Wenn man plötzlich Angehörige pflegen und umsorgen will, steht man erst einmal vor einem Berg an Problemen. Professionelle Beratung tut Not, denn zu leicht übersieht man Fördermöglichkeiten oder Erleichterungen im Pflegealltag. Und am Ende kann die Pflege auch sehr belastend für den Pflegenden sein. Foto: Firma V/stock.adobe.com

Infos zur häuslichen Pflege: Für Entlastung im Pflegealltag sorgen und Auszeiten organisieren

So lange es geht zu Hause gepflegt zu werden – diesen Wunsch haben viele Menschen, die auf Pflege angewiesen sind. Damit häusliche Pflege für alle Beteiligten gut organisiert und auf Dauer sichergestellt werden kann, stehen zahlreiche Unterstützungs- und Entlastungsangebote zur Verfügung. Sie zu kennen und sinnvoll einzusetzen, ist angesichts der Vielzahl von Regelungen, Kombinationsmöglichkeiten und Antragsverfahren nicht immer einfach.

Für Orientierung und Begleitung sorgt zum Beispiel eine professionelle Pflegeberatung. Wie Pflege zu Hause auf lange Sicht gelingen kann, dazu informierten Berater der Pflegeberatung compass die Vital-Region-Leser in der Telefonaktion SPRECHZEIT. Lesen Sie hier eine Auswahl wichtiger Fragen und Antworten.

Was ist der Unterschied zwischen Pflegegeld und Pflegesachleistungen?

Tina Land: Beides sind Leistungen zur Sicherstellung der ambulanten Versorgung. Pflegegeld erhalten Sie, wenn Sie mindestens Pflegegrad 2 haben und in häuslicher Umgebung gepflegt werden. Dabei ist es unerheblich, ob Sie durch Angehörige, sonstige ehrenamtliche Personen, erwerbsmäßige Pflegekräfte oder durch eine angestellte Pflegeperson versorgt werden. Entscheidend ist, dass Sie damit die Pflege in geeigneter Weise selbst sicherstellen. Wie Sie das Pflegegeld einsetzen, können Sie selbst entscheiden. Pflegesachleistungen sind im Unterschied dazu zweckgebunden. In den meisten Fällen handelt es sich hierbei um Leistungen eines Pflegedienstes.

Die Höhe der jeweiligen Beträge, die Sie als Pflegegeld oder als Pflegesachleistung erhalten, hängt von Ihrem Pflegegrad ab. Es ist auch möglich, Pflegegeld und Pflegesachleistungen miteinander zu kombinieren.

Wofür kann ich den Entlastungsbetrag einsetzen? Und wie beantrage ich ihn?

Claudia Ssymmank: Alle Pflegebedürftigen mit Pflegegrad 1 bis 5 können den Entlastungsbetrag in Höhe von 125 Euro monatlich nutzen. Er muss nicht extra beantragt werden, ist aber zweckgebunden und darf nur eingesetzt werden, um pflegende Angehörige oder vergleichbar Nahestehende zu entlasten beziehungsweise um Ihre eigene Selbstständigkeit und Selbstbestimmtheit zu fördern. Der Entlastungsbetrag kann beispielsweise für die Begleitung zu Freizeitangeboten, die Betreuung zuhause durch eine dritte Person oder für haushaltsnahe Dienstleistungen eingesetzt werden. Dazu zählen zum Beispiel eine hauswirtschaftliche Unterstützung, Begleitung beim Einkaufen, bei Behördengängen oder Arztbesuchen. Klären Sie vorab mit Ihrer Pflegekasse oder -versicherung, ob Sie den Entlastungsbetrag für eine gewünschte Leistung einsetzen können.

Nicht genutzte Beträge können über einen längeren Zeitraum angespart und zum Beispiel für eine Verhinderungspflege genutzt werden.

Mein Vater benötigt weniger Pflege, als vielmehr Unterstützung im Alltag, etwa für Arztbesuche. Der Entlastungsbetrag reicht dafür nicht. Gibt es andere Möglichkeiten?

Alexander Hirsch: Sie können bis zu 40 Prozent des Pflegesachleistungsanspruchs für anerkannte Angebote zur Unterstützung im Alltag nutzen. Dies nennt sich Umwandlungsanspruch. Den Umwandlungsanspruch können alle Personen mit den Pflegegraden 2 bis 5 in Anspruch nehmen. Unterstützungsangebote finden Sie zum Beispiel in der Pflegesuche auf pflegeberatung.de.

Für meine Mutter werden wir in absehbarer Zeit ein Pflegebett benötigen. Wo und wie können wir einen Antrag stellen?

Tina Land: Ein Pflegebett gehört zu den sogenannten Pflegehilfsmitteln. Das sind Geräte und Sachmittel, die die häusliche Pflege erleichtern und Selbstständigkeit verbessern. Die Versorgung soll zudem zur physischen und psychischen Entlastung von Angehörigen oder anderen Pflegepersonen beitragen und eine würdevolle Pflege ermöglichen. Den Antrag auf Pflegehilfsmittel stellen Sie – wie bei Zuschüssen zu wohnumfeldverbessernden Maßnahmen – bei Ihrer Pflegekasse beziehungsweise Pflegeversicherung.

Ich pflege meine Mutter zu Hause, schaffe aber nicht alles. Kann ich zusätzlich Unterstützung von einem Pflegedienst bekommen?

Alexander Hirsch: Liegt bei Ihrer Mutter bereits mindestens Pflegegrad 2 vor, ist das möglich. Für eine auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmte Pflege können Sie bestimmte Leistungen kombinieren. Das gilt etwa für die Pflegesachleistungen und das Pflegegeld. Die Pflege wird dann zum Teil von Ihnen, zum Teil von beispielsweise einem ambulanten Pflegedienst erbracht. Eine solche Lösung kann zum Beispiel Pflegende entlasten, die berufstätig sind oder wenn besondere pflegerische Leistungen erforderlich sind.

Nach einer Operation kann mein Vater nicht sofort nach Hause zurückkommen, da wir die Pflege nicht sicherstellen können. Können wir Übergangspflege oder Kurzzeitpflege nutzen?

Katja Frost: Zunächst ist es wichtig zu wissen, dass die Übergangspflege eine Leistung der Krankenversicherung und die Kurzzeitpflege eine Leistung der Pflegeversicherung ist. Die Übergangspflege greift, wenn keine Pflegebedürftigkeit wie im Gesetz definiert vorliegt oder eine pflegebedürftige Person bisher nur Pflegegrad 1 hat, denn dann besteht noch kein Anspruch auf die Kurzzeitpflege. Übergangspflege ist eine vorübergehende Pflege für Menschen, die aufgrund einer Krankheit, eines Unfalls oder einer Operation kurzzeitig Unterstützung benötigen, die nicht zu Hause erbracht werden kann.

Die Leistungen der Kurzzeitpflege kann man bei der Pflegeversicherung beantragen, wenn die pflegebedürftige Person mindestens Pflegegrad 2 hat. Treten Sie am besten schnellstmöglich in Kontakt mit der Versicherung oder der Pflegekasse Ihres Vaters.

Ich fühle mich nach zwei Jahren Dauerpflege ziemlich ausgelaugt. Wie komme ich wieder zu Kräften?

Claudia Ssymmank:Wichtig ist, dass Sie langfristig Entlastung in Ihren Pflegealltag einbauen. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten, zum Beispiel die Einbindung eines Pflegedienstes für verschiedene Tätigkeiten oder zusätzliche Unterstützung bei alltäglichen Aufgaben über den Entlastungsbetrag. Mithilfe der Verhinderungs- und Kurzzeitpflege können Sie zudem Auszeiten für sich selbst organisieren, sei es für einen Urlaub oder eine Reha. Welche Maßnahmen für Ihre individuelle Situation infrage kommen, kann im Rahmen einer Pflegeberatung erörtert werden.

Ich möchte meinen Vater möglichst lange zu Hause pflegen, fühle mich aber dafür nicht ausreichend qualifiziert. Gibt es Fortbildungen?

Katja Frost: Es gibt verschiedene Anbieter für Pflegeschulungen in der Häuslichkeit, Pflegekurse an einem Schulungsort in häuslicher Nähe oder im Internet. Die Inhalte der Pflegekurse variieren leicht, in der Regel behandeln sie sowohl Lerninhalte zur praktischen Pflegetätigkeit wie auch zu Prophylaxen und Umgangsweisen mit dementen Menschen. Für die Pflegeperson ist ein solcher Kurs kostenfrei. Die Kosten trägt in der Regel bei Privatversicherten die Pflegeversicherung und bei gesetzlich Versicherten die Pflegekasse der pflegebedürftigen Person. compass bietet Ratsuchenden zudem die Möglichkeit, ihr Pflegewissen über Online-Pflegekurse zu vertiefen.

Ich werde die Pflege meiner Mutter nicht mit meiner Berufstätigkeit vereinbaren können. Welche Möglichkeiten habe ich, sie dennoch zu pflegen?

Alexander Hirsch: Sie haben unter Umständen die Möglichkeit, sich eine Auszeit vom Job zu nehmen. Dafür gibt es die Pflegezeit und Familienpflegezeit. Sie sind dazu gedacht, die Pflege eines Angehörigen zu organisieren oder sich für einen längeren Zeitraum um die Pflege zu kümmern. Möglich sind hierbei verschiedene Modelle von einer Reduzierung der Arbeitszeit bis hin zu einer völligen Freistellung für bis zu sechs Monaten. Um den Verdienstausfall abzufedern, können Sie ein zinsloses Darlehen beim Bundesamt für Familien beantragen. Außerdem gilt für Sie in dieser Zeit ein besonderer Kündigungsschutz.

Welche Möglichkeit für Ihre Situation die geeignete ist, besprechen Sie am besten im Rahmen einer individuellen Pflegeberatung bevor Sie in die Abstimmung mit Ihrem Arbeitgeber gehen.

Ich fühle mich überfordert, die vielen Dinge zu regeln, die für die Pflege zu Hause notwendig sind. Kann ich dafür Unterstützung bekommen?

Claudia Ssymmank: Ja. Pflegeberaterinnen und -berater helfen Ihnen kostenfrei und unabhängig dabei, Ihre Pflegesituation zu organisieren, sich in der Pflegelandschaft zu orientieren oder sich auf die Pflege vorzubereiten. Im Gespräch mit Ihnen ergründen sie Ihren Unterstützungsbedarf, beantworten Ihre Fragen und zeigen Ihnen Ihre individuellen Möglichkeiten auf. Dazu gehört auch die Erstellung eines Versorgungsplanes und – sofern Sie dies wünschen und benötigen – eine langfristige Begleitung.

Gesetzlich Versicherte können sich an den nächsten Pflegestützpunkt wenden, für alle privat Versicherten ist die compass pflegeberatung zuständig.

Ich habe keine Angehörigen, die mich pflegen können – wie kann ich trotzdem zu Hause wohnen bleiben?

Tina Land: Wo Sie leben möchten, ist Ihre eigene Entscheidung. In den meisten Fällen lässt sich die Pflege in den eigenen vier Wänden sehr gut realisieren: durch Pflegedienste, Angebote zur Unterstützung im Alltag, ein Netzwerk aus Freunden und Nachbarn oder sogar eine Haushaltshilfe, die bei Ihnen wohnt. In der Pflegeversicherung sind sehr viele Leistungen für die ambulante Versorgung vorgesehen. Unter Umständen ist sogar eine Intensivversorgung zu Hause möglich.

Solange Ihre Versorgung gewährleistet ist und Sie sich wohlfühlen, können Sie zu Hause wohnen zu bleiben. Wenn es für Sie zu Hause nicht mehr alleine geht, besteht neben dem Umzug ins Pflegeheim außerdem auch die Option, eine Wohngruppe, ein Mehrgenerationenhaus oder eine andere alternative Wohnform zu beziehen.

Für die Pflege meines Vaters wären ein Umbau des Bads und ein Treppenlift erforderlich. Alleine kann ich das finanziell jedoch nicht stemmen.

Katja Frost: Wenn Sie aufgrund einer Pflegebedürftigkeit eine Wohnung umbauen müssen, können Sie dafür bei der Pflegeversicherung einen Zuschuss von bis zu 4000 Euro beantragen. Um diesen zu erhalten, holen Sie sich zunächst einen Kostenvoranschlag bei dem Unternehmen ein, das den Umbau durchführen soll. Reichen Sie diesen Kostenvoranschlag dann bei der Pflegeversicherung ein, bevor Sie die Arbeiten beauftragen.

Grundsätzlich haben alle Versicherten mit den Pflegegraden 1 bis 5 Anspruch auf eine finanzielle Unterstützung für Umbaumaßnahmen. Den Bedarf prüft zuvor der zuständige medizinische Dienst oder Medicproof bei privat Versicherten individuell für ihre Situation. Wir empfehlen außerdem immer, sich an eine Pflegeberatung zu wenden, um sich individuell zur eigenen Pflegesituation beraten zu lassen.

Informationen zur Pflege für privat und gesetzlich Krankenversicherte

Alle in Deutschland Krankenversicherten haben einen gesetzlichen Anspruch auf eine unabhängige Beratung zu allen Fragen rund um das Thema Pflege. Die compass private pflegeversicherung sichert als Tochterunternehmen des Verbands der Privaten Krankenversicherung diesen gesetzlichen Pflegeberatungsanspruch für alle Privatversicherten – telefonisch, per Videogespräch und vor Ort. Zudem bietet compass Pflegeberatung für Angehörige und vorsorglich Interessierte an. Gesetzlich Krankenversicherten steht die kostenfreie telefonische Beratung offen, auf Wunsch anonym.

Telefonische Beratung unter der kostenfreien Rufnummer 0800-1018800
(Mo. – Fr. von 8 bis 19 Uhr, Sa. von 10 – 16 Uhr)

Weitere Informationen unter www.compass-pflegeberatung.de