Claus Bannert, der neue Chef der AOK Nordschwarzwald, spricht im Interview mit der „Pforzheimer Zeitung“ über Herausforderungen des Klimawandels für seine Versicherten und über die Aufgaben bei der Reform der Krankenhausfinanzen sowie über die jüngsten Proteste der Apotheken. Foto: Meyer

Claus Bannert, neuer Chef der AOK Nordschwarzwald: „Klima und Gesundheit hängen zusammen“

Der neue Mann an der Spitze der AOK Nordschwarzwald ist seit diesem Montag im Amt. Doch von Null muss er dort nicht beginnen. Claus Bannert ist beruflich in der Gesundheitskasse groß geworden. Und er ist ein echtes Kind der Region. In Calw geboren und aufgewachsen, kennt er sich aus im Nordschwarzwald. Er startet in eine heiße Phase im Gesundheitswesen. Die PZ hat mit Bannert über die Herausforderungen des Klimawandels für seine Versicherten, über die Aufgaben bei der Reform der Krankenhausfinanzen und die jüngsten Proteste der Apotheken gesprochen. Und über das Nachhaltigkeitskonzept der AOK mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt.

PZ: Wie war Ihr erster Tag?
Claus Bannert: Sehr lebendig. Es ging schon um ganz praktische Fragen, zum Beispiel wie ich in mein Büro komme, wie in die Garage. Und wie komme ich wieder raus, wenn es mal ein bisschen später ist. Aber ich kam ganz gut zurecht. Wir haben ein tolles Team, das mich sehr nett aufgenommen hat. Wir hatten eine erste Managementrunde, die mir auch Mut gemacht hat für die gemeinsame Herausforderung.

Sie stammen aus der Region. Was macht den Nordschwarzwald aus?
Claus Bannert: Er hat die höchste Dichte an Gourmetrestaurants. Das sage ich natürlich mit einem Augenzwinkern, denn das ist nur ein kleines Mosaiksteinchen. Wir sind schon eine Region guter Gastgeber. Wir sind bodenständig und fleißig und trotzdem kreativ. Wir haben Tüftler und Denker. Außerdem sind wir das Eingangstor in große Touren durch den Schwarzwald bis nach Basel oder Schaffhausen.
Ich bin viele dieser Strecken schon gewandert.

Wenn wir bei der Landschaft sind: Die AOK wirbt gezielt mit Nachhaltigkeit. Was macht die AOK grüner als andere Organisationen?
Claus Bannert: Sie hat das Thema von Grund auf gelernt und nicht dem Marketing übergeben. Wir haben Fachkräfte eingestellt mit einer Kollegin an der Spitze, die Umweltmanagement studiert hat. Wir bringen uns in Sachen Nachhaltigkeit ein, wenn es zum Beispiel um die Arzneimittelproduktion geht, wenn es darum geht, wie Lieferketten aussehen. Und wir verstehen den Nachhaltigkeitsbegriff als gesellschaftliche Verantwortung. Wir sind bemüht, dass Nachhaltigkeit in unsere rechtlichen Grundlagen findet, also ins Sozialgesetzbuch.

Wir spüren alle schon, dass sich im Klima etwas verändert. Wir leben hier plötzlich mit sehr häufiger großer Hitze, wir haben Dürren, wie man sie früher hier nicht gekannt hat. Was macht das mit unserer Gesundheit?
Claus Bannert: Es gibt da unmittelbare Zusammenhänge. Wir wissen, dass seit zehn Jahren die Temperaturen kontinuierlich steigen, dass besonders der Juni als Einstieg in den Sommer immer heißer wird. Wir haben ein Gefühl dafür gehabt. Wir kämpfen mit der Hitze. Aber ein echter Nachweis hat gefehlt. Deshalb bin ich stolz darauf, dass die AOK mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt das Ganze wissenschaftlich beleuchtet. Die Wissenschaft hat die Wetter- und Klimadaten – und wir haben als AOK mit unserem Marktanteil von fast 50 Prozent die Gesundheitsdaten. Wichtig ist natürlich, dass solche Daten streng anonym zur Verfügung gestellt werden. Wir können das auch regional auswerten für den Enzkreis, den Kreis Calw, Pforzheim oder den Kreis Freudenstadt und gucken, wie sich Hitze oder Feinstaubbelastung auswirken können und welche Diagnosen damit zusammenhängen könnten. Übrigens im Kur- und Bäderkreis könnten Luftkurorte davon auch profitieren.

Sie waren elf Jahre lang Geschäftsführer von AOK-Reha- Kliniken. Zuletzt haben Kliniken in ganz Deutschland Alarm geschlagen wegen der Finanzierungsprobleme, die seit der Pandemie verschärft deutlich werden. Wie sehen Sie die Situation der Klinikfinanzen?
Claus Bannert: Wir haben einen hohen Anspruch an Wirtschaftlichkeit und Versorgung. Das war schon vor der Pandemie so. Wir können heute schon die Aussage wagen, dass die Versorgung besser wird, auch teurer. Und Wirtschaften wird eine große Herausforderung bleiben. Die Vielzahl der Angebote kann dazu führen, dass es einzelnen Häusern nicht gut geht. Ich möchte nicht schwarzmalen, aber am Schluss wird das die Substanz der einen oder anderen Klinik infragestellen.

Hohe Defizite lasten derzeit ja auch auf den Krankenhäusern in der Region.
Claus Bannert: Es wird bei kommunal getragenen Häusern eine Frage der Bereitschaft sein, die Finanzierung über Kreisumlagen zu sichern. Dieses Geld zu geben fällt zum Beispiel im Kreis Calw der Stadt Calw leichter, die den neuen Gesundheitscampus direkt vor Augen hat. Auf der anderen Seite des Landkreises, in Bad Herrenalb etwa, könnte das schon schwerer fallen. Wirtschaftlichkeit und
gute Versorgung ist ein Spagat und wird uns auch in Zukunft herausfordern.

Man muss noch abwarten, was im Gesetzentwurf zur Klinikfinanzierung stehen wird. Aber es zeichnet sich ab, dass man von den reinen Fallpauschalen ein Stück weit abkehren wird und dafür das Bereitstellen einer bestimmten Versorgung finanziert.
Claus Bannert: Dazu habe ich noch keine abgeschlossene Meinung. Aber es ist ein Weg, der kleinen Häusern helfen kann. Die Grund- und Regelversorgung dort hilft im Alltag sehr, aber es nicht immer der Teil, wo die Gewinnmargen groß sind. Die Chancen auf auskömmliche Ergebnisse sind auch künftig dort größer, wo Leistungen am besten gemacht werden. Wichtig ist: Es gibt einen Zusammenhang zwischen Qualität und Menge, Routine und Erfahrung. Danach wird auch der mündige Patient die Einrichtung auswählen, in der er sich behandeln lässt.

Schon heute gehen viele Menschen für eine Behandlung weitere Wege.
Claus Bannert: Das Argument, dass die Familie zu Besuch kommen kann, ist bei den heutigen kurzen Verweildauern längst nicht so wichtig wie der Behandlungserfolg. Das ist ein bisschen anders, wenn es darum geht, für ältere Menschen eine Versorgung aufzubauen. Ich bin Vorsitzender im Verein „Demenz mitten im Leben“. Wenn ich an Menschen mit Beeinträchtigungen denke, kann eine wohnortnahe Versorgung sehr wichtig sein.

Auch die Apotheken haben Alarm geschlagen. Wie blicken Sie auf die Apotheken und auf die Lieferengpässe bei Medikamenten?
Claus Bannert: Für die Arzneimittelversorgung stehen die Apotheker natürlich an erster Stelle. Lieferengpässe wie derzeit sind wir nicht gewohnt. Das ist eine Folge der Pandemie. Das ist eine große Herausforderung, der wir uns gemeinsam stellen müssen. Ob da eine direkte Verbindung zur Vergütung für Hersteller besteht, da bin ich mir nicht so sicher. Es müsste da erst der Beleg dafür da sein, dass man mit einer höheren Vergütung, den Lieferengpass beseitigen würde.

Das Interview führte PZ-Redakteur Alexander Heilemann

Zur Person

Claus Bannert ist 56 Jahre alt und beschreibt sich als Familienmensch. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Der Ur-Calwer und neue Chef der AOK Nordschwarzwald hat bei der Gesundheitskasse in der Region schon seine Ausbildung gemacht – zunächst als AOK- Betriebswirt. Von 2002 bis 2004 war er stellvertretender Geschäftsführer, ab 2004 Geschäftsführer der AOK Calw – bis die 2007 in die AOK Nordschwarzwald aufging. Bannert war danach bis 2018 Chef der AOK-Reha-Kliniken Bad Liebenzell, Baden-Baden und Freiburg. Zuletzt war er in leitender Funktion bei der AOK-Hauptverwaltung in Stuttgart. Er ist Vorsitzender des Beirats der regionalen Gesundheits- und Pflegekonferenz im Kreis Calw und Vorsitzender des Vereins „Demenz mitten im Leben“.