Studien zeigen: Landen Männer mit Schmerzen in der Notaufnahme, werden sie schneller behandelt und bekommen stärkere Schmerzmittel verabreicht als Frauen. Doch Ärzte und Pharmaunternehmen lenken ihren Blick immer mehr auf die Unterschiede bei den Geschlechtern. Foto: Fokussiert/stock.adobe.com

Unterschied mit Folgen: warum weiblicher und männlicher Schmerz nicht das gleiche ist

Periode, Schwangerschaft, Geburt und anderes mehr – körperliche Beschwerden und Schmerzen scheinen zum Frausein dazuzugehören. Trotzdem wird Frauen ihr Schmerz oft abgesprochen – aus mehreren Gründen. „Gender Pain Gap“ nennen Experten die Lücke zwischen den Geschlechtern beim Umgang mit Schmerz.

Die aktuelle Ausgabe des Gesundheitsmagazins „Apotheken Umschau“ erklärt, was es damit auf sich hat.

Männer mit Schmerzen werden in Notaufnahme bevorzugt

Landen Männer mit Schmerzen in der Notaufnahme, „werden sie schneller behandelt und bekommen stärkere Schmerzmittel verabreicht als Frauen, wie Studien zeigen“, erklärt Professorin Dr. Mandy Mangler, Chefärztin für Gynäkologie und Geburtsmedizin an den Vivantes-Kliniken in Berlin. So wies etwa eine britische Untersuchung nach, dass Patientinnen seltener Schmerzmedikamente verschrieben bekommen als Patienten.
Dass Frauen Schmerzen besser aushalten können, ist aber ein Missverständnis – vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Frauen reagieren sensibler auf Schmerzen, ihr Schmerzempfinden schwankt oft auch in Abhängigkeit von ihrem Zyklus.

Stereotype und langsamer Wandel

Das Problem: Stereotype und eigentlich längst überholte Rollenbilder prägen noch immer die Wahrnehmung – auch die von Ärzten. Geschlechterbilder beeinflussen sogar die Forschung: Weil in der Vergangenheit mehr Männer als Frauen in Medizin und Wissenschaft gearbeitet haben, wurde traditionell mehr an Männern geforscht.
Doch es tut sich was, die Schmerzlücke wird langsam kleiner. Zum Beispiel bei Migräne: Die neue Leitlinie berücksichtigt, dass Frauen dreimal häufiger betroffen sind als Männer. Zudem hat eine Studie der Berliner Charité herausgefunden, dass der Entzündungsbotenstoff, der bei Migräne freigesetzt wird, während der Regelblutung besonders hoch ist.

Kultur prägt Umgang mit Schmerzen

Schmerzen sind auch Ansichtssache: Gilt es in China als schambehaftet und unsozial, persönliche Befindlichkeiten wie Schmerz mitzuteilen, sprechen Menschen in Mitteleuropa offen über Beschwerden und ordnen sie rational ein. Doch auch die Erziehung, Erfahrungen und das Geschlecht müssen bei der Diagnose von Schmerzen berücksichtigt werden. „Ich glaube, in der Therapie von Schmerzen ist es wichtig, dass wir genau hinschauen“, sagt Professorin Esther Pogatzki-Zahn, Schmerzforscherin und Oberärztin an der Uniklinik Münster.

Schmerzhemmsystem ist bei Männern aktiver

So erleben Kinder von ängstlichen oder sehr vorsichtigen Eltern Schmerzen häufig als bedrohlicher und nehmen sie stärker wahr. Studien belegen zudem, dass Frauen schneller einen Schmerzreiz fühlen und ihn stärker wahrnehmen als Männer. Das liegt nicht nur an der Erziehung – sondern auch an den Hormonen. Das körpereigene Schmerzhemmsystem, das sich im Gehirn und dem Rückenmark befindet, schüttet bei Schmerzsignalen aus dem Gehirn selbst produzierte Opioide oder Glückshormone wie Endorphine aus. Diese hemmen die Schmerzweiterleitung. Es gibt Hinweise, dass dieses Hemmsystem bei Männern aktiver als bei Frauen ist.
Dass Frauen dazu neigen, Schmerzen stärker wahrzunehmen, könnte auch ein Grund dafür sein, weshalb etwa doppelt so viele Frauen wie Männer chronische Schmerzerkrankungen wie eine Fibromyalgie entwickeln. Dabei handelt es sich um eine Krankheit, die an unterschiedlichen Orten im Körper Schmerzen auslöst. Haut, Muskeln und Gelenke sind häufig betroffen.

Spezielle Therapie bei chronischen Schmerzen

Betroffene von chronischen Schmerzen – das sind solche, die länger als drei Monate anhalten und für die es keinen eindeutigen Auslöser mehr gibt – brauchen deshalb eine Therapie, die auf die unterschiedlichen Bereiche der Schmerzwahrnehmung eingeht. Insbesondere bei chronischen Nervenschmerzen reichen Schmerzmittel häufig nicht aus. Spezialisten für Schmerztherapie, Selbsthilfegruppen und Tipps zum Thema gibt es im Internet unter: www.schmerzliga.de. pm