Bei etwa einem von 1000 Masernfällen tritt eine Gehirnentzündung auf. Daran sterben 10 bis 20 Prozent der Betroffenen. Bei 20 bis 30 Prozent bleiben schwere Folgeschäden wie geistige Behinderungen oder Lähmungen zurück. Foto: Наталья Майшева/stock.adobe.com

Masernausbruch in den USA — Auch Europäische Region meldet höchste Zahl von Masernfällen seit mehr als 25 Jahren

Im Jahr 2025 erleben die USA den schwerwiegendsten Masernausbruch seit über einem Jahrzehnt. Die Zahl der bestätigten Fälle hat bereits die Marke von 700 überschritten, wobei Texas mit über 540 Infektionen besonders betroffen ist. Die Tendenz: weiter steigend. Die Ausbreitung erstreckt sich mittlerweile auf mindestens sechs Bundesstaaten. Auch in Deutschland muss man sich Gedanken machen, wie man sich noch besser vor Masernausbrüchen schützt. 

Niedrige Impfraten, irrlichternder Gesundheitsminister

Der Ausbruch in den Vereinigten Staaten begann im Januar 2025 in Gaines County, Texas, einer Region mit niedrigen Impfraten, insbesondere innerhalb der mennonitischen Gemeinschaft. Bis Mitte April wurden über 700 Fälle gemeldet, wobei 97 % der Betroffenen entweder ungeimpft oder mit unbekanntem Impfstatus waren. Die Hospitalisierungsrate liegt bei hohen 12 %. Und es wurden auch schon drei Todesfälle registriert – zwei Kinder in Texas und ein Erwachsener in New Mexico. Alle waren ungeimpft. 

Die Rolle des zuvor schon wegen seiner wissenschaftlich haltlosen Aussagen zu Viren, Impfungen und Behandlungsmethoden kritisierten Gesundheitsministers Robert F. Kennedy Jr. steht im Fokus der Kritik. Trotz seiner jüngsten Unterstützung der MMR-Impfung hat er zuvor alternative Behandlungsmethoden wie Vitamin A und Lebertran propagiert, was zu Verwirrung und Misstrauen in der Bevölkerung geführt hat. Experten betonen, dass solche Aussagen die öffentliche Gesundheit gefährden und die Eindämmung des Ausbruchs erschweren. Schließlich sind Masern sind eine hochansteckende Viruserkrankung, die durch Tröpfcheninfektion übertragen wird. 

Masern zählen zu den ansteckendsten Viruserkrankungen beim Menschen. Neben Krankenhausaufenthalten und Todesfällen durch Komplikationen wie Lungenentzündung, Enzephalitis, Durchfall und Dehydrierung können Masern langfristige, schwerwiegende gesundheitliche Folgen wie Erblindung verursachen. Ebenso können sie das Immunsystem schädigen, indem sie sein Gedächtnis zur Bekämpfung von Infektionen „löschen“ wodurch Überlebende anfälliger für andere Erkrankungen werden. Bei etwa einem von 1000 Masernfällen tritt eine Gehirnentzündung auf. 10 bis 20 Prozent der Betroffenen sterben daran. Bei 20 bis 30 Prozent bleiben schwere Folgeschäden wie geistige Behinderungen oder Lähmungen zurück. 

Komplikationen treten insbesondere bei ungeimpften Kindern auf. Die MMR-Impfung (Masern, Mumps, Röteln) bietet einen effektiven Schutz und hatte in der Vergangenheit zur Eliminierung der Krankheit in den USA geführt. Auch in Deutschland musste man sich bis jetzt keine größeren Sorgen um eine Masernepidemie machen. Aber ein entspanntes Zurücklehnen ist auch im deutschen Gesundheitssystem nicht möglich.

Sinkende Impfraten in Europa, guter Wert in Baden-Württemberg  

Der aktuelle Ausbruch in den USA zeigt jedoch, dass rückläufige Impfraten und Impfskepsis die Herdenimmunität untergraben. Die Centers for Disease Control and Prevention (CDC), eine Behörde des US-amerikanischen Gesundheitsministeriums, empfiehlt daher verstärkt Auffrischungsimpfungen, insbesondere für Reisende in betroffene Gebiete. Die Zahlen geben Grund zur Sorge. 2024 wurden in der Europäischen Region 127.350 Masernfälle gemeldet — doppelt so viele wie 2023 und die höchste Infektionsrate seit 1997, so eine Analyse der WHO und UNICEF. Und auch in Deutschland muss man sich Gedanken machen, wie man solche massenhaft auftretenden Masernfälle verhindert, trotz hoher Impfrate und Herdenimmunität.

Die Zahl der Masern-Fälle in Baden-Württemberg nähert sich mit 72 Fällen in 2024 wieder dem Niveau der Vor-Corona-Jahre an. Im Jahr 2024 waren 72 Prozent aller in Baden-Württemberg gemeldeten Masernfälle unter 14 Jahre alt. Davon waren 98 Prozent der Fälle nicht gegen Masern geimpft. „Eine Impfung ist der beste Schutz gegen Masern. Wer geimpft ist, schützt sich und andere“, betont Lucha. „Wir sehen weiterhin Masern-Ausbruchsgeschehen im Land – vor allem durch Ausbrüche in Einrichtungen mit niedrigen Impfquoten“, sagt Gesundheitsminister Manne Lucha. 

Mit einer Masern-Impfquote von fast 97 Prozent im Untersuchungsjahr 2022/2023 war der Anteil der gegen Masern grundimmunisierten Vorschulkinder in Baden-Württemberg so hoch wie noch nie zuvor. „Wir haben die 95 Prozent-Zielmarke, die großflächige Ausbrüche verhindert und zur Elimination von Masern notwendig ist, endlich erreicht“, sagte Lucha. „Jetzt heißt es dran bleiben, verbleibende Impflücken schließen und Auffrischungsimpfungen nicht vergessen!“

Impfquoten aus den Untersuchungen
zur Einschulung in 2023

Quelle: Gesundheitsatlas Baden-Württemberg
Stadt-/LandkreisImpfquote in %
Heilbronn98,3
LK Ludwigsburg97,6
LK Böblingen97,5
LK Heilbronn97,0
Pforzheim96,7
Enzkreis96,3
LK Karlsruhe95,9
LK Freudenstadt95,7
LK Calw95,4
Stuttgart95,4
Karlsruhe94,8

Mehr als 40 Prozent der gemeldeten Fälle in der Europäischen Region, die 53 Länder in Europa und Zentralasien umfasst, betrafen Kinder unter fünf Jahren. In mehr als der Hälfte der gemeldeten Fälle war ein Krankenhausaufenthalt erforderlich. Basierend auf den vorläufigen Daten, die zum 6. März vorlagen, wurden insgesamt 38 Todesfälle gemeldet. 

Die Zahl der Masernfälle in der Europäischen Region ist seit 1997, als rund 216.000 Fälle gemeldet wurden, generell rückläufig und erreichte 2016 mit 4440 Fällen einen Tiefststand. Doch in den Jahren 2018 und 2019 kam es mit 89.000 beziehungsweise 106.000 gemeldeten Fällen zu einem Wiederanstieg. Nach einem Rückgang der Impfquoten während der COVID-19-Pandemie, stiegen die Fallzahlen 2023 und 2024 wieder deutlich an. In vielen Ländern sind die Impfquoten noch nicht wieder auf das Niveau von vor der Pandemie zurückgekehrt, was die Gefahr von Ausbrüchen erhöht.

WHO und UNICEF: Impflücken schnell schließen

„Masern sind zurück – und das ist ein Weckruf. Ohne hohe Impfraten gibt es keine Sicherheit für die Gesundheit. Nun, da wir an unserer neuen Gesundheitsstrategie für Europa und Zentralasien arbeiten, können wir es uns nicht leisten, an Boden zu verlieren. Jedes Land muss seine Anstrengungen verstärken, um unzureichend geimpfte Bevölkerungsgruppen zu erreichen“, warnte Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa.

Die Europäische Region verzeichnete im Jahr 2024 ein Drittel aller weltweiten Masernfälle. Allein 2023 verpassten 500.000 Kinder in der Region ihre erste Masernimpfung (MCV1), die im Rahmen von Routineimpfungen verabreicht werden müsste. „Die Zahl der Masernfälle in Europa und Zentralasien ist in den letzten beiden Jahren drastisch gestiegen – das ist ein Hinweis auf Impflücken“, sagte Regina De Dominicis, UNICEF Regionaldirektorin für Europa und Zentralasien. „Um Kinder vor dieser tödlichen und verheerenden Krankheit zu schützen, benötigen wir dringend ein Handeln der Regierungen, einschließlich nachhaltiger Investitionen in Gesundheitspersonal.“

Viele Länder weit entfernt von einer Herdenimmunität

In Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Nordmazedonien und Rumänien wurden 2023 weniger als 80 Prozent der impfberechtigten Kinder mit MCV1 geimpft – deutlich unter der zur Aufrechterhaltung der Herdenimmunität erforderlichen Durchimpfungsrate von 95 Prozent. Sowohl in Bosnien und Herzegowina als auch in Montenegro lagen die Durchimpfungsquoten für MCV1 in den letzten fünf oder mehr Jahren unter 70 beziehungsweise 50 Prozent. Rumänien meldete in der Region 2024 die höchsten Fallzahlen mit 30.692, gefolgt von Kasachstan mit 28.147 Fällen.

Masern bleiben eine ernsthafte globale Bedrohung. Weltweit wurden 2024 rund 359.521 Masernfälle gemeldet. Das Virus verbreitet sich regelmäßig über Grenzen und Kontinente hinweg. Ausbrüche der hochansteckenden Krankheit treten überall dort auf, wo das Virus auf ungeimpfte oder unzureichend geimpfte Menschen trifft, insbesondere Kinder.

Länder müssen Vertrauen in Impfungen ausbauen

UNICEF und WHO arbeiten gemeinsam mit Regierungen und der Unterstützung von Partnern wie der Europäischen Union oder der Impfallianz Gavi daran, Masernausbrüche zu verhindern und zu bekämpfen. Dazu beziehen sie Gemeinschaften mit ein, schulen Gesundheitspersonal, stärken Impfprogramme sowie Überwachungssysteme und initiieren Nachholimpfkampagnen. UNICEF und WHO fordern Regierungen in Ländern mit aktiven Ausbrüchen dringend dazu auf, die Fallermittlung und Kontaktverfolgung zu intensivieren und Notfallimpfkampagnen durchzuführen. 

Es sei unerlässlich, dass Länder die Ursachen der Ausbrüche analysieren, Schwachstellen in ihren Gesundheitssystemen adressieren und epidemiologische Daten gezielt dazu nutzen, Impflücken zu identifizieren und zu schließen. Im Fokus sollte dabei stehen, zögernde Eltern und marginalisierte Gemeinschaften zu erreichen sowie ungleichen Impfzugang zu beseitigen. Länder, in denen keine aktuellen Masernausbrüche bestehen, sollten Vorbereitungen treffen, indem sie Immunitätslücken identifizieren und beheben, das öffentliche Vertrauen in Impfungen ausbauen und Gesundheitssysteme nachhaltig stärken. pm/tok