Nach einer zwischenzeitlich rückläufigen Inzidenz der insbesondere von Mensch zu Mensch übertragbaren Infektionen im Zuge der Isolationsmaßnahmen der Covid-19-Pandemie beobachten Gastroenterologen aktuell eine deutlich steigende Häufigkeit der infektiösen Durchfallerkrankungen. Foto: metamorworks/stock.adobe.com
Spezialisten rechnen mit deutlich mehr Magen-Darm-Infekten – Händewaschen bietet Schutz
Gastrointestinale Infektionen – etwa durch Salmonellen oder Infekte mit Noroviren, machen rund 60 % der in Deutschland meldepflichtigen Infektionskrankheiten aus und zählen zu den häufigsten gastroenterologischen Erkrankungen. Hervorgerufen werden die Infektionen hauptsächlich durch Viren, Bakterien oder Parasiten. Der beste Schutz vor den häufig von Erbrechen und Durchfall begleiteten Infektionen: regelmäßiges und sorgfältiges Händewaschen.
Darauf weist die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. Die DGVS hat die Konsultationsfassung einer neuen S2k-Leitlinie zur Behandlung von gastrointestinalen Infektionen veröffentlicht. Nach zwischenzeitlich durch Covid-19 bedingten niedrigeren Infektionszahlen durch vermehrtes Tragen von Masken und Händedesinfektion rechnen Gastroenterologen nun wieder mit einem deutlichen Anstieg von Magen-Darm-Erkrankungen.
Mehr Infektion weil Schutzmaßnahmen der Coronapandemie fehlen
Nach einer zwischenzeitlich rückläufigen Inzidenz der insbesondere von Mensch zu Mensch übertragbaren Infektionen im Zuge der Isolationsmaßnahmen der Covid-19-Pandemie beobachten Gastroenterologen aktuell eine deutlich steigende Häufigkeit der infektiösen Durchfallerkrankungen. „Wir erwarten, dass die jährliche Inzidenz wieder ein ähnliches Niveau wie in einem typischen prä-pandemischen Jahr betragen wird, eventuell sogar wegen verringerter Immunitätslage nach den Schutzmaßnahmen der Pandemie sogar in den kommenden Monaten eine höhere Inzidenz. Diese Entwicklung war einer der Gründe, die S2k-Leitlinie zur Behandlung von gastrointestinalen Infektionen zu aktualisieren“, sagt Professor Dr. med. Ansgar Lohse, Direktor der I. Medizinischen Klinik und Poliklinik (Gastroenterologie mit Sektionen Infektiologie und Tropenmedizin) des Universitätsklinikums Eppendorf.
Er zählt mit Professor Dr. med Marylyn Addo, Direktorin des Instituts für Infektionsforschung und Wirkstoffentwicklung und Professor Dr. med. Andreas Stallmach, Direktor der Klinik für Innere Medizin IV am Universitätsklinikum Jena, zu den Koordinatoren der Leitlinie. Die Aktualisierung der Leitlinie bringt einige Änderungen mit sich, die in der derzeitigen Konsultationsfassung noch von der Fachöffentlichkeit kommentiert werden können.
Weniger routinemäßige Stuhltests
Empfohlen wird unter anderem, dass bei Patienten mit akutem Durchfall keine routinemäßige Stuhluntersuchung auf Bakterien oder Parasiten durchgeführt werden sollte, sondern nur dann, wenn es spezielle Hinweise auf sehr schwere Verläufe, Risikofaktoren oder Begleiterkrankungen, die beispielweise Immunabwehr beeinträchtigen gibt . Bei Patienten mit schweren Durchfallepisoden oder Fieber und Risikofaktoren für einen schweren Verlauf sollten jedoch Stuhlproben untersucht werden.
„Auch wenn es inzwischen gut verfügbare PCR-Stuhltests gibt, die oft den Nachweis über eine Vielzahl von Erregern liefern, müssen die Ergebnisse fachkundig interpretiert werden“, erläutert Stallmach „Nicht jede Patientin, nicht jeder Patient, muss bei positiven Befunden behandelt werden“, sagt der Experte. Die Leitlinie empfiehlt auch, dass Patienten mit einer akuten Gastroenteritis, die nicht zur weiteren Behandlung in eine Klinik müssen, keine Antibiotika erhalten sollten. Antibiotikagaben sollten nur bei Betroffenen mit schwerer Gastroenteritis oder bei bestimmten Risikogruppen wie älteren Menschen oder immunsupprimierten Patienten in Betracht gezogen werden. Zudem sollte künftig auf den Einsatz des antibiotischen Wirkstoffs Ciprofloxacin komplett verzichtet werden; das Nebenwirkungsprofil und bereits bestehende Resistenzen sprechen gegen den Einsatz.
Gewaschene Hände sind guter Infektionsschutz
Anlässlich des internationalen Hände-Waschtags am 25. Oktober hat Privatdozentin Dr. med. Birgit Terjung, Mediensprecherin der DGVS aus Bonn, zudem darauf hingewiesen, dass eine regelmäßige und sorgfältige Handhygiene dazu beiträgt, schätzungsweise rund die Hälfte der Durchfallerkrankungen zu verhindern. Dies gilt insbesondere auch in der Küche, vor allem bei der Zubereitung von Hühnerfleisch, welches nicht selten bakteriell besiedelt ist „Das ist ein erhebliches Potenzial, vor allem mit Blick darauf, dass einige der Magen-Darm-Erkrankungen für vulnerable Gruppen wie Kinder und ältere Menschen lebensgefährlich sein können“, so Terjung.
Das regelmäßige und sorgfältige Waschen der Hände sollte auch nach der Covid-19-Pandemie als wirksamste Maßnahme zur Infektionsvermeidung beibehalten werden. DGVS
Die vollständige Konsultationsfassung der S2k-Leitlinie zur Behandlung von gastrointestinalen Infektionen finden Interessierte hier: > Gastrointestinale Infektionen
Ausführliche Informationen zum richtigen Händewaschen finden Interessierte beispielsweise hier: > Händewaschen ist Infektionsschutz
Info
Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) wurde 1913 als wissenschaftliche Fachgesellschaft zur Erforschung der Verdauungsorgane gegründet. Heute vereint sie über 7000 in Klinik und Forschung tätige Ärzte unter einem Dach. Die DGVS fördert sehr erfolgreich wissenschaftliche Projekte und Studien, veranstaltet Kongresse und Fortbildungen und unterstützt aktiv den wissenschaftlichen Nachwuchs. Ein besonderes Anliegen ist der DGVS die Entwicklung von Standards und Behandlungsleitlinien für die Diagnostik und Therapie von Erkrankungen der Verdauungsorgane.