrebs
  • Gallenblasenkrebs
  • Bauchspeicheldrüsenkrebs
  • Brustkrebs
  • Gebärmutterschleimhautkrebs
  • Eierstockkrebs
  • Schilddrüsenkrebs
  • Nierenzellkarzinom
  • Meningeom
  • multiples Myelom
Josef Fritz forscht am Institut für Klinische Epidemiologie, Public Health, Gesundheitsökonomie, Medizinische Statistik und Informatik (EpiCenter) an der Medizinischen Universität Innsbruck. Foto: MUI/D. Bullock

Bauchfett ist bei Männern entscheidend

Die Analyse der aufbereiteten Messdaten ergab bei Männern einen eindeutigen Unterschied der Aussagekraft von Taillenumfang und BMI hinsichtlich der Risikobewertung für die Entwicklung von Adipositas bedingten Krebsformen: So war ein um etwa 11 Zentimeter größerer Taillenumfang (zum Beispiel von 101 Zentimetern gegenüber 90 Zentimetern) mit einem um 25 Prozent höheren Risiko verbunden, an übergewichtsbedingtem Krebs zu erkranken.

Ein BMI-Anstieg um 3,7 kg/m² (zum Beispiel ein Vergleich eines BMI von 27,7 kg/m² gegenüber 24 kg/m²) entsprach hingegen lediglich einem um 19 Prozent erhöhtem Risiko. Die beiden Werte – 11 Zentimeter beim Taillenumfang und 3,7 kg/m² beim BMI – entsprechen jeweils etwa einer Standardabweichung in der untersuchten Population und sind daher direkt vergleichbar.

„Der BMI sagt nichts über die Verteilung des Körperfetts aus, während der Taillenumfang ein Hinweis für abdominales Fett („Bauchfett“) ist. Diese Unterscheidung ist entscheidend, da das abdominale Fett, das sich um die Bauchorgane ansammelt, stoffwechselaktiver ist und mit weiteren gesundheitlichen Nachteilen wie Insulinresistenz, Entzündungen und erhöhten Blutfettwerten in Verbindung gebracht wird. Folglich können Personen mit ähnlichem BMI unterschiedliche Krebsrisiken aufweisen, je nach Fettverteilung“, erklärt Fritz das Ergebnis. Dieses würde darauf hindeuten, dass das Krebsrisiko, das mit dem Taillenumfang und damit mit abdominalem Bauchfett verbunden ist, spezifisch ist und nicht allein mit dem BMI gemessen werden kann.

Taillenumfang bei Frauen weniger aussagekräftig

Bei Frauen fielen die Ergebnisse der Messungen hinsichtlich des Krebsrisikos für den Taillenumfang und für den BMI jedoch ähnlich aus. Zum Beispiel war sowohl ein um etwa 12 Zentimeter größerer Taillenumfang (zum Beispiel 92 Zentimeter gegenüber 80 Zentimeter) als auch ein um 3,7 kg/m² erhöhter BMI (zum Beispiel BMI 28,3 kg/m² gegenüber 24 kg/m²) gleichermaßen mit einem um 13 Prozent erhöhten Risiko verbunden, an Adipositas bedingtem Krebs zu erkranken.

„Das hat uns zunächst selber überrascht. Eine plausible Erklärung ist, dass Männer dazu neigen, Fett viszeral, also direkt um die Bauchorgane, zu speichern, während Frauen im Allgemeinen mehr subkutanes Fett (unter der Haut, Anmerkung der Redaktion) an der Taille und peripheres Fett ansammeln. Folglich ist der Taillenumfang bei Männern ein genaueres Maß für viszerales Fett als bei Frauen. Dies könnte den Taillenumfang zu einem stärkeren Risikofaktor für Krebs bei Männern machen und erklären, warum der Taillenumfang bei Männern zusätzliche Risikoinformationen liefert, die über das hinausgehen, was durch den BMI vermittelt wird – bei Frauen jedoch nicht“, interpretiert Fritz das Ergebnis.

„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Fettverteilung bei der Einschätzung des Krebsrisikos stärker berücksichtigt werden sollten. Weitere Forschung ist notwendig, um diese biologischen Unterschiede besser zu verstehen“, schließt er daraus.

Statistische Herausforderung

Selbst Laien können den BMI unkompliziert berechnen: Körpergewicht in kg geteilt durch Körpergröße zum Quadrat (m²), siehe zum Beispiel https://adipositas-gesellschaft.de/bmi/. Der Taillenumfang hingegen lässt sich schwieriger präzise und konsistent messen. „Messfehler führen dazu, dass der tatsächliche Effekt unterschätzt wird – die Ergebnisse werden gewissermaßen verwässert. Um den BMI und den Taillenumfang direkt vergleichen zu können, haben wir die Daten statistisch bereinigt und die zufälligen Messfehler mithilfe der sogenannten Regression Dilution Ratio-Methode korrigiert“, erklärt Studienleiter Fritz.

Bei der Berechnung des relativen Risikos für übergewichtsbedingten Krebs berücksichtigten die Wissenschafter außerdem weitere Einflussfaktoren, darunter Alter, Rauchverhalten sowie sozioökonomische Merkmale wie Bildung, Einkommen, Geburtsland und Familienstand. pm

Info

Die Forschungsarbeit: Ming Sun et al., Comparing waist circumference with body mass index on obesity-related cancer risk: a pooled Swedish study, JNCI: Journal of the National Cancer Institute, 2025, djaf075, https://doi.org/10.1093/jnci/djaf075