
Bei einem Ausbruch von EHEC-Bakterien in Mecklenburg-Vorpommern wurde bislang bei schon sechs Kindern das hämolytisch-urämische Syndrom diagnostiziert. Die Hälfte der kleinen HUS-Patienten musste zur Dialyse. Foto: blindturtle/stock.adobe.com
Aktuelle EHEC-Infektionen: Wie schnell Bakterien Blutkörperchen und Nieren angreifen
EHEC? Noch nie gehört? Damit sollte man sich jetzt befassen, denn in Deutschland erkranken gerade im Nordosten überraschend viele und vor allem sehr junge Menschen in kurzer Zeit daran. Zur gleichen Zeit sind in Belgien in Seniorenheimen von 20 infizierten Menschen fünf an den EHEC-Folgen gestorben.
Der Begriff klingt sperrig, lässt an einen technischen Ausdruck aus der Automobilwelt oder nach einer bürokratischen Kurzformel eines neuen und komplizierten Steuerformulars denken. Bei EHEC handelt es sich aber um enterohämorrhagische Escherichia coli, also um Bakterien, die im Menschen ein besonders starkes Gift produzieren. Dieses Shiga-Toxin sorgt nicht nur für blutige Durchfälle, sondern schädigt in schweren Fällen auch die Nieren und löst lebensgefährliche Komplikationen aus.
Infektionsquelle und Verbreitungsweg noch unklar
Aktuell haben 17 Menschen in Mecklenburg-Vorpommern eine diagnostizierte Ehec-Infektion. Zum Großteil handelt es sich um Kinder und Jugendliche. Was Gesundheitsbehörden und Ärzte irritiert, ist die schnelle Ausbreitung von EHEC und die Unkenntnis über konkrete Quellen und Verbreitungswege von EHEC. Unterdessen hat ein Wursthersteller aus Thüringen ein Produkt wegen nachgewiesener EHEC-Bakterien zurückgerufen. Noch aber ist unklar, ob die Zwiebelmettwurst etwas mit den Fällen in Mecklenburg-Vorpommern zu tun hat. Die Behörden in Mecklenburg-Vorpommern überprüfen Lebensmittel und Tierkontakte der Betroffenen, ohne schon ein Infektionsmuster erkannt zu haben.
Von einer Verbindung nach Belgien, wo aktuell von 20 Senioren in Altersheimen fünf an einer EHEC-Infektion starben, ist nichts bekannt. Dort sieht es aber so aus, als würde eine gemeinsame Quelle für das Wüten der Bakterien verantwortlich sein.
Rückruf von einer mit Bakterien infizierten Zwiebelmettwurst
Die Schleizer Fleisch- und Wurstwaren GmbH ihre Zwiebelmettwurst in der 500-Gramm-Packung mit dem Produktionsdatum 11.08.2025 und dem Mindesthaltbarkeitsdatum 27.08.2025 zurückgerufen. In einer Charge seien EHEC-Bakterien gefunden worden. Nach Angaben des Unternehmens war das Produkt in Baden-Württemberg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Bayern, Hessen, Niedersachsen, Sachsen und Thüringen erhältlich. Kunden können die Zwiebelmettwurst laut Mitteilung im Handel abgeben und bekommen ihr Geld zurück.
Angriff auf die roten Blutkörperchen kann fatal enden
Wie gelangen solche Keime in den Körper? Zumeist über die Nahrung. Rohes oder nicht ausreichend durchgegartes Fleisch, Rohmilch, aber auch Gemüse und Sprossen können belastet sein. Schon eine winzige Menge reicht aus, um eine Infektion auszulösen.Aber verunreinigtes Trink- oder Badewasser ist als Ursache möglich, ebenso ein Kontakt zu Tieren (Rinder, Schafe, Ziegen, Rehe, Hirsche beherbergen EHEC im Darm, ohne im Normalfall daran zu erkranken) sowie zu von Bakterien befallenen Oberflächen. Schmierinfektion können sich Menschen auch gegenseitig anstecken. Was die Sache noch zusätzlich problematisch macht: Die Bakterien verbleiben 5 bis 20 Tage im Stuhl, bei Kindern teilweise sogar Monate, was eine mögliche Weitergabe bei mangelhafter Hygiene erleichtern kann.
Wer zwischen 2 und 10 Tagen nach der Ansteckung über Bauchkrämpfe und Durchfall klagt, der leidet möglicherweise an EHEC – und in etwa jedem fünften Fall kommt es sogar zu blutigem Stuhlgang. Besonders gefährdet sind kleine Kinder, ältere Menschen oder Personen mit geschwächtem Immunsystem. Wobei Kinder unter 5 Jahren die höchste Inzidenz aufweisen, während Säuglinge, ältere Menschen und Immungeschwächte ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe haben und bei bestimmten Ausbruchsgeschehen wie bei der EHEC-Epidemie von 2011) eher Erwachsene und da vor allem Frauen betroffen waren.
In 5 % bis 10 % der Fälle kann sich die Infektion in das hämolytisch-urämische Syndrom (HUS) mit akutem Nierenversagen, Blutarmut, Blutplättchenmangel entwickeln – manchmal mit fatalem Ausgang. Von den betroffenen Kindern in Mecklenburg-Vorpommern leiden sechs Kinder inzwischen unter dem hämolytisch-urämischen Syndrom. Sie werden unter anderem wegen Blutgerinnungsstörungen und Funktionsstörungen der Nieren intensivmedizinisch versorgt. Die Hälfte der sechs kleinen HUS-Patienten musste eine Dialyse über sich ergehen lassen. In besonders schweren Fällen kann die Infektion erst nach einigen Wochen ausgeheilt sein.
Antibiotika helfen nicht, sondern verschärfen eher das Problem
Die HUS-Therapie nach EHEC-Infektion erfolgt in der Anfangsphase eher symptomatisch: Der Verlust an Wasser und Elektrolyten wird durch Infusionen ausgeglichen. Die Durchfallerscheinungen durch die Darmbewegung lähmende Arzneistoffe einzudämmen, ist wenig hilfreich, da sonst die Ausschwemmung der toxinproduzierenden Bakterien unterdrückt wird.
Sind Antibiotika sonst das wichtigste Mittel gegen Bakterien, ist das bei einer EHEC-Erkrankung nicht er Fall. Sie wirken nicht gegen das Bakteriengift, scheinen im Gegenteil eher eine erhöhte Freisetzung des Giftes zu provozieren und die HUS-Entwicklung zu fördern. Am Ende eines schweren Verlaufs könnte eine Nierentransplantation, eine lebenslange Dialyse oder eben auch der Todesfall stehen.
EHEC ist eine permanente Gefahr
Deutschland hat diese Gefahr auf besonders dramatische Weise im Jahr 2011 erlebt. Damals erkrankten innerhalb weniger Wochen Tausende Menschen, die Spur führte zu kontaminierten Bockshornkleesamen, aus denen Sprossen gezogen worden waren. Mehr als 50 Menschen starben, Hunderte erlitten bleibende Schäden. Auch Baden-Württemberg blieb davon nicht verschont.
Aber auch abseits solcher großen Schlagzeilen tauchen EHEC-Fälle immer wieder auf. Typisch sind Infektionen durch Rohmilch, weshalb es eindringliche Verzehrwarnungen für vulnerable Gruppen gibt. Eine sorgfältige Lebensmittelüberwachung fördert regelmäßig brisante Ergebnisse zutage. Dass daraus nicht jedes Mal ein Ausbruch entsteht, liegt vor allem daran, dass viele Infektionen milde verlaufen.
EHEC-Fälle in Deutschland und Baden-Württemberg: massenhafte Infektion und typischer Einzelfall
Die EHEC-Epidemie von 2011
- Deutschlandweit: Die Epidemie erstreckte sich laut Robert Koch-Institut (RKI) vom 1. Mai bis 25. Juli 2011. Insgesamt wurden rund 3469 Erkrankungen (es dürften aber wohl mehr gewesen sein) und 852 HUS-Fälle ans RKI gemeldet. Es soll 53 Todesfälle durch EHEC-Bakterien gegeben haben.
- Quelle: Mit hoher Wahrscheinlichkeit waren kontaminierte Bockshornkleesamen aus Ägypten (gezogen zu Sprossen) die Ursache, wie das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) im Abschlussbericht zusammenfasste. Sprossen und Samensaaten können als „High-Risk“-Lebensmittel für STEC/EHEC-Ausbrüche verantwortlich sein und werden entsprechend kontrolliert und mit Verbraucherhinweisen versehen.
- Baden‑Württemberg: Bis Ende Juni 2011 meldete das Land 194 EHEC-Fälle seit Jahresbeginn 2011, davon allein 171 Erkrankungen nach dem 1. Mai. Zusätzlich gab es 30 bestätigte HUS-Fälle (davon 28 nach dem 1. Mai) sowie 1 HUS-Verdachtsfall.
- Quelle: Viele Betroffene aus Baden-Württemberg hatten sich vor der Erkrankung in Norddeutschland aufgehalten. Hinweise auf eine lokale Infektionsquelle im Südwesten lagen nicht vor.
Typischer Einzelfall: EHEC-Infektion mit Rohmilch
- Befundlage: Das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) Stuttgart isolierte 2020 Verotoxin-bildende E. coli (VTEC/STEC) sowohl aus einer Rohmilchprobe einer Milchtankstelle als auch bei einem erkrankten Senioren. Die Isolate waren identisch – eine Infektkette ist damit plausibel.
- Einordnung: Rohmilch ist für Kinder unter 5 Jahren, für ältere Menschen, Schwangere und Immunsupprimierte besonders riskant. Das BfR rät diesen Gruppen grundsätzlich vom Verzehr von Rohmilch ab.
Lebensmittelüberwachung im Südwesten – was Labordaten zeigen
- Screening-Realität 2018: In 30 Proben aus baden-württembergischen Betrieben wiesen die vier Chemischen und Veterinäruntersuchungsämter des Landes die zu Vergiftungen führenden VTEC/STEC-Bakterien nach – ausschließlich in tierischen Lebensmitteln wie rohes Fleisch, Hackfleisch oder Rohmilch). Das unterstreicht den Dauerrisikobereich bei Fleisch-/Milchprodukten. Generell zeigen regelmäßige Produktrückrufe (zum Beispiel Wurst- und Käseprodukte mit STEC-Nachweis)zeigen die niedrige Toleranzschwelle in der amtlichen Lebensmittelüberwachung.
- Take-home: Auch ohne Ausbruch gibt es regelmäßig positive Befunde, wobei die Quelle nicht im Südwesten liegen muss, sondern die Infektion aus dem Urlaub mitgebracht wird. Entscheidend bleibt die permanente Prävention, was zum Beispiel die Hygiene oder die Garzeiten betrifft.
Bundesländer mit besonders hoher Inzidenz
- Laut aktuellen Daten sind die Flächenländer Bayern, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen führend bei der EHEC-Inzidenz – Baden‑Württemberg liegt im mittleren Bereich.
So schützen Sie sich vor EHEC-Bakterien
Wie kann man sich vor einer Infektion schützen, wie sie gerade so schnell und so überraschend viele in Mecklenburg-Vorpommern getroffen hat? Die Regeln sind einfach, aber effektiv: Fleisch gut durchgaren (mindestens 70 °C Kerntemperatur), Milch nur pasteurisiert genießen, Obst und Gemüse gründlich waschen und beim Kochen peinlich genau auf Küchenhygiene (Trennung von rohen und gegarten Lebensmitteln) achten. Und natürlich gehört gründliches Händewaschen nach dem Kontakt mit Tieren oder nach dem Toilettengang zu den besten Schutzmaßnahmen.
Zahlen des Robert Koch-Instituts zeigen: Jedes Jahr erkranken in Deutschland um die 1000 Menschen an EHEC, etwa 50 bis 60 davon entwickeln HUS. Meist heilen die Infektionen nach einigen Tagen von selbst aus, doch für manche Betroffene endet die Erkrankung tragisch.
Und doch gilt: Jede einzelne Infektion erinnert daran, wie eng unsere moderne Ernährung mit globalen Lieferketten verbunden ist – und wie wichtig es ist, aufmerksam zu bleiben. Die Sprossenkrise von 2011 hat gezeigt, dass unscheinbare Lebensmittel aus fernen Ländern plötzlich eine Masseninfektionen auslösen können. Der Rohmilch-Fall in 2020 in Baden-Württemberg macht klar, dass auch regionale Produkte ihre Tücken haben können. EHEC ist damit nicht nur ein medizinisches, sondern auch ein gesellschaftliches Thema: ein Lehrstück über die Verletzlichkeit unseres Alltags – und über die große Wirkung kleiner Bakterien. tok
Im Sommer sind in der Küche höhere Hygieneanforderungen zu beachten
Hochsommerliche Temperaturen laden zu Picknicks in Parks und an Seen oder zu geselligen Grillpartys im eigenen Garten ein. Doch Vorsicht: Bakterien und Keime vermehren sich bei Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit rasant. Daher ist es besonders im Sommer wichtig, auf den richtigen Umgang mit Lebensmitteln zu achten. Wenn man sich auch nicht schnell EHEC einfängt, so können Salmonellen umso häufiger zum Problem werden. Zum Glück ohne die extremen bis lebensbedrohlichen Auswirkungen wie HUS durch EHEC-Bakterien.
Die Vorsichtsmaßnahmen beginnen schon beim Einkaufen. „Um die Kühlkette nicht zu unterbrechen, ist es sinnvoll, frische und gekühlte Waren in eine Kühltasche zu packen und besonders empfindliche Lebensmittel wie Fisch und Fleisch sowie Tiefgefrorenes erst zum Schluss in den Einkaufswagen zu legen“, rät Carsten Sellmer, Gesundheitsexperte der IDEAL Versicherung. Vor allem das Parken in der Sonne kann das Auto stark aufheizen. Daher ist es ratsam, ohne Umwege nach Hause zu fahren. „Befinden sich Lebensmittel wie Eier, Joghurt oder Fleisch nicht in einer Kühlbox, entstehen bei heißen Temperaturen Keime, die sich schnell vermehren“, so Sellmer. Er rät daher, den Einkauf, wenn möglich, in die kühleren Morgenstunden oder auf den Abend zu legen. Mehr dazu lesen Sie hier.
„Nimmt man salmonellenhaltige Lebensmittel zu sich, so geht es ganz schnell: Innerhalb von 12 bis 36 Stunden kommt es zu einem rapide einsetzender Krankheitsschub. Durchfall tritt auf, Bauch- und Kopfschmerzen mit Kreislaufschwäche zeigen sich und ein ausgesprochen intensives Krankheitsgefühl mit Gliederschmerzen breitet sich im gesamten Körper aus. Bei Kindern und Senioren können die Durchfallerscheinungen so ausgeprägt sein, dass ein Krankenhausaufenthalt nötig wird, weil man zu viel Flüssigkeit verliert“, erklärt Apothekerin Stephanie Isensee von der Pregizer Apotheke in Pforzheim. Mehr dazu lesen Sie hier.
Während EHEC-Bakterien gerade die Schlagzeilen füllen, ist es um das Norovirus aktuell etwas ruhiger geworden. Doch in diesem Jahr gab es bereits viele Infektionen durch Noroviren in der Kreuzfahrtbranche. Vergleichbar sind Bakterien und Viren eigentlich nicht, auch wenn beide Magen und Darm auf eine ungesunde Art beschäftigen. Mehr zu Noroviren lesen Sie hier. tok
EHEC und Salmonellen: So unterscheiden sich die Auswirkungen dieser Bakterien
Merkmal | EHEC | Salmonellen |
Erreger | Enterohämorrhagische E. coli (Shiga-Toxin) | Salmonella spp. (Salmonellen) |
Symptome | Blutiger Durchfall, HUS möglich | Durchfall, Bauchschmerzen, meist ohne Blut |
Komplikationen | HUS, Nierenversagen, neurologische Komplikationen möglich | Seltener schwere Komplikationen |
Therapie | Kein Antibiotikum, symptomatisch | Antibiotika nur bei schweren Fällen |
Prävention | Hygiene, Kochen, Vermeidung roher Zutaten | Hygiene, Kochen, Vermeidung kontaminierter Lebensmittel |
Ansteckungsdosis | Sehr gering (< 100 Bakterien) | Höhere Keimzahl erforderlich |
Meldepflicht | Ja, EHEC und HUS sind meldepflichtig | Ja, bei Salmonellose meldepflichtig |