Für Patienten ist ein Besuch beim Zahnarzt selten ein Vergnügen. Auch die Zahnärzte selbst haben aktuell nicht immer Freude an ihrem Beruf. Auf der einen Seite mangelt es an fachkundigem Personal, auf der anderen steigert sich der bürokratische Aufwand gewaltig. Die Folge: Es könnten bald empfindlich viele Zahnarztpraxen schließen. Foto: Prostock-studio/stock.adobe.com
Kritische Personalsituation in Zahnarztpraxen – Wohnortnahe Versorgung gefährdet
Auch Zahnarztpraxen in Deutschland leiden wie andere Branchen unter dem Fachkräftemangel, so eine aktuelle Umfrage. Die bereits schwierige Lage der Praxen infolge der aktuellen politischen Rahmenbedingungen wird sich ohne geeignete Maßnahmen in Zukunft noch verschärfen. Eine weitere Umfrage bestätigt eine drohende Gefahr für die flächendeckende und wohnortnahe zahnärztliche Versorgung. Das Praxensterben nimmt kein Ende.
Negative Effekte des Personalmangels
In einer repräsentativen bundesweiten Umfrage zur Personalsituation in den Zahnarztpraxen, die vom Zentralinstitut für Kassenärztliche Versorgung (Zi) im Auftrag der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) durchgeführt wurde, wird deutlich, wie negativ sich der Fachkräftemangel auf den Praxisalltag auswirkt.
Lediglich rund ein Drittel der teilnehmenden Praxen bewertete die eigene Personalsituation aktuell noch als gut oder sehr gut. Dagegen beurteilten 40 Prozent ihre Personalsituation als schlecht oder sehr schlecht. Fehlendes Fachpersonal führt schon jetzt zu konkreten Einschränkungen im Praxisalltag: Rund 43 Prozent der Praxen aus der Umfrage mussten bereits das Behandlungsangebot reduzieren, was fatale Folgen für die Patientenversorgung hat.
Ein Problem für die flächendeckende Versorgung
Hierzu erklärt Martin Hendges, Vorstandsvorsitzender der KZBV: „Unsere Mitarbeitenden sind das Herz unserer Praxen. Ihre Arbeit ist eine entscheidende Grundlage für die Funktionsfähigkeit der Praxen und damit für eine flächendeckende, qualitativ hochwertige zahnärztliche Versorgung.“ Laut Umfrage erwarten fast alle Praxen künftig eine Beeinträchtigung ihres Praxiserfolgs aufgrund des Fachkräftemangels.
„Das ist ein deutliches Alarmsignal an die gesundheitspolitisch Verantwortlichen in unserem Land, endlich zu erkennen, dass bewährte Versorgungsstrukturen auf dem Spiel stehen“, mahnt Hendges und fordert von der Politik gute und verlässliche Rahmenbedingungen für die inhabergeführten Praxen.
Großer Mangel an Fachkräften, langwierige Suche
Händeringend gesucht sind nach Aussagen der Praxen vor allem Zahnmedizinische Fachangestellte (ZFA), Zahnmedizinische Fachassistenz (ZMF) und Zahnmedizinische Verwaltungsassistenz (ZMV). Aber auch bei Zahntechnikern und sonstigem Personal wird die Personalsuche als schwierig eingeschätzt. Auf eine offene Stelle gibt es im Durchschnitt lediglich 3,5 Bewerbungen, von denen der Großteil (knapp 2,6) nicht dem Anforderungsprofil entspricht. Gründe dafür sind vor allem mangelnde theoretische wie praktische Fachkenntnisse, teilweise aber auch fehlende Sprachkenntnisse und andere nicht-fachliche Aspekte.
Dies führt dazu, dass die Personalsuche unverhältnismäßig viel Zeit in Anspruch nimmt: Durchschnittlich dauert es etwa sechs Monate, bis eine Stelle besetzt werden kann. Jedoch konnten 54 Prozent der Praxen, die in den vergangenen zwei Jahren nicht-zahnärztliches Personal gesucht haben, nicht einmal jede Stelle besetzen. Mittlerweile geht sogar nur noch rund ein Viertel der Praxen davon aus, in den kommenden zwei Jahren keine Schwierigkeiten zu haben, geeignetes nicht-zahnärztliches Personal zu finden.
Überbordende Bürokratie verschärft Fachkräftemangel
Durch eine erhebliche Zunahme regulatorischer Vorgaben wird der Alltag in den Zahnarztpraxen in großem Maße von Bürokratielasten und Verwaltungsaufgaben beeinträchtigt. Nicht nur die niedergelassenen Zahnärzte sind hiervon betroffen: Auch ihre Praxisteams fühlen sich erheblich belastet, weil der bürokratische Aufwand für sie immer größer wird. Große Teile wertvoller Zeit, die eigentlich der Versorgung der Patienten zugutekommen sollte, werden durch diese Aufgaben gebunden.
„Es muss dringend verhindert werden, dass unsere Fachkräfte aufgrund hoher Arbeitsbelastungen infolge einer überbordenden Bürokratie die Freude an ihrem Beruf verlieren und in andere Berufe abwandern. Hier ist die Politik in der Pflicht, jetzt geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um Bürokratie auf das Nötigste zu reduzieren. Den Praxen muss wieder mehr Zeit für ihre Arbeit mit den Patientinnen und Patienten zur Verfügung stehen anstatt Bürokratie und Verwaltungsarbeit bewältigen zu müssen“, betont KZBV-Chef Hendges und appelliert an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, endlich wieder die Versorgungsrealität in den Blick zu nehmen anstatt bewährte Strukturen zu zerstören.
Die eigene Praxis ist für Zahnärzte kein Traum mehr
Es fehlt jedoch nicht nur das Personal, bald könnten auch die Zahnarztpraxen an sich fehlen. Vor allem im ohnehin schon unterversorgten ländlichen Raum. Die eigene Praxis scheint für viele Zahnärzte kein Traum mehr zu sein – der bürokratische Aufwand ist vielen einfach zu hoch.
Dass die Niederlassung in der eigenen Zahnarztpraxis offenbar stark an Attraktivität verloren hat, geht aus einer repräsentativen Online-Befragung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) in Zusammenarbeit mit der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) hervor. Mehr als die Hälfte der Teilnehmer (58 Prozent) würden sich demnach heute nicht mehr niederlassen. Ein noch höherer Anteil (72 Prozent) überlegt, vorzeitig aus der Versorgung auszuscheiden. Dabei erachten nahezu 100 Prozent ihre Arbeit als sinnvoll und nützlich.
Erdrückende Rahmenbedingungen
Grund für die hohe Unzufriedenheit innerhalb der Zahnärzteschaft sind vor allem die aktuellen Rahmenbedingungen: Knapp 97 Prozent der befragten Zahnärzte fühlen sich durch die Vielzahl an bürokratischen Aufgaben überlastet, rund 81 Prozent sehen ihren Praxisablauf infolge einer praxisfernen Digitalisierung beeinträchtigt. Beide Faktoren führen zusammen mit einem sich verschärfenden Fachkräftemangel dazu, dass fast alle Teilnehmer die Zeit für ihre Kernaufgabe – die Patientenversorgung – eingeschränkt sehen.
Gekürzte Mittel verschärfen die Lage
Die Folgen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes (GKV-FinStG) und der damit verbundenen Budgetierung verschärfen die Situation in den Praxen weiter. Drei Viertel der Teilnehmer gaben an, von den Honorarkürzungen bereits betroffen zu sein. Zwangsläufig müssen die Praxen ihre Abläufe daher anpassen, was bei 87 Prozent bereits sogar zu Einschränkungen in der Patientenversorgung führt. Längere Wartezeiten auf einen Termin sind die Folge. Mit einer Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Lage noch in diesem Jahr rechnen fast 90 Prozent.
„Diese Befragung zeigt eindrucksvoll, dass unsere Forderungen nach weniger Bürokratie, nach einer tragfähigen Finanzierung, nach einer praxistauglichen Digitalisierung und nach Abschaffung der Mittelbegrenzung keine haltlosen Lobbyisten-Klagen sind, wie es Bundesgesundheitsminister Lauterbach wiederholt behauptet“, erklärt KZBV-Vorstandsvorsitzender Martin Hendges. „Diese Ergebnisse spiegeln die ganz realen Probleme und Sorgen der Praxen wider. Wir haben Minister Lauterbach bereits frühzeitig Lösungsvorschläge unterbreitet. Seine Vorstellung der Problemlösung, nämlich ein Wechsel hin zu einem staatlich gelenkten Gesundheitssystem, wird keine Abhilfe schaffen. Im Gegenteil!“
Hoher Stresslevel
Fast drei Viertel der Teilnehmer fühlen sich bereits jetzt „ausgebrannt“, zumal sie immer mehr Patienten von Praxen übernehmen müssen, die aufgeben beziehungsweise ihre Arbeitszeit reduzieren. Zudem sehen 97 Prozent keine angemessene Wertschätzung ihrer Arbeit durch die Politik.
„Mein Blick geht sorgenvoll in die Zukunft“, so Hendges weiter. „Wenn sich so viele Kolleginnen und Kollegen am Limit sehen und mit dem Gedanken spielen, vorzeitig aus der Patientenversorgung auszusteigen, ist das ein eindeutiger Beweis für schlechte Rahmenbedingungen und damit auch nicht der dringend notwendige Anreiz für den zahnärztlichen Nachwuchs sich niederzulassen.“ 90 Prozent befürchten daher auch laut Stimmungsbarometer, keine geeignete Nachfolge für die Praxis zu finden.
Verlässliche Rahmenbedingungen schaffen
„Gerade aber die selbstständig und freiberuflich tätigen Zahnärztinnen und Zahnärzte bilden das Fundament einer flächendeckenden, wohnortnahen und qualitativ hochwertigen zahnärztlichen Versorgung. Mit einer durch staatszentrierte Großstrukturen organisierten Versorgung wird es nicht funktionieren, das bewährte Versorgungsniveau aufrechtzuerhalten. Die Unabhängigkeit von Weisungen und Interessen Dritter sowie die fachliche Entscheidungsfreiheit im Rahmen der Berufsausübung machen den Kern der Freiberuflichkeit aus“, betont Hendges und fordert daher von der Politik gute und verlässliche Rahmenbedingungen für die inhabergeführten Praxen.
Daran führe kein Weg vorbei. In einigen Regionen zeige sich bereits heute exemplarisch, wie schlecht es um die wohnortnahe zahnärztliche Versorgung bestellt ist. Aber selbst dort, wo auf dem Papier aktuell noch eine gute Versorgungslage vorherrsche, dürfte es künftig eng werden – wenn die Politik nicht umgehend gegensteuert. pm/tok
Info
Umfrage zum Personalmangel: Aufgrund der Engpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit, die den Beruf der ZFA bereits im Mai 2023 als Beruf mit erkennbarem Personalmangel auswies, wurde in der Erhebung 2023 zum Zahnärzte-Praxis-Panel (ZäPP) der Fachkräftemangel in Zahnarztpraxen mit einem Sonderfragebogen abgefragt – mit hoher Resonanz: 1.900 Zahnärzte haben die zusätzlichen Fragen zur Personalsituation beantwortet.
Umfrage zur Praxissituation: Eine Einladung zur Teilnahme an der Online-Befragung erhielten alle zugelassenen Zahnärzte sowie zugelassenen Medizinischen Versorgungszentren auf Basis der bundesweiten Daten, von denen sich 12,2 Prozent beteiligt haben. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer lag bei 53,8 Jahren. 82 Prozent von ihnen sind in einer Einzelpraxis tätig, 16 Prozent in einer Berufsausübungsgemeinschaft und die übrigen in einem Medizinischen Versorgungszentrum.