
Peter Hauk, baden-württembergischer Minister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, ist sich sicher: Die Schließung weiterer Notfallpraxen der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg bedeute einen immensen Mehraufwand für die ohnehin schon überlasteten Notaufnahmen der nächstliegenden Krankenhäuser. Foto: galileo120/stock.adobe.com
Kritik an KVBW: Geplante Schließung von Notfallpraxen für ländlichen Raum nicht hinnehmbar
„Der Ländliche Raum darf bei der medizinischen Versorgung nicht länger kaputtgespart werden“, warnt Peter Hauk, baden-württembergischer Minister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz. Er appelliert an die Versorgungspflicht der Kassenärztlichen Vereinigung. Die geplante Schließung von Notfallpraxen für den ländlichen Raum sei nicht hinnehmbar.
Hausärztliche Notfallversorgung schon jetzt ungenügend
„Im Zuge der Neustrukturierung des ärztlichen Bereitschaftsdiensts wurden in Baden-Württemberg bereits mehrere Notfallpraxen dauerhaft geschlossen. Nun plant die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) das Netz an Notfallpraxen noch weiter auszudünnen. Dies wird unweigerlich zu einer Überlastung der Notfallstrukturen in unseren Kliniken führen. Besonders besorgniserregend ist dabei die bereits heute ungenügende hausärztliche Notfallversorgung im Ländlichen Raum. Ein weiteres Kaputtsparen und eine weitere Verschlechterung der medizinischen Versorgung des Ländlichen Raums ist für mich indiskutabel und nicht hinnehmbar!“, sagte der Minister Hauk im Hinblick auf die Pläne der KVBW, weitere 17 Notfallpraxen im Südwesten zu schließen.
Immenser Mehraufwand für Notaufnahmen der Kliniken
Die Schließung weiterer Notfallpraxen bedeute einen immensen Mehraufwand für die ohnehin schon überlasteten Notaufnahmen der nächstliegenden Krankenhäuser. Für Patienten, die an einem Wochenende erkranken und einen Arzt dringend benötigen, sei die hausärztliche Notfallpraxis die passgenaue Anlaufstelle. Viele von ihnen würden, so Hauk, zukünftig nicht mehr zur dann weit entfernten Notfallpraxis fahren, sondern in die Notaufnahme des nächsten Krankenhauses, wo sich die Versorgungssituation in Folge weiter zuspitzen wird.
Belastungsgrenze für ländlichen Raum erreicht
„Nach der Krankenhausreform wird der Ländliche Raum nun einmal mehr massiv bei der medizinischen Versorgung benachteiligt. Die Kassenärztliche Vereinigung muss ihren Versorgungsauftrag auch für den Ländlichen Raum ernst nehmen. Mit der geplanten Schließung weiterer Notfallpraxen wird dieser in Frage gestellt. Die Belastungsgrenze ist erreicht. Ich fordere daher meinen Kollegen Manfred Lucha auf, die Aufsicht über die KVBW entsprechend wahrzunehmen und die KVBW dazu anzuhalten, die Standorte der Notfallpraxen aufrecht zu erhalten“, erklärt Hauk.
Und, so legt der Minister nach: „Wenn der Versorgungsaufrag in der Obliegenheit einer Körperschaft zu massiven Benachteiligungen des Ländlichen Raumes führt, stellt sich für mich die Frage, ob dieser nicht doch besser beim Land selbst aufgehoben wäre. Die KVBW muss ihre Versorgungspflichten für den Ländlichen Raum erfüllen.“
Diese Standorte sind nach dpa-Informationen betroffen:
Achern
Albstadt
Backnang
Bad Saulgau
Brackenheim
Calw
Eberbach
Ellwangen
Ettlingen
Herrenberg
Kirchheim unter Teck
Müllheim
Münsingen
Neuenbürg
Oberndorf
Schwetzingen
Wolfach
Hoher Druck auf Klinik-Notaufnahmen befürchtet
Acht Praxen hat die KVBW bereits in diesem Jahr dauerhaft geschlossen. Nun geht es um weitere 17 Standorte in Baden-Württemberg. Dazu sollen auch die Notfallpraxen in Neuenbürg und Calw zählen, wie die Pforzheimer Zeitung/PZ-news.de berichtet. Durch die drohende Schließung der Neuenbürger Notfallpraxis würde der Standort im westlichen Enzkreis wegbrechen. Die Patienten müssten deshalb zur Notfallpraxis im Siloah St. Trudpert Klinikum nach Pforzheim. Dort könnte es zu noch längeren Wartezeiten kommen. Auch das Helios Klinikum Pforzheim beobachtet seit der Verkürzung der Notfallpraxis-Öffnungszeiten eine deutliche Zunahme weniger dringlicher Erkrankungen.
Der Calwer Landrat Helmut Riegger und sein Böblinger Kollege Roland Bernhard wollen diese Pläne nicht hinnehmen – im Kreis Böblingen ist Herrenberg von einer Schließung betroffen. „Gerade in einem ländlich geprägten Flächenlandkreis brauchen wir weiterhin zwei funktionierende Notfallstandorte. Damit eine umfassende ambulante sowie stationäre Versorgung sichergestellt bleibt“, so Riegger. pm/PZ/tok
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