Der Blick durch eine Fensterfront auf den Herstellungsbereich in einem pharmazeutischen Unternehmen deutet schon an, unter welchen hohen Reinheitsbedingungen Medikamente hergestellt werden. Mit den neuen verschärften gesetzlichen Vorschriften für die Herstellung steriler Arzneimittel sollen, so befürchten es die Pharmaindustrie, Lieferengpässe vorprogrammiert sein. Bildrechte/Fotograf: BPI Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie BPI/Steinheisser
Pharmaindustrie befürchtet gravierende Lieferengpässe bei sterilen Arzneimitteln
Ab sofort sind verschärfte gesetzliche Vorschriften für die Herstellung steriler Arzneimittel anzuwenden. Pharmazeutische Hersteller in Deutschland werden deshalb absehbar etliche Produkte nicht mehr produzieren können. Es drohen gravierende Lieferengpässe.
„Damit die Produktion wichtiger, steriler Arzneimittel nicht zum Erliegen kommt, brauchen wir schnelle und mutige Lösungen seitens der Politik und der zuständigen Behörden“, sagt Dr. Hans-Georg Feldmeier, Vorsitzender des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI). „Wir sind als Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) gerne bereit, aus der Praxis heraus zu unterstützen.“
Mehr Sondermüll statt verbesserte Versorgung
„Sterile Arzneimittel unterliegen zu Recht sehr strengen Kriterien hinsichtlich ihrer Qualität“, erklärt Dr. Feldmeier. „Die neuen Anforderungen schießen aber weit über das Ziel hinaus und sind zudem völlig ohne Not entstanden. Sie führen absehbar statt zu einer verbesserten Versorgung, zu vermehrten Lieferengpässen.“
Beispiel Filtersysteme: Wo Filter für die sterile Produktion früher regelmäßig auf ihre Leistungsfähigkeit geprüft und validiert wurden, sind sie fortan nach jeder Produktion einer Charge automatisch auszuwechseln. „Das führt nicht nur zu aberwitzig mehr Sondermüll, sondern verschwendet auch knappe Ressourcen und finanzielle Mittel“, konstatiert Dr. Feldmeier. „Bereits vor den neuen Regelungen gab es schon Lieferschwierigkeiten bei diesen Filtern. Nun besteht die große Gefahr, dass eine Reihe von Arzneimitteln gar nicht mehr verfügbar sein werden. Wir reden zudem von Produkten, die keine große Marge erzielen – aber extrem wichtig für die Versorgung sind. Umso unverständlicher ist, dass unsere Warnungen bislang ignoriert wurden.“
Engpässe drohen
Um gravierende Engpässe bei der Versorgung der Bevölkerung mit überwiegend lebensnotwendigen Präparaten, angefangen von Elektrolyt-Lösungen über Radiotherapeutika/-diagnostika bis hin zu Albuminen, sicherzustellen, benötigen die Hersteller nun inhaltlich-fachliche und finanzielle Unterstützung.
„Überall im Markt herrschen zudem die gleichen, nicht mehr realisierbaren Bedingungen für alle Hersteller, die den europäischen Markt versorgen“, sagt Dr. Feldmeier. „Das in der Vergangenheit häufig bemühte Mantra ‚Der Markt wird es schon regeln‘ kann nicht mehr funktionieren. Alle Hersteller sind gleichermaßen von der überwiegend sinnfreien Verschärfung der Rahmenbedingungen für die Steril-Herstellung, aber auch vom ruinösen Preismoratorium betroffen.“
BPI fordert praxisnahe Lösungen
„Es braucht jetzt praxisnahe Lösungen mit Augenmaß beim Anwenden des sogenannten Annex 1 der Good Manufacturing Practice (GMP). Basis hierfür müssen die Risikoanalysen der Hersteller sein. Das Preismoratorium ist für bestimmte, (über)lebenswichtige Arzneimittel auszusetzen, damit die Umstellung der Produktion nicht ausschließlich von den Herstellern zu tragen ist“, betont Dr. Feldmeier.
„Arzneimittel, die nicht ohnehin schon dem Preismoratorium unterstehen, wie zum Beispiel NaCl Infusionslösungen 0,9 Prozent, brauchen eine angemessene Rückvergütung im Rahmen der Fallpauschale, um die Produktion in Deutschland und Europa sicherzustellen. Da es sich beim GMP-Annex 1 um eine europäische Regelung handelt, regen wir eine europaweite finanzielle Unterstützung der betroffenen Unternehmen bei den notwendigen technischen Umbauten an.“ pm