
Im Gesundheitswesen leidet das Personal unter enormem körperlichen und psychischen Druck. In diesem stressbelasteten Umfeld scheinen die selbstgewählten kleinen Pausen mit der Zigarette für viele zur Überlebensstrategie zu gehören. Foto: Halfpoint/stock.adobe.com
Griff zur Zigarette als Stressindikator? Menschen in Gesundheitsbranche und Gastronomie rauchen am meisten
Der Glaube, die Zigarette bei der Arbeit tauche primär in handwerklichen Berufen, stressigen Kellnerschichten und Raststättenpausen von Lastkraftwagenfahrern auf, ist nach wie vor bei vielen verankert. Doch eine aktuelle Umfrage von Censuswide im Auftrag von Haypp räumt nun endgültig mit Klischees auf. Die Ergebnisse enthüllen: Die meisten Raucher sind im Gesundheitswesen beschäftigt. Dicht darauf folgt die Gastronomie und die IT-Branche.
Angestellte im Kunst- und Kulturbereich und Juristen hingegen können der qualmenden Verführung am besten widerstehen. Doch woher kommt der hohe Konsum in bestimmten Berufsgruppen? Die Zahlen geben eine klare Antwort: 70 Prozent aller Befragten gaben an, dass ihr Rauchverhalten im direkten Zusammenhang mit den teils stressigen und anspruchsvollen Arbeitsbedingungen, wie zum Beispiel Schichtdienst, hoher Verantwortung und Unterbesetzung steht.
Warum die Gesundheitsbranche den ungesündesten Arbeitsalltag lebt
Fachkräftemangel, überfüllte Krankenhäuser und Schichtarbeit – in der Pflege leidet das Personal unter enormem körperlichen und psychischen Druck. In diesem stressbelasteten Umfeld scheint die Zigarette für viele zur Überlebensstrategie zu gehören. Markus Lindblad, Deutschland-Sprecher des Onlinehändlers Haypp, betont: „Manchmal ist das Rauchen die einzige Möglichkeit, sich für fünf Minuten zurückzuziehen.“ Die Umfrageergebnisse unterstreichen das: Mit fast 20 Prozent befindet sich das Gesundheitswesen auf dem unangefochtenen Platz eins der Berufsgruppen, die am meisten qualmen.
Hier springt ein offensichtlicher Widerspruch ins Auge: Menschen, die ständig mit den Folgen der schlechten Angewohnheit konfrontiert werden, greifen besonders häufig zur Kippe. Lindblad klärt auf: „Diese Zahlen spiegeln jedoch keineswegs Ignoranz auf Seiten der Angestellten wider, sondern sind vielmehr ein Hinweis auf Überlastung.“
Auch in der Gastro glühen die Kippen heiß
Direkt hinter dem Gesundheitswesen landet die Gastronomie mit circa 15 Prozent auf Platz zwei im Ranking. Auch hier ist Stress am Arbeitsplatz die Hauptursache. Wer einmal hinter die Kulissen einer Großküche geschaut hat, wird sich kaum wundern: Volle Restaurants, hoher Zeitdruck, unvorhersehbare Arbeitszeiten bis spät in die Nacht – die Gastronomie ist kein Ort für Entspannung. Ob im hektischen Service oder in der heißen Küche: Pausen sind oftmals unregelmäßig, da sie vom unvorhersehbaren Gästeansturm abhängen und sich nicht selten erkämpft werden müssen.
„Rauchen ist auch in diesem Umfeld oft die einzige Möglichkeit, sich selbstbestimmt eine kurze Auszeit zu nehmen“, erklärt Lindblad. Hinzu kommt ein sozialer Aspekt: In vielen Restaurants gehört die Zigarette nach wie vor zur Betriebskultur – sei es beim Feierabendbier mit dem Team oder zwischen zwei Servicezeiten. „Das Stresslevel, die Teamdynamik und fehlende Rückzugsräume machen den Griff zur Kippe fast schon systemisch“, erläutert der Experte weiter.
Rauchen statt programmieren – IT-Mitarbeiter im blauen Dunst
Unerwartet im Spitzenfeld landen die Branchen IT und Telekommunikation, die sich mit 14,9 Prozent den dritten Platz teilen. Dabei gilt die digitale Arbeitswelt als modern, gesundheitsbewusst und flexibel. Die Unternehmen entwickeln nicht nur technologische Innovationen, sondern setzen sie auch frühzeitig und umfassend in den eigenen Reihen ein. Remote-Modelle, Tools zur Unterstützung hybriden Arbeitens und flexible Zeitsysteme sollen eigentlich für ein entspanntes Arbeitsumfeld sorgen.
Wieso also finden sich Programmierer so weit oben in den Umfrageergebnissen wieder? Der Stress mag zwar nicht körperlich sein, macht sich aber auf andere Weise bemerkbar: durch harte Deadlines, permanente Erreichbarkeit oder auch eine Subkultur, in der das alte „Hacker-Klischee“ mit Zigaretten, Energy-Drinks und nächtlichem Codieren noch immer zelebriert wird. Lindblad betont: „Auch hier ist es schwierig, zu verallgemeinern. Die Arbeitskultur im jeweiligen Unternehmen bestimmt das Rauchverhalten mehr als die Branche selbst.“
Wieso Juristen und Kunstschaffende auf einmal Anti-Kippe sind
Überraschend ist auch der Blick ans andere Ende des Rankings: Nur 1,4 Prozent der Befragten, die im Rechtswesen und in künstlerischen Berufen arbeiten, greifen noch regelmäßig zum Glimmstängel. In den 1960er und 1970er Jahren war das Rauchen gesellschaftlich viel weiter verbreitet und wurde oftmals gerade mit einem künstlerischen, freien Lebensstil assoziiert: Fotografien aus dieser Zeit zeigen, dass das Rauchen bei Galerieeröffnungen und Kunstauktionen völlig normal war. Spannend ist, dass die Juristen sich in die selbe Richtung entwickelt haben. Ebenso, wie bei den Kunstaffinen, ist die Zigarette in Kanzleien, Büros und Gerichtsgebäuden praktisch nicht mehr zu finden.
Die Selbstverständlichkeit des Rauchens ist heute nahezu verschwunden. „Das könnte darauf zurückgeführt werden, dass besonders im Rechtswesen eine sehr disziplinierte Lebenskultur herrscht und viel Wert auf Reputation gelegt wird“, ordnet Lindblad ein. „Und auch im Kunstbereich ist das Bild des rauchenden und weintrinkenden Künstlers längst nicht mehr dominant. Stattdessen wird der Fokus immer mehr auf einen gesunden, nachhaltigen und umweltbewussten Lebensstil gelegt.“
Rauchen als Stress-Thermometer statt Coolness-Faktor
Früher war die Raucherecke ein wichtiger sozialer Treffpunkt – ein Ort für spontane Gespräche und kollegialen Austausch. Heute jedoch scheint diese Funktion nahezu vollständig verblasst. Trotzdem zeigt die Umfrage: Zigaretten gehören in vielen Branchen weiterhin zum Arbeitsalltag. Doch die Gründe hierfür haben sich gewandelt. Besonders Platz eins und zwei des Rankings, also das Gesundheitswesen und die Gastronomiebranche, beweisen, dass die Raucherquote am höchsten ist, wo Stress den Alltag bestimmt. Die aktuellen Zahlen gewähren somit einen Einblick in die tieferen Strukturen unserer Arbeitswelt.
„Rauchen ist heute weniger ein kulturelles Phänomen“, erklärt Lindblad. „Es signalisiert, wo Arbeitsbedingungen mit Belastungsgrenzen zusammenprallen, wo strukturelle Pausen fehlen und Stress zur Grundbedingung im Job gehört.“ In Berufen mit standardisierten Abläufen ist das Rauchen lange nicht mehr so präsent. Die Zigarette ist dort nicht nur aus gesundheitlichen Gründen verbannt, sondern auch die gesellschaftliche Akzeptanz nimmt ab. Unterstrichen wird dieses Phänomen dadurch, dass fast 60 Prozent der Befragten angaben, dass sie bereit wären, das klassische Rauchen aufzugeben und Alternativen, zum Beispiel Nikotinbeutel, die die Umwelt nicht beeinträchtigen, auszuprobieren.
Die gesundheitsschädlichen Auswirkungen des Rauchens
Rauchen ist eine der weltweit führenden vermeidbaren Ursachen für Krankheit und Tod. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben jährlich mehr als acht Millionen Menschen an den direkten Folgen des Tabakkonsums, davon über eine Million durch Passivrauchen. Die gesundheitlichen Auswirkungen betreffen nahezu jedes Organ im menschlichen Körper und reichen von kardiovaskulären und respiratorischen Erkrankungen bis hin zu psychischen und neurologischen Folgen sowie zu Beeinträchtigungen der sozialen Lebensqualität. Tabakentwöhnung bietet erhebliche gesundheitliche Vorteile – bereits wenige Wochen nach dem Rauchstopp verbessert sich die Lungenfunktion und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sinkt deutlich. tok
Medizinische Auswirkungen
1. Krebsrisiko
Rauchen ist der Hauptrisikofaktor für Lungenkrebs. Etwa 85 % bis 90 % aller Lungenkrebsfälle sind auf Tabakkonsum zurückzuführen. Darüber hinaus erhöht Rauchen das Risiko für weitere Krebsarten, darunter:
- Kehlkopf-, Mund- und Rachenkrebs
- Speiseröhrenkrebs
- Bauchspeicheldrüsenkrebs
- Blasen- und Nierenkrebs
- Gebärmutterhalskrebs
Die enthaltenen Karzinogene im Tabakrauch (zum Beispiel Benzol, Formaldehyd, Nitrosamine) schädigen das Erbgut und fördern die Tumorbildung.
2. Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Rauchen führt zu einer Verengung und Verhärtung der Blutgefäße (Arteriosklerose) und erhöht dadurch das Risiko für:
- Herzinfarkt
- Schlaganfall
- periphere arterielle Verschlusskrankheit
Nikotin erhöht zudem den Blutdruck, die Herzfrequenz und fördert die Blutgerinnung, was zu Thrombosen führen kann.
3. Atemwegserkrankungen
Der regelmäßige Kontakt mit Tabakrauch schädigt die Atemwege und das Lungengewebe. Häufige Folgen sind:
- Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)
- chronische Bronchitis
- Atemnot und verminderte Lungenfunktion
Psychologische und neurologische Auswirkungen
1. Suchtverhalten
Nikotin ist eine stark suchterzeugende Substanz. Es aktiviert das Belohnungssystem im Gehirn durch Freisetzung von Dopamin. Dadurch entwickelt sich schnell eine körperliche und psychische Abhängigkeit, die schwer zu durchbrechen ist.
2. Psychische Gesundheit
Langfristiger Tabakkonsum wird mit einem erhöhten Risiko für Depressionen, Angststörungen und allgemeine psychische Belastung assoziiert. Studien zeigen, dass Rauchende ein bis zu doppelt so hohes Risiko für depressive Episoden haben.
3. Kognitive Leistung
Rauchen kann die kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigen. Längeres Rauchen ist mit beschleunigtem kognitivem Abbau im Alter verbunden und erhöht das Risiko für Demenzerkrankungen.
Passivrauchen
Auch das Einatmen von Tabakrauch durch Nichtrauchende (Passivrauchen) ist gesundheitsgefährdend. Besonders gefährdet sind Kinder und Schwangere. Mögliche Folgen:
- Asthma und Atemwegserkrankungen bei Kindern
- erhöhtes Risiko für plötzlichen Kindstod (SIDS)
- Frühgeburten und niedriges Geburtsgewicht
Info
Die schwedische Haypp Group ist ein Unternehmen im E-Commerce-Sektor, dass es sich zum Ziel gesetzt hat, den globalen Wandel vom Rauchen hin zu weniger schädlichen Produktalternativen voranzutreiben. Zielgruppe sind ausschließlich volljährige Raucher, denen der Nikotinkonsum auf eine weniger schädliche Art und Weise ermöglicht werden soll. pm/tok
