Durch eine unbehandelte oder nicht frühzeitig behandelte Parodontitis entstehen hohe Folgekosten für das deutsche Gesundheitssystem, die allein im zahnärztlichen Bereich bei rund 200 Millionen Euro jährlich liegen. Foto: 琢也 栂/stock.adobe.com
Parodontitis kann schwere Krankheiten provozieren – Sorge um Präventionstherapie
Parodontitis, auch als Parodontalerkrankung oder im Volksmund Parodontose bekannt, ist eine entzündliche Erkrankung des Zahnhalteapparates, die durch eine Infektion der Gewebe, die die Zähne stützen, verursacht wird. Diese Erkrankung beginnt in der Regel mit einer Zahnfleischentzündung (Gingivitis) und kann, wenn sie unbehandelt bleibt, zu schwerwiegenderen Problemen in vielen Bereichen des Körpers führen. Umso wichtiger ist eine präventionsorientierte Parodontitistherapie.
Wer Prävention will, muss sie auch finanzieren
Wie die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) mitteilt, würden die Daten zur Finanzentwicklung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) eindeutig belegen, dass Zahnärzte keine Kostentreiber im Gesundheitssystem sind. Bereits seit Jahren sinkt der Anteil an den GKV-Gesamtausgaben für vertragszahnärztliche Leistungen und liegt aktuell bei lediglich 6,1 Prozent. Damit ist er in den vergangenen 20 Jahren um rund 2,6 Prozentpunkte gesunken. Für die KZBV) ist dies ein klarer Beleg für den Erfolg einer konsequenten Präventionsstrategie im zahnmedizinischen Bereich.
Vor diesem Hintergrund weist KZBV-Vorstandsvorsitzender Martin Hendges auf den Widerspruch hin, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) zunächst dringend erforderliche Mittel für die präventionsorientierte Parodontitistherapie gestrichen hat, jetzt aber verkündet, dass mangelhafte Prävention sehr viel Geld koste. „Die Gesundheitspolitik von Minister Lauterbach hat massive Spuren hinterlassen, vor allem im Teilbereich Parodontalbehandlungen“, kritisiert Hendges scharf. Allein aufgrund der mit den Kürzungen der Mittel einhergehenden fehlenden Planungssicherheit seien die Praxen gezwungen gewesen, sich organisatorisch auf die Mittelbegrenzung einzustellen, was unmittelbar Einfluss auf die Patientenversorgung habe.
Massiver Einbruch bei Neubehandlungsfällen
Als Folge des GKV-FinStG geht nämlich die durchschnittliche Zahl der monatlichen Parodontitisneubehandlungsfälle kontinuierlich zurück: Lag sie im Jahr 2022 noch bei etwa 120.000 und war damit der hohen Krankheitslast endlich angemessen, brach der Monatsdurchschnitt 2023 ein und betrug nur noch etwa 94.000 Neubehandlungen. Im Durchschnitt des ersten Dreivierteljahres 2024 war die Zahl der Neubehandlungen mit etwa 79.000 sogar noch niedriger. „Ohne einen politischen Kurswechsel ist ein positiver Umkehrtrend bei der präventionsorientierten Parodontitistherapie nicht absehbar“, mahnt Hendges.
Parodontitistherapie ist eine zentrale Präventionsleistung
Seit Juli 2021 ist die präventionsorientierte Parodontitistherapie, die sich über einen Zeitraum von bis zu drei Jahren erstreckt, eine zentrale Präventionsleistung für die Mund- und Allgemeingesundheit. „Der unlängst vom Bundesgesundheitsministerium kommunizierte ‚überdurchschnittlich starke Anstieg‘ der GKV-Ausgaben im Teilbereich Parodontalbehandlungen bedeutet keineswegs, dass sich die Parodontitisversorgung in Deutschland verbessert hat. Im Gegenteil: Diese Ausgaben lassen sich allein durch Folgeleistungen der Behandlungsfälle aus den letzten zwei Jahren erklären. Ganze 64 Prozent der Leistungen entfallen während der zweijährigen Nachsorgephase auf die Folgeleistungen im Rahmen der unterstützenden Parodontitistherapie (UPT)“, stellt Hendges klar.
Plaque und Zahnverlust
Die Hauptursache für Parodontitis ist die Ansammlung von Plaque, einem weichen, klebrigen Film aus Bakterien, auf den Zähnen. Wenn Plaque nicht regelmäßig entfernt wird, kann sie sich verhärten und zu Zahnstein werden. Eine unzureichende Mundhygiene kann zur Ansammlung von Plaque und Zahnstein führen. Rauchen ist ebenfalls ein bedeutender Risikofaktor für die Entwicklung von Parodontitis. Manche Menschen sind genetisch anfälliger für Parodontalerkrankungen. Aber auch Erkrankungen wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Autoimmunerkrankungen können das Risiko für Parodontitis erhöhen.
Eine der schwerwiegendsten Folgen von Parodontitis ist der Verlust von Zähnen. Wenn das Gewebe, das die Zähne stützt, stark geschädigt ist, können die Zähne locker werden und schließlich verloren gehen. Parodontitis kann ferner auch zu einem Abbau des Kieferknochens führen, was die Stabilität der Zähne beeinträchtigt und zu weiterem Zahnverlust führen kann.
Parodontitis nimmt Einfluss auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Parodontitis ist eine komplexe Entzündungserkrankung des Menschen, an der jeder zweite Erwachsene leidet. Bei einer unbehandelten, schweren Parodontitis entstehen unter anderem Veränderungen der Arterien, die das Risiko für koronare Herzerkrankungen und Herzinfarkt erhöhen. Zudem treten vermehrt Bakterien in die Blutbahn ein – selbst bei alltäglichen Aktionen wie dem Kauen und Zähneputzen. Bei Patienten mit entsprechender Veranlagung kann dies zu einer Herzinnenhautentzündung führen. Medizinische Prävention darf also nicht losgelöst von der Parodontitis-Bekämpfung gedacht werden. Es gibt Hinweise darauf, dass Parodontitis neben Herz-Kreislauf-Erkrankungen auch mit anderen gesundheitlichen Problemen in Verbindung steht, wie zum Beispiel Diabetes und Atemwegserkrankungen. Die Entzündungen im Mund können sich also auf den gesamten Körper auswirken.
Hohe Folgekosten bei unbehandelter Parodontitis
Durch eine unbehandelte bzw. nicht frühzeitig behandelte Parodontitis entstehen zudem hohe Folgekosten für das deutsche Gesundheitssystem, die allein im zahnärztlichen Bereich bei rund 200 Millionen Euro jährlich liegen. Dazu kommen indirekte Krankheitskosten, die eine international vergleichende Studie für Deutschland mit rund 34,79 Milliarden Euro beziffert. „Daher müssen die Leistungen für die präventionsorientierte Parodontitistherapie als Früherkennungs- und Vorsorgeleistungen anerkannt und wieder vollumfänglich vergütet werden“, fordert Hendges. Denn alles andere koste das System sehr viel Geld. pm/tok