
„Jeder Mensch verdient eine würdevolle und respektvolle Behandlung, egal wie alt er ist“, betont Zahnarzt Torben Wenz. Er widmet sich der Zahngesundheit älterer und pflegebedürftiger Menschen direkt in den Altenheimen und schenkt so den Menschen ein Stück Lebensqualität. Foto: Cornelia Schwarz
Wie ein Pforzheimer Zahnarzt in einer stationären Pflegeeinrichtung Lebensqualität schenkt
Seit beinahe zwei Jahrzehnten widmet sich Zahnarzt Torben Wenz der Zahngesundheit älterer und pflegebedürftiger Menschen, wobei er weit mehr als nur medizinische Behandlungen bietet. Seine Besuche bedeuten ein Stück Lebensqualität in einer Umgebung, die oft von Monotonie geprägt ist. Doch während Wenz seine Arbeit mit Professionalität und Einfühlungsvermögen verrichtet, muss er immer wieder auch zahlreiche Hürden überwinden.
Es ist ein grauer Freitagmorgen in Pforzheim. Die Straßen sind regenverhangen, die kühlen Tropfen prasseln unablässig auf den Asphalt und nur wenige Menschen sind draußen unterwegs. Die Stimmung ist trist. In den Altenheimen der Stadt spielt das Wetter jedoch keine bedeutende Rolle. Die meisten Bewohner nehmen es kaum wahr. Ihre Tage verlaufen in einem monotonen Rhythmus, unterbrochen nur von kleinen, aber bedeutsamen Ereignissen, die ihren Alltag strukturieren.
Das Ereignis des Tages: der Zahnarztbesuch
Ein solches Ereignis ist der Besuch von Zahnarzt Torben Wenz. Seit fast zwei Jahrzehnten widmet er sich einer Aufgabe, die sowohl anspruchsvoll als auch erfüllend ist: Er behandelt alte und pflegebedürftige Menschen in den Einrichtungen, in denen sie leben. Dieser Weg entstand aus privater Verbundenheit. „Das ist so ein bisschen familiär gewachsen“, erklärt Wenz.
„Die Familie von Freunden zog in ein betreutes Wohnen, und so kam ich das erste Mal mit dieser besonderen Patientengruppe in Berührung. Einen sogenannten Kooperationsvertrag mit der Einrichtung gab es nicht, aber Menschen, die Hilfe brauchten, schon.“ Heute besucht Wenz zwei bis drei Mal pro Woche die Pflegeeinrichtungen des Ortes. Zehn Kooperationsverträge hat er mittlerweile abgeschlossen. „An manchen Tagen verzichte ich dafür auf die Mittagspause, aber was soll‘s“, schmunzelt er. „Dafür hat ein Mensch weniger Schmerzen.“
Zähne ziehen, um Schlimmeres zu vermeiden
Die erste Patientin an diesem Tag wird seit 2010 von ihm betreut. Sie ist bettlägerig. Nachdem sie sich regelmäßig wundgebissen hatte, zog Wenz ihr nach sorgfältiger Abwägung und in Abstimmung mit dem Betreuungsumfeld die restlichen, überwiegend kariös stark zerstörten und scharfkantigen Zähne. Heute werden die Fäden gezogen. Die Frau ist dement und nimmt ihre Umgebung kaum wahr. Torben Wenz beruhigt sie, spricht sie mit großer Empathie an und streichelt ihr über die Hand, bevor er mit der Behandlung beginnt. „Nun kann sie sich nicht mehr verletzen“, sagt er leise.
Gezielt geht Torben Wenz durch die Gänge des Altenheims, scherzt mit den Patienten, die in den einzelnen Wohngruppen an den Tischen sitzen, und tauscht freundliche Worte mit dem Personal, das den Zahnarzt bereits gut kennt. Seine Ausrüstung, sorgfältig in einem Koffer verpackt, begleitet ihn auf seinen Besuchen.
Wo ist bloß die Zahnprothese?
Seinen nächsten Patienten sieht Wenz im Singkreis sitzen und nimmt ihn sogleich mit auf sein Zimmer. Der ältere Herr hat bereits die zweite Prothese innerhalb kürzester Zeit bekommen, denn nicht immer wird der Zahnersatz dort aufbewahrt, wo er hingehört. So passiert es schon mal, dass die Prothese beim Bettenausschütteln aus dem Fenster fällt oder sich im Papierkorb wiederfindet.
Die neue Prothese hat noch einige Druckstellen, wie Wenz beim Blick in den Mund des Patienten feststellt. Direkt vor Ort beseitigt er diese Unannehmlichkeiten mit den mitgebrachten Instrumentarien und passt die Prothese sorgfältig an. Der Patient lächelt glücklich, als er die sofortige Linderung spürt, und fragt sogleich, ob er eine Zigarette rauchen darf.

Stark wachsende Zahl von Senioren
In Deutschland leben über 800.000 Menschen in Pflegeheimen. Prognosen zufolge werden im Jahr 2050 rund 5,5 Millionen Menschen in Deutschland über 85 Jahre alt sein. Spätestens dann werden die geburtenstarken Jahrgänge der Sechzigerjahre die Pflegegrenze erreichen. Noch ist es die genügsame Generation, die sich in den Heimen einrichtet. Diese Menschen haben den Zweiten Weltkrieg überlebt, und sind ohne den pauschal gebuchten Anspruch auf Selbstverwirklichung, Individualität und Lebensglück alt geworden. Vielleicht hilft das beim Altsein?
Die kleinen Gesten machen den Unterschied
Während Zahnarzt Wenz den Gang entlanggeht, wird er von einer Pflegerin angesprochen. Sie berichtet, dass eine Bewohnerin seit drei Tagen ihr Gebiss nicht mehr im Mund hatte. Niemand wusste, wo es war, bis es schließlich gefunden wurde – die Bewohnerin hatte es versteckt, weil ein Zahn fehlte. Wenz nimmt sich sofort Zeit, um den Zustand des Mundraums der Frau zu überprüfen und stellt fest, dass die Hygiene zu wünschen übriglässt. Er spricht dies sachlich an. Die Pflegerin erklärt, dass die Bewohnerin bis vor Kurzem noch selbst für ihre Mundhygiene gesorgt hatte, aber man nun darauf achten wolle.
Die nächste Patientin ist neu im Haus und lebt in einem beschützenden Bereich. Sobald Torben Wenz sie untersuchen möchte, schreit sie laut und wehrt sich, versucht ihn zu schlagen. Torben Wenz lässt sich davon nicht beeindrucken. Er spricht ruhig mit der Patientin, plaudert ein wenig, bevor er es ein weiteres Mal probiert. Es sind diese kleinen, zwischenmenschlichen Gesten, die den Unterschied machen. Die Patientin hat Karies und Gingivitis. „Das kommt von einer mangelnden Zahnhygiene“, weiß er und leitet die Pflegerin mit seiner eigens hierfür entwickelten Pflegeampel an, die in den Badezimmern der Bewohner aufgehängt wird, um die zukünftige Zahn- und Mundhygiene sicherzustellen.
Nicht alles ist im Pflegeheim machbar
Röntgenbilder und umfassende Zahnbehandlungen führt Torben Wenz nicht im Altenheim durch, sondern in seiner eigenen Praxis. Jede Woche hat er deshalb zwischen fünf- und zehnmal einen Krankentransportwagen vor der Praxis stehen. „Klar muss man das wollen und gut kommunizieren, denn natürlich fragen die Leute, warum der Krankenwagen so oft vor der Tür der Zahnarztpraxis steht“, sagt er. Doch die Sicherheit, die Patienten mit den dafür notwendigen Apparaturen professionell behandeln zu können, steht für den Zahnarzt an oberster Stelle.
Vielfältige Herausforderungen durch Patienten und Personal
Beim Begleiten wird deutlich, dass die Herausforderungen für den Zahnarzt vielfältig sind. Einige seiner Patienten haben Angst vor der Behandlung, sei es durch schlechte Erfahrungen in der Vergangenheit oder aufgrund ihres allgemeinen Gesundheits- und Geisteszustands. Er muss mit Menschen mit Demenz ebenso umgehen wie mit notorisch unfreundlichen. Geduld, Einfühlungsvermögen und spezielle Techniken sind da unerlässlich.
„Es ist nicht immer leicht“, sagt Wenz mit Nachdruck. Auch Angehörige geben ihm zu denken, wenn sie als rechtliche Betreuer oder als Bevollmächtigte einer teuren Zahnbehandlung nicht zustimmen, obwohl diese eine erhebliche Steigerung des Wohlbefindens und der Lebensqualität für die betroffenen alten Menschen bedeuten würde. Ebenso die Pflegekräfte, die der Mundhygiene nicht in der erforderlichen Weise nachkommen, weil sie dies nicht gelernt haben.
„Dass ich auch damit umgehen muss, wenn die Pflege den Termin vergessen hat oder ich Unmengen von Haftcreme entfernen muss, wenn ich anhand der Speisereste sehe, was meine Patienten die letzten Wochen gegessen haben, gehört genauso zu meinem Berufsalltag“, ergänzt Wenz.

Lebensqualität schenken und Dankbarkeit ernten
„Jeder Mensch verdient eine würdevolle und respektvolle Behandlung, egal wie alt er ist“, betont er. „Und natürlich ist es auch ein Gradmesser für eine Gesellschaft, wie sie mit ihren schwächsten Gliedern umgeht“, fügt er hinzu.
Seine Einstellung zum Leben hat sich durch diesen Teil seiner Arbeit erheblich verändert. „Natürlich prägt es einen, wenn man den fortschreitenden Verfall der Patienten von einem Besuch zum nächsten miterlebt. Auf der anderen Seite sieht man aber auch, wie sehr die Menschen trotz allem am Leben hängen“, reflektiert er. Die Dankbarkeit seiner Patienten ist unmittelbar spürbar. „Für mich sind es oft nur kleine Maßnahmen, aber für meine Patienten bedeuten sie ein großes Stück Lebensqualität. Das ist es, was meinen Beruf nach all den Jahren immer noch ausmacht“, resümiert er beim Verlassen der Pflegeeinrichtung. Cornelia Schwarz/Informationszentrum Zahn- und Mundgesundheit Baden-Württemberg IZZ
Info
Seit dem 1. April 2014 ermöglichen Kooperationsverträge zwischen der Zahnärzteschaft und stationären Pflegeeinrichtungen eine strukturierte Zusammenarbeit. Ziel ist die Verbesserung der Mundgesundheit von Bewohnern durch präventionsorientierte Leistungen wie Mundhygienepläne und Pflegeanleitungen.