
Vibrionen sind Bakterien, die in Brackwasser und bei Wassertemperaturen ab 20 Grad Celsius besten gedeihen. Man sieht und spürt sie nicht, aber wenn sie beim Schwimmen kleine Wunden infizieren, können sie ihre fleischzersetzende Wirkung relativ schnell entfalten. Hier kann nur eine schnelle Antibiotikatherapie helfen, bei schweren Verläufen mögliche Amputation oder Todesfälle zu verhindern. Foto: Dmitri/stock.adobe.com
Unsichtbare Killer im Wasser: Warum Vibrionen zur Ostsee-Bedrohung werden
Die Ostsee gilt als eines der beliebtesten Urlaubsziele der Deutschen. Doch während wir uns über warme Sommer freuen, lauert im Wasser ein unsichtbares Risiko: Vibrionen. Diese Bakterien lieben Brackwasser und vermehren sich besonders stark, wenn die Temperaturen steigen – und da bietet die Ostsee besonders gute Möglichkeiten. Das Fatale daran: Vibrionen können beim Menschen schwere Infektionen auslösen, bis hin zu Todesfällen. Was steckt dahinter, wie hoch ist das Risiko und wie kann man sich schützen?
Was sind Vibrionen?
Vibrionen sind eine Gruppe von Bakterien, die in salzhaltigem Wasser vorkommen. Besonders relevant sind die Arten Vibrio vulnificus und Vibrio parahaemolyticus, die Infektionen bei Menschen verursachen können. Während die meisten Vibrionen harmlos sind, können diese beiden Erreger gefährlich werden – vor allem für Menschen mit geschwächtem Immunsystem oder chronischen Vorerkrankungen.
- Vibrio vulnificus kann schwere Wundinfektionen verursachen, die im schlimmsten Fall zu Sepsis führen.
- Vibrio parahaemolyticus ist ein typischer Erreger von Magen-Darm-Erkrankungen, die nach dem Verzehr von rohen oder unzureichend erhitzten Meeresfrüchten wie etwa Austern oder Muscheln auftreten. Die gastrointestinale Infekte durch Vibrionen können zu Symptomen wie Durchfall, Bauchschmerzen oder Fieber führen.
Warum die Ostsee ein Risikogebiet ist
Laut dem Robert Koch-Institut (RKI) kam es in heißen Sommern wie 2018, 2019 und 2022 zu einem deutlichen Anstieg von Infektionsfällen. Gerade im flachen Wasser, also am Strand, steigen die Temperaturen schneller an. Und das lieben diese Bakterien:
- Salzgehalt: Vibrionen benötigen Brack- oder Meerwasser mit geringem bis mittlerem Salzgehalt. Die Ostsee bietet mit rund 0,2 bis 1,8 % Salzgehalt ideale Bedingungen.
- Temperatur: Ab etwa 20 °C Wassertemperatur steigt die Zahl der Vibrionen stark an. Heiße Sommer und Hitzewellen verlängern die Hochrisikoperiode.
- Klimawandel: Studien zeigen, dass sich die Ostsee durch den Klimawandel schneller erwärmt als andere Meere. Dadurch nimmt die Wahrscheinlichkeit für Vibrionen-Ausbrüche stetig zu. Parallel dazu wird es noch mehr Algenblüten und Quallen im Ostseewasser geben.
Wissenschaftler entwickeln Modelle für Frühwarnsysteme, die anhand von Wetter- und Meerestemperaturdaten Vibrionen-Risiken vorhersagen. Das RKI und internationale Forschungsverbünde beobachten die Ausbreitung von Vibrionen zunehmend genau. Da mit weiteren heißen Sommern zu rechnen ist, scheint die Ostsee ein dauerhaftes Risikogebiet für Vibrionen geworden zu sein.


Schnelle Antibiotikatherapie kann in schweren Fällen Amputation oder Sepsis verhindern
Was die Bedrohung durch Vibrio vulnificus so extrem macht: Man bemerkt die Bakterien nicht, und wenn man die Auswirkungen ihres Befalls am eigenen Körper spürt, geht es oft blitzschnell. Schon kleine Verletzungen oder Insektenstiche reichen, damit Vibrionen in die Haut gelangen. Die Infektionen können innerhalb von Stunden lebensbedrohlich werden. Wenn dann kein Arzt die Auswirkungen der Infektion begutachten und dann auch noch richtig einschätzen kann, können die Vibrionen zur Lebensgefahr werden. Ohne sofortige Antibiotikatherapie nehmen die fleischzersetzenden Bakterien ihre Arbeit in rasantem Tempo auf. Das Gewebe rund um die befallene Wunde zersetzt sich. Das kann unter Umständen so weit fortschreiten, dass amputiert werden muss.
Auf die Infektion folgt eine fehlregulierte Immunreaktion und das kann unbehandelt zu einer Sepsis (Blutvergiftung) führen. Besonders gefährlich ist das bei Menschen mit Lebererkrankungen, Diabetes oder einer Immunschwäche. Hier können Infektionen innerhalb kürzester Zeit tödlich verlaufen. So wie dieses Jahr Ende Juli bei einem älteren Mann in Mecklenburg-Vorpommern. „Für drei bis vier Patienten im Jahr endet die Infektion tödlich“, meldet Spiegel-Online in einem Artikel.
Eine Sepsis nach einem Vibrionen-Befall ist also eine lebensbedrohliche Komplikation. Eine Studie zu diesem Thema zeige, „dass der Anteil der Patientinnen und Patienten im Rettungsdienst, bei denen direkt im Krankenhaus eine Sepsis diagnostiziert wird, mit 1,6 % ähnlich hoch ist wie bei Herzinfarkt (2,6 %) und Schlaganfall (2,7 %). Sowohl prozentual als auch absolut starben jedoch mehr Patientinnen und Patienten an einer Sepsis als an einem Herzinfarkt oder Schlaganfall. Von allen Sepsispatient:innen starben 31,7 % innerhalb von 30 Tagen nach der Nutzung des Rettungsdienstes, bei Herzinfarkt und Schlaganfall waren es 13,4 % bzw. 11,8 %“, ist in einem Bericht der Charité Universitätsmedizin Berlin zu lesen.
In den Sommermonaten werden regelmäßig Fälle von Vibrionen-Infektionen vor allem in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein gemeldet. Laut RKI soll es 2018 mindestens 16 gemeldete schwere Infektionen und mehrere Todesfälle gegeben haben. Seit 2020 sind solche Infektionen meldepflichtig. Von 2021 auf 2024 hatte sich die Zahl auf 95 Fälle mehr als verdreifacht. Die Dunkelziffer ist vermutlich deutlich höher, da viele leichtere Infektionen nicht gemeldet werden.
Prävention: So schützt man sich vor Vibrionen
- Offene Wunden schützen: Mit Pflastern oder wasserdichten Verbänden abdecken. Oder am besten gar nicht mit offenen Wunden ins Wasser gehen.
- Baden vermeiden: Menschen mit chronischen Erkrankungen oder geschwächtem Immunsystem sollten bei hohen Wassertemperaturen vorsichtig sein.
- Wunden reinigen: Sollte man nach dem Baden eine Verletzung bemerken, kann es hilfreich sein, die kleine Wunde zu reinigen und zu desinfizieren.
- Schnell medizinische Hilfe suchen: Bei Hautrötungen, Fieber oder Durchfall nach einem Ostsee-Besuch sofort zum Arzt gehen und ihn auf eine mögliche Vibrionen-Infektion hinweisen. In schweren Fällen kann eine schnelle Antibiotika-Therapie über Leben und Tod, über Heilung oder Amputation entscheiden.
- Meeresfrüchte richtig zubereiten: Nur gut durchgegart verzehren.
FAQ – Häufig gestellte Fragen
1. Wie häufig sind Vibrionen-Infektionen in der Ostsee?
Sie sind insgesamt selten, treten aber in heißen Sommern gehäuft auf. Besonders gefährdet sind Risikogruppen.
2. Kann man Vibrionen im Wasser sehen oder riechen?
Nein, Vibrionen sind unsichtbar. Man kann einen Vibrionenbefall nicht spüren, das Wasser wirkt völlig normal.
3. Ab welcher Wassertemperatur wird es gefährlich?
Ab etwa 20 °C steigt das Risiko deutlich.
4. Sind Kinder besonders gefährdet?
Gesunde Kinder sind meist nicht stärker gefährdet als Erwachsene. Wichtig ist aber, kleine Wunden vor dem Baden zu schützen.
5. Hilft Desinfektion nach dem Baden?
Ja, gründliches Reinigen und Desinfizieren kleiner Verletzungen kann helfen, Infektionen zu verhindern. Besser ist es aber, nur ohne kleine Verletzungen ins Wasser zu gehen. tok