Immunonkologika, zielgerichtete Medikamente, Gentherapien: Neue Möglichkeiten der Behandlung haben den Kampf gegen viele Krebsarten revolutioniert. Doch nicht alle Menschen haben gleichermaßen gut Zugang zu diesen Innovationen. Foto: Rido/stock.adobe.com
Krebs: Sterblichkeit nimmt weltweit ab – mehr Prävention könnte viele Leben retten
Die Wahrscheinlichkeit, eine Krebserkrankung zu überleben, steigt weltweit an. Das zeigt eine Studie, die Daten aus 183 Ländern für die Jahre 2000 bis 2019 zusammengetragen hat. Allerdings sind die Erfolge stark abhängig vom Wohlstand der jeweiligen Länder. Das Ziel der Vereinten Nationen, bis 2030 nichtübertragbare Erkrankungen wie Krebs deutlich einzudämmen, ist in weiter Ferne.
Krebs wird vorerst Todesursache Nummer 2 bleiben
Für das Jahr 2030 hat sich die Weltgemeinschaft ja bekanntlich einiges auf den Aufgabenzettel geschrieben: Die HIV-Epidemie? Möglichst beenden. Hepatitis B- und C-Viren? Möglichst eliminieren. Und auch SDG 3.4 hat es in sich: In den Sustainable Development Goals (Nachhaltige Entwicklungsziele) haben die Vereinten Nationen für das Jahr 2030 das Ziel ausgegeben, „die Frühsterblichkeit aufgrund von nichtübertragbaren Krankheiten durch Prävention und Behandlung um ein Drittel senken und die psychische Gesundheit und das Wohlergehen fördern.“
Nichtübertragbare Erkrankungen – das sind Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes, chronische Atemwegserkrankungen oder Krebs. Sie sind für dreiviertel aller vorzeitigen Todesfälle verantwortlich. Allein durch Krebs – weltweit die Todesursache Nummer 2 – sterben laut Daten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 9,3 Millionen Menschen vorzeitig, also vor dem 70. Lebensjahr. Diese Zahl wird in den kommenden Jahren steigen – darüber besteht in der medizinischen Welt kein Zweifel.
Krebs: Mehr Prävention, Früherkennung und Behandlung
Die Studie, die im Fachblatt The Lancet Oncology veröffentlich ist und von der WHO finanziert wurde, ist nach Angaben der Autoren die erste ihrer Art; sie will eine umfassende Datenlage schaffen, um den Status für das Erreichen der ehrgeizigen Gesundheitsziele bei Krebs messen zu können. Zusammengetragen wurden die Daten zwischen 2000 und 2019. Das Ergebnis: Die vorzeitige Sterblichkeitsrate sank in 138 (75 Prozent) von 183 Ländern – und zwar über alle Einkommensniveaus der Weltbank und WHO-Regionen hinweg. Aber nur 8 Länder (4 Prozent) werden wahrscheinlich die SDG 3.4-Ziele für alle Krebsarten zusammen erreichen; also die Reduktion um ein Drittel. Und: Länder mit hohem Einkommen verzeichnen einen stärkeren Rückgang der vorzeitigen Mortalität als Länder mit niedrigerem und mittlerem Einkommen.
„Obwohl in den vergangenen Jahren einige Fortschritte erzielt wurden, wie die Erhöhung der Lebenserwartung bei Krebserkrankungen (z. B. Lungen-, Brust-, Gebärmutterhals-, Prostata- und Blutkrebs), besteht nach wie vor eine ausgeprägte Lücke in der Krebsprävention, -behandlung, -Remission oder -heilung“, kommentiert Wissenschaftler Andrew Toyin Olagunju die Ergebnisse.
Wenn doch nur die Menschen gesünder leben würden…
Doch es sind nicht nur die politischen Kräfte gefragt. Denn eine Studie aus den USA, die die American Cancer Society veröffentlicht hat, zeigt, dass 40 Prozent der Krebsfälle und fast die Hälfte der Todesfälle vermieden werden könnten, wenn die Menschen gesünder leben würden. Dazu untersuchten die Wissenschaftler 30 Krebsarten im Zusammenhang mit 18 beeinflussbaren Risikofaktoren wie Rauchen, Übergewicht, Alkoholkonsum, aber auch Bewegungsmangel, UV-Strahlung oder eine HPV-Infektion.
Rauchen steht ganz oben auf der Liste. Der Tabakkonsum ist in den USA für 20 Prozent aller Krebsfälle und 30 Prozent aller Krebstodesfälle verantwortlich. „Diese Ergebnisse zeigen“, so heißt es in der Studie, „dass die Morbidität und vorzeitige Mortalität durch Krebs in den Vereinigten Staaten durch eine breite Umsetzung von Präventionsinitiativen wie Verbrauchssteuern auf Zigaretten zur Reduzierung des Rauchens, das Screening auf und die Behandlung von HCV-Infektionen und die Impfung gegen HPV-Infektionen erheblich reduziert werden können.“ Die Autoren mahnen gezielte Maßnahmen an, um gerade auch sozial benachteiligte Gruppen zu erreichen.
Fast die Hälfte der Krebserkrankungen in Deutschland ist vermeidbar
Dass die Ergebnisse aus den USA übertragbar sind, zeigt dieses Factsheet des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ): Demnach ist „fast jede zweite Krebserkrankung in Deutschland vermeidbar.“ Unter den Krebserkrankungen mit sehr hohem Präventionspotenzial – also mehr als drei Viertel der Fälle könnte man vorbeugen – sind zum Beispiel der Gebärmutterhalskrebs. Hier könnte man ganz einfach eine 100-prozentige Präventionsquote erreichen, wenn schon Jugendliche die HPV-Impfung nutzen würden. 90 Prozent der Fälle von Lungenkrebs, Speiseröhrenkrebs und Krebs in Rachen und Mundhöhle wären durch Verzicht aufs Rauchen und /oder Alkohol, beziehungsweise durchs Abnehmen und die HPV-Impfung vermeidbar. Bei Haut- und Magenkrebs sind es 75 Prozent. Das wären in der Kategorie Krebserkrankungen mit sehr hohem Präventionspotenzial insgesamt 103.500 potenziell vermeidbare Krebsfälle in Deutschland.
Bei den Krebserkrankungen mit hohem Präventionspotenzial (25 bis 74 Prozent sind potenziell vermeidbar) könnten jährlich in Deutschland 75.400 mögliche Krebsfälle vermieden werden. Dazu zählen Darm-, Harnblasen-, Nieren-, Leber-, Bauchspeicheldrüsen-, Gebärmutterkörper- und Brustkrebs.
Zu den Krebserkrankungen, bei denen 0 bis maximal 24 Prozent potenziell vermeidbar sind, zählen Eierstock- und Prostatakrebs, Leukämien und Non-Hodgkin-Lymphome. Hier wären nur 4500 Fälle pro Jahr in Deutschland potenziell vermeidbar.
Europäischer Kodex zur Krebsbekämpfung
Der Europäische Kodex zur Krebsbekämpfung ist eine Initiative der Europäischen Kommission, die die Bürger über Maßnahmen informieren soll, die sie für sich oder ihre Familie ergreifen können, um das Risiko von Krebserkrankungen zu verringern. Die zwölf Empfehlungen können die meisten Menschen ohne besondere Fachkenntnisse oder Beratung umsetzen. Je mehr Empfehlungen man befolgt, umso geringer das Krebsrisiko. Schätzungen zufolge ließen sich fast die Hälfte aller Todesfälle aufgrund von Krebs in Europa vermeiden, wenn die Empfehlungen allgemein befolgt würden.
- Rauchen Sie nicht. Verzichten Sie auf jeglichen Tabakkonsum. Sorgen Sie für ein rauchfreies Zuhause. Unterstützen Sie rauchfreie Arbeitsplätze.
- Legen Sie Wert auf ein gesundes Körpergewicht.
- Sorgen Sie für regelmäßige Bewegung im Alltag. Verbringen Sie weniger Zeit im Sitzen.
- Ernähren Sie sich gesund:
Essen Sie häufig Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Obst und Gemüse.
Schränken Sie Ihre Ernährung mit kalorienreichen Nahrungsmitteln ein (hoher Fett- oder Zuckergehalt) und vermeiden Sie zuckerhaltige Getränke.
Vermeiden Sie industriell verarbeitetes Fleisch; essen Sie weniger rotes Fleisch und salzreiche Lebensmittel. - Reduzieren Sie Ihren Alkoholkonsum. Der völlige Verzicht auf Alkohol ist noch besser für die Verringerung Ihres Krebsrisikos.
- Vermeiden Sie zu viel Sonnenstrahlung, insbesondere bei Kindern. Achten Sie auf ausreichenden Sonnenschutz. Gehen Sie nicht ins Solarium.
- Schützen Sie sich am Arbeitsplatz vor krebserregenden Stoffen, indem Sie die Sicherheitsvorschriften befolgen.
- Finden Sie heraus, ob Sie in Ihrem Zuhause einer erhöhten Strahlenbelastung durch natürlich vorkommendes Radon ausgesetzt sind. Falls ja, ergreifen Sie Maßnahmen zur Senkung dieser hohen Radonwerte.
- Stillen senkt das Krebsrisiko bei Müttern. Falls möglich, stillen Sie Ihr Kind.
- Hormonersatztherapien erhöhen das Risiko für bestimmte Krebserkrankungen. Nehmen Sie Hormonersatztherapien möglichst wenig in Anspruch.
- Sorgen Sie dafür, dass Ihre Kinder an Impfprogrammen teilnehmen gegen:
Hepatitis B (Säuglinge, Kleinkinder)
Humanes Papillomavirus (HPV) (Mädchen und Jungen). - Nehmen Sie an bestehenden Krebsfrüherkennungs- und Screening Programmen teil:
Darmkrebs (Männer und Frauen)
Brustkrebs und Gebärmutterhalskrebs (Frauen)
In Deutschland zusätzlich möglich: Prostatakrebs (Männer), Hautkrebs (Frauen und Männer)
Politik und Wirtschaft muss Krebsprävention unterstützen
Nicht alle Menschen haben jedoch die gleichen Möglichkeiten, das Krebsrisiko zu verringern. Der Lebensstil hängt auch von den sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen ab, unter denen man auf die Welt kommt und sein Leben führt. Diese Bedingungen sind teilweise an politische, kulturelle und ökologische Faktoren gebunden, die nicht direkt unter persönlicher Kontrolle stehen.
Krebsprävention ist am erfolgreichsten, wenn staatliche Maßnahmen und Aktionen gesundheitsbewusste Entscheidungen erleichtern und die Bürger vor krebserregenden Stoffen schützen. Beispielsweise sind mehr Maßnahmen erforderlich, die den Erwerb und Konsum von Tabakerzeugnissen erschweren und körperliche Aktivität und eine gesunde Ernährung erleichtern. Für die weitere Verringerung der Luftverschmutzung ist die Durchsetzung oder Stärkung der diesbezüglichen Rechtsvorschriften erforderlich. pm/pharma-fakten/tok