Die Zeiten, als Fiebersäfte für Kinder plötzlich Mangelware in deutschen Apotheken waren, scheinen nach Ansicht des AOK-Bundesverbands trotz eines neuen Gesetzes noch lange nicht ausgestanden zu sein. Foto: detailblick-foto/stock.adobe.com
AOK-Bundesverband: Gesetz bekämpft Lieferengpässe von Arzneimitteln nur schlecht
Seit dem 27. Juli sind bereits große Teile des Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) in Kraft getreten. Beim AOK-Bundesverband glaubt man, dass das Gesetz nicht hält, was es verspricht.
Dr. Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, beklagt: „Die Erwartung, die mit dem Namen des Gesetzes geweckt wird, nämlich Lieferengpässe nachhaltig zu bekämpfen, wird nicht erfüllt. Denn der Gesetzgeber hat ungeeignete Instrumente genutzt, die das Problem nicht an der Wurzel packen, aber große wirtschaftliche Mehrausgaben für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) erzeugen.“
Fiebersäfte für Kinder bleiben ein Problem
„Die Freistellung ganzer Arzneimittelgruppen von Rabattverträgen und Festbeträgen oder die Anhebung von Preisobergrenzen um bis zu 50 Prozent sind nicht geeignet, die Versorgung mit Arzneimitteln sicherer zu machen. Das zeigt das Beispiel Fiebersäfte für Kinder. Obwohl die Festbeträge weiterhin bis zum Ende des Jahres ausgesetzt wurden, bedeutet das eben nicht, dass damit in jeder Apotheke des Landes Fiebersäfte verfügbar sind“, sagt Reimann.
Schwächung der Rabattverträge
Ein weiteres großes Problem sei die Schwächung der Rabattverträge, so Reimann: „Die massive aktuelle als auch potentiell mögliche Einschränkung bei diesem wichtigen Instrument verbietet es der GKV, wichtige Wirtschaftlichkeitsreserven zu heben. Das ist eine falsche Entscheidung des Gesetzgebers. Denn grundsätzlich steht fest, dass Rabattverträge aufgrund der besseren Bedarfsplanbarkeit und Bevorratungsvorgaben nachweislich die bestehenden Lieferketten stabilisieren und so die Versorgungssicherheit stärken.“
Abrechnungsdaten der GKV für das Jahr 2021 würden zeigen, dass Lieferdefekte bei Rabattarzneimitteln seltener auftreten als bei nicht rabattierten Arzneimitteln. Die dokumentierten Lieferausfälle bei der Versorgung mit Rabattverträgen würden bei nur 1,2 Prozent liegen, während im patentfreien Markt ohne Rabattverträge die Ausfälle mit 4 Prozent mehr als dreimal so hoch wären.
Lieferengpässe – ein andauerndes und globales Problem
„Ob Fiebersäfte, Krebsmedikamente, Antibiotika oder Psychopharmaka: Lieferengpässe sind ein andauerndes und globales Problem, das nicht einzig und allein über den Preis zu lösen ist. Der Anteil Deutschlands am globalen Arzneimittelmarkt macht lediglich vier Prozent aus. Die Maßgaben des ALBVVG zum Frühwarnsystem und zur Mindestbevorratung der Arzneimittelhersteller sind definitiv ein Schritt in die richtige Richtung“, sagt Reimann.
Und, so legt die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes nach: „Allerdings sollte zeitnah eine direkte Sicherung der Versorgung angegangen werden: Ein umfassendes Frühwarnsystem für alle zu Lasten der GKV abrechnungsfähigen Arzneimittel entlang der gesamten Wertschöpfungskette ist zwingend geboten. Demzufolge sind Zulieferer, pharmazeutische Unternehmer, Großhändler aber auch Apotheken mit einzubeziehen. Warum nicht rabattierte Arzneimittel davon ausgenommen werden, ist daher nicht nachvollziehbar. Des Weiteren ist es nicht verständlich, dass weiterhin ein massives Ungleichgewicht der Interessen im Beirat des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zu Gunsten der pharmazeutischen Industrie existiert.“
Das Fazit von Dr. Carola Reimann: „Insgesamt ist jetzt schon festzuhalten, dass das Gesetz nicht das hält, was es verspricht. Es ist mit erheblichen Mehrausgaben zu rechnen, ohne die Versorgungssicherheit effektiv zu erhöhen. Damit sind weitere Beitragserhöhungen für unsere Versicherten zu befürchten.“