Zwar haben Pneumokokken das ganze Jahr über Saison, doch in der kalten Jahreszeit treten Infektionen gehäuft auf, oft als Komplikation einer Virus-Infektion wie etwa Grippe. Daher finden Pneumokokken und die Impfung gegen diese Erreger im Herbst und Winter mehr Aufmerksamkeit. Foto: hkama/stock.adobe.com

„Der beste Zeitpunkt für eine Pneumokokken-Impfung ist immer heute, spätestens aber morgen.“

In Deutschland erkranken jährlich rund 600.000 Menschen an einer ambulant erworbenen Lungenentzündung (Pneumonie). Hauptursache ist eine Infektion mit Pneumokokken, einem Bakterium, das neben einer Lungenentzündung auch weitere schwerwiegende Erkrankungen wie eine Hirnhautentzündung (Meningitis) oder eine Blutvergiftung (Sepsis) auslösen kann. Ein besonders hohes Risiko für eine Ansteckung haben Menschen ab dem 60. Lebensjahr, da die körpereigene Immunabwehr altersbedingt nachlässt.

Was man über das Risiko einer. Hier finden Sie wichtige Fragen und Antworten zum Nachlesen:

Was versteht man unter einer invasiven Pneumokokken-Erkrankung?

Prof. Wolfgang Jilg: Pneumokokken finden sich bei vielen Menschen im Nasenrachenraum ohne Symptome zu verursachen. Sie können in die Nasennebenhöhlen, ins Mittelohr oder in die tiefen Atemwege der Lunge vordringen und zu lokalen Entzündungen führen. Gelangen sie von hier aus in Körperregionen, die normalerweise steril, also keimfrei sind, spricht man von invasiven Infektionen. Häufige Folgen einer invasiven Infektion sind eine Hirnhautentzündung oder eine Blutvergiftung, beides meist schwere, oft auch lebensbedrohliche Erkrankungen.

Ein hohes Risiko für eine derartige Infektion haben insbesondere ältere Menschen, Menschen mit Erkrankungen, die ihr Immunsystem schwächen, oder Personen ohne Milz.

Was sind typische Anzeichen einer Ansteckung?

Dr. med. Ulrich Enzel: Wenn Pneumokokken eine Lungenentzündung verursachen, verschlechtert sich – oft rasch – der Allgemeinzustand, es kommt zu hohem Fieber, häufig mit Schüttelfrost. Typisch für eine Lungenentzündung sind eine schnelle, flache Atmung, Atemnot, ein auch in Ruhe hoher Puls, sowie Husten mit Auswurf und Schmerzen im Brust-Bauchbereich. Oftmals geht der Erkrankung ein Virusinfekt voran, zum Beispiel eine echte Grippe.

Eine weitere häufige, durch Pneumokokken verursachte Komplikation ist die Hirnhautentzündung. Symptome sind dabei neben typischen Infekt-Symptomen heftige Kopfschmerzen, Nackensteifigkeit, wiederholtes Erbrechen und sich vermindernde Wachheit.

Gelangen die Pneumokokken ins Blut, besteht das Risiko einer lebensgefährlichen Blutvergiftung. Anzeichen dafür können neben schneller Atmung auch Herzrasen, niedriger Blutdruck und Wahrnehmungsstörungen sein.

Wie sieht die Behandlung bei einer Pneumokokken-Infektion aus?

Prof. Hans Jürgen Heppner: Kommt es zum Beispiel durch Pneumokokken zu einer Lungenentzündung, steht die Behandlung mit Antibiotika im Vordergrund. Allerdings ist das mitunter problematisch, da ältere Menschen aufgrund chronischer Erkrankungen oft mehrere Medikamente einnehmen müssen und ein zusätzliches Antibiotikum zu unerwünschten Wechselwirkungen führen kann. Zusätzlich kann die häufige Anwendung von Antibiotika zu Resistenzen bei den Erregern führen, was Folgebehandlungen erschweren kann. All diese Probleme könnten durch eine entsprechende Impfung vermieden werden.

Warum verläuft die Infektion bei manchen Menschen ohne Symptome?

Prof. Wolfgang Jilg: Pneumokokken können von Menschen, die diese Keime im Nasenrachenraum beherbergen, durch Tröpfchen zum Beispiel beim Husten oder Niesen auf andere übertragen werden. Besonders groß ist die Gefahr einer Übertragung bei einem längeren Aufenthalt in größeren Menschenansammlungen, etwa in überfüllten Bussen, Straßenbahnen, oder beim Spielen mit den Enkelkindern. Die Erreger können sich nun im Nasenrachenraum der Empfänger ansiedeln, werden aber vom gesunden Menschen mit gut funktionierendem Immunsystem durch verschiedene Abwehrmechanismen in Schach gehalten und schließlich wieder eliminiert. Davon bemerken die Betroffenen normalerweise nichts.

Erst beim Versagen dieser Abwehrmechanismen können die Erreger sich weiter ausdehnen und zu Krankheitserscheinungen wie Nasennebenhöhlenentzündungen, Mittelohrentzündungen oder Lungenentzündungen führen.

Welche Risikogruppen gibt es außer den über 60-jährigen noch?

Prof. Hans Jürgen Heppner: Neben der Standardimpfung für alle Erwachsenen ab 60 Jahren ist die Pneumokokken-Impfung als sogenannte Indikations-Impfung empfohlen, wenn angeborene oder erworbene Immundefekte vorliegen. Dazu zählen unter anderem eine gestörte T-Zell-Funktion, eine HIV-Infektion, eine immunsuppressive Therapie wegen Organtransplantation, eine Autoimmunerkrankung oder eine erfolgte Knochenmarktransplantation. Weitere Indikationen sind chronische Krankheiten wie beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Erkrankungen der Atmungsorgane wie Asthma bronchiale oder COPD sowie Stoffwechselkrankheiten, ein Diabetes mellitus oder schwere neurologische Krankheiten.

Und schließlich ist die Impfung bei besonderen beruflichen Tätigkeiten wie dem Schweißen und Trennen von Metallen empfohlen.

Ich bin 62, Ausdauersportler und meine Blutwerte sind alle im Normbereich. Sollte ich mich trotzdem impfen lassen?

Prof. Hans Jürgen Heppner: Ja, gerade hier ist es wichtig, die Impfung anzunehmen und die Fitness zu erhalten. Schließlich wollen Sie das bisher Erreichte nicht durch eine Pneumokokken-Infektion verlieren, zumal die sogenannte Immunseneszenz, also das physiologische Altern der Infektabwehr, jeden betrifft. Daher ist die Impfung gegen Pneumokokken wichtig und mit dem neuen empfohlenen Impfstoff wird das Immunsystem besonders unterstützt.

Wann ist der beste Zeitpunkt für eine Impfung?

Dr. med. Ulrich Enzel: Zwar haben Pneumokokken das ganze Jahr über Saison, doch in der kalten Jahreszeit treten Infektionen gehäuft auf, oft als Komplikation einer Virus-Infektion wie etwa Grippe. Daher finden Pneumokokken und die Impfung gegen diese Erreger im Herbst und Winter mehr Aufmerksamkeit. Grundsätzlich gilt aber: Der beste Zeitpunkt für eine Pneumokokken-Impfung ist immer heute, spätestens aber morgen.

Wie viele Impfungen sind für einen vollständigen Impfschutz erforderlich?

Prof. Wolfgang Jilg: Mit dem von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlenen Pneumokokken-Impfstoff reicht eine Impfung aus, um einen Schutz für mehrere Jahre zu erreichen.

Was sind mögliche Impfreaktionen und Nebenwirkungen der Impfung?

Dr. med. Ulrich Enzel: Die aktuell von der STIKO empfohlenen Impfstoffe gegen Pneumokokken gehören zu den am besten verträglichen. Gelegentlich an der Impfstelle rasch vorübergehend auftretende Rötung, Schwellung und Schmerzen zeigen eine normale Reaktion unseres Immunsystems an. Ebenso sind weitere mögliche Beschwerden wie Kopf-, Muskel- und Gelenkschmerzen, Ermüdung, Unwohlsein, auch leichtes Fieber an sich erfreulich, denn diese bestätigen, dass der Impfstoff das Abwehrsystem „stimuliert“.

Diese Impfreaktionen klingen in der Regel innerhalb weniger Tage vollständig ab. Ernstere Komplikationen treten nach einer Impfung gegen Pneumokokken in allen Altersgruppen nur extrem selten auf.

Kann man die Impfung gegen Pneumokokken mit der Grippeimpfung verbinden?

Prof. Wolfgang Jilg: Die Pneumokokkenimpfung kann mit der Grippeimpfung kombiniert werden. Vorübergehende Impfreaktionen können allerdings etwas häufiger auftreten als bei der getrennten Gabe. Bei der gleichzeitigen Impfung sollte ein Impfstoff in den linken und der andere in den rechten Arm injiziert werden.

Die Experten in der Telefonaktion SPRECHZEIT waren:

  • Dr. med. Ulrich Enzel; Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Zusatzbezeichnung Allergologie, Autor von Fachpublikationen zum Thema Prävention unter anderem im Bereich Impfwesen, Heilbronn
  • Univ.-Prof. Dr. med. Hans Jürgen Heppner; MHBA; Facharzt für Innere Medizin; Zusatzbezeichungen Klinische Geriatrie, Spezielle Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin; Klinikdirektor Klinikum Bayreuth GmbH, Medizincampus Oberfranken
  • Prof. (i. R.) Dr. med. Wolfgang Jilg; Facharzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie; Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene der Universität Regensburg; Autor von Fachpublikationen zum Thema Impfen wie zum Beispiel „Der Impfkurs – Eine Anleitung zum richtigen Impfen“

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