Adipositas zählt in Deutschland zu einer der größten gesundheitlichen Herausforderungen. Eine bislang wenig beachtete, aber entscheidende Komponente bei der Adipositas ist die Kommunikation zwischen Gehirn und dem Rest des Körpers. Foto: mojo_cp/stock.adobe.com

Adipositas verändert das Gehirn:  Wie Übergewicht das Essverhalten und die Motivation sabotiert

Rund 25 Prozent der deutschen Bevölkerung sind von Adipositas betroffen, und die Zahl der Erkrankten steigt. Bei dieser Erkrankung lagert der Körper durch eine zu hohe Kalorienzufuhr zu viel Fett ein, sodass sich eine ungesunde Menge ansammelt. Doch die Krankheit hat nicht nur körperliche Folgen: Sie verändert auch das Gehirn, indem die Signale, die dieses an den Körper sendet, fehlerhaft sind und falsch interpretiert werden.

Das äußert sich beispielsweise darin, dass Patienten ein verändertes Sättigungsgefühl und ein verändertes Belohnungsgefühl mit eingeschränkter Dopaminausschüttung haben, wie das DeutschesGesundheitsPortal (DGP) über eine Mitteilung der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) berichtet.

Gewichtszunahme und Stoffwechselveränderungen führen zu Störungen

Adipositas zählt in Deutschland zu einer der größten gesundheitlichen Herausforderungen. Häufig führt bei dieser Erkrankung eine positive Energiebilanz zu übermäßigem Gewicht: Das bedeutet, es wird mehr Energie über die Nahrung aufgenommen als beispielsweise durch körperliche Aktivität verbraucht wird. Neben den körperlichen Einschränkungen führt Adipositas zu einer Vielzahl an Folgeerkrankungen – darunter Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus Typ 2 und bestimmte Krebsarten. Eine bislang wenig beachtete, aber entscheidende Komponente bei der Adipositas ist die Kommunikation zwischen Gehirn und dem Rest des Körpers.

 „Bei Adipositas kommt es, ausgelöst meist durch Überernährung, zu einer Gewichtszunahme und zu Stoffwechselveränderungen wie einer Insulinresistenz. In der Folge kann das Gehirn Signale, die der Körper aussendet, oft nicht mehr richtig interpretieren: Betroffene essen dann beispielsweise zu viel, obwohl der Körper bereits genug Energie hat, da das Gehirn weiterhin ein Hungersignal sendet“, erklärt Dr. Ruth Hanßen, Fachärztin für Innere Medizin und Endokrinologie an der Uniklinik Köln und Leiterin der Arbeitsgruppe Translationale Stoffwechselforschung.

Auswirkungen auf Verhalten und Belohnungssystem

Die gestörte Kommunikation zwischen Gehirn und Körper hat auch Auswirkungen über das Essverhalten hinaus: „Bei Menschen mit Adipositas ist das Belohnungssystem des Gehirns, vor allem die dopaminergen mesolimbischen Bahnen, verändert. Das äußert sich darin, dass Betroffene ihre Bereitschaft, sich für eine Belohnung anzustrengend, weniger gut an ihre aktuellen Bedürfnisse anpassen können. Dies hängt auch mit der Art der Lebensmittel zusammen, die konsumiert werden: Wenn Menschen überwiegend hochkalorische, fett- und zuckerreiche Lebensmittel zu sich nehmen, kann dies zu Antriebslosigkeit und Leistungsabfall führen“, so Hanßen.

Auch kognitive und emotionale Prozesse, wie die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen, können durch diese gestörte Kommunikation zwischen Körper und Gehirn und die damit verbundene veränderte Motivation beeinträchtigt werden​. Betroffenen fällt es schwer, neue Assoziationen zu lernen, die nichts mit Essen zu tun haben.

Therapieoptionen: GLP-1-Analoga als Hoffnungsträger

Für die Behandlung von Adipositas gibt es vielversprechende neue Therapieansätze, die bei dieser Körper-Gehirn-Interaktion ansetzen. Die blutzuckersenkenden GLP-1-Agonisten sowie deren Weiterentwicklungen zu dualen und Triple-Agonisten, eine Klasse von Medikamenten, die ursprünglich zur Behandlung von Diabetes mellitus Typ 2 entwickelt wurden, können auch bei Adipositas eine entscheidende Rolle spielen.

„Diese Analoga wirken sowohl peripher, also am Ort des Geschehens im Körper, als auch zentral im Gehirn und tragen dazu bei, das Essverhalten zu regulieren und die Motivation zu steuern“, so Hanßen. „Sie fördern ein besseres Sättigungsgefühl und helfen Betroffenen, ihre Ernährungsgewohnheiten zu ändern. Allerdings bringen diese Medikamente auch Fragen hinsichtlich ihres Einsatzes mit sich: Wann und wie lange soll ein präventiver Einsatz erfolgen? Wie sieht die erfolgreiche Langzeittherapie von Adipositas aus? Und welche politischen Rahmenbedingungen müssen dafür geschaffen werden?“

DGE betont ganzheitliche Therapie von Adipositas

„Durch die Forschung an neuen Medikamenten und die Verbesserung der Therapien können Menschen mit Adipositas in Zukunft effektiver unterstützt werden. Es ist wichtig, auch die gestörte Kommunikation zwischen Körper und Gehirn immer einzubeziehen, damit eine ganzheitliche, individuelle Therapie erfolgen kann“, betont Professor Dr. med. Jens C. Brüning, Kongresspräsident 2025 und Direktor der Poliklinik für Endokrinologie, Diabetologie und Präventivmedizin an der Uniklinik Köln, abschließend.    DGP