
Sexuell übertragbare Infektionen (STI) feiern ein Comeback – allen voran Tripper, medizinisch Gonorrhö genannt. Die zunehmende Antibiotikaresistenz erschwert die Heilung der Geschlechtskrankheit. Foto: uladzimirzuyeu/stock.adobe.com
Gonorrhö-Risiko bei Urlaubsflirts: Das Comeback des Trippers und was man dagegen tun kann
Sommer, Sonne, Strand – und spontane Urlaubsromanzen. Ob auf Ibiza oder beim Festival in Wacken: Der Sommer ist Hochsaison für Flirts – und manchmal auch mehr. Dass die Sommerflirts noch lange nicht vorbei sind, liegt jetzt an den älteren, nicht mehr an Schulferien gebundenen Singles, die erst im September in den Urlaub starten und ebenfalls Spaß haben wollen. Was viele dabei vergessen: Sexuell übertragbare Infektionen (STI) feiern mit.
So erlebt der Tripper, medizinisch Gonorrhö genannt, gerade ein Comeback, insbesondere in Großbritannien. Und deshalb wurde auf der Insel im August erstmals eine Impfkampagne gegen Tripper gestartet. In Deutschland ist man noch nicht so weit.
Im Helios-Interview auf Vital-Region.de klärt Dr. med. Martin Zaum, Facharzt für Urologie, im Helios Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) für Gesundheit in Krefeld, über aktuelle Entwicklungen und Risikofaktoren auf und verweist darauf, wie man sich schützen kann.
Info
Helios gehört zum Gesundheitskonzern Fresenius und ist Europas führender privater Gesundheitsdienstleister mit rund 128.000 Mitarbeitenden. In Deutschland verfügt Helios über mehr als 80 Kliniken, rund 220 Medizinische Versorgungszentren (MVZ) mit etwa 570 kassenärztlichen Sitzen, 6 Präventionszentren und 27 arbeitsmedizinische Zentren.
Warum rückt Tripper plötzlich wieder so stark in den Fokus?
Dr. Martin Zaum: Weil die Zahlen schon seit Jahren steigen. In Großbritannien wurde 2023 ein historischer Höchststand von über 85.000 Fällen diagnostiziert. Auch in Deutschland beobachten wir eine Zunahme – insbesondere bei jungen Erwachsenen zwischen 20 und 24 Jahren und Menschen mit häufig wechselnden Sexualpartnern. Das Problem ist: Tripper wird oft nicht erkannt, verläuft teilweise ohne Symptome, ist aber hochansteckend.
Im Sommer reisen, feiern und flirten viele junge Menschen. Ist das ein Risiko?
Zaum: Ja. In entspannter Urlaubsstimmung – gerade in beliebten Sommer-Party-Hotspots wie Ibiza, Mallorca und auf Festivals – kommt es einfach öfter zu spontanen sexuellen Kontakten ohne ausreichenden Schutz. Alkohol und Drogen verschärfen das Risiko für sexuell übertragbare Infektionen zusätzlich.
Wie äußert sich Tripper und warum ist die Erkrankung so tückisch?
Zaum: Gonorrhö wird durch das Bakterium Neisseria gonorrhoeae ausgelöst und befällt die Schleimhäute – meist im Genitalbereich, aber auch im Rachen oder After. Männer entwickeln häufig eine Harnröhrenentzündung. Frauen bemerken manchmal vermehrten Ausfluss oder Unterleibsschmerzen – viele bleiben aber symptomlos, was die Erkrankung besonders heimtückisch macht. Wer keine Beschwerden hat, geht nicht zum Arzt – und steckt unwissentlich andere an.

Wie erleben Sie Tripper in Ihrer Praxis?
Zaum: Wenn Beschwerden auftreten, kommen Männer mit typischen Symptomen wie einer Rötung und Schwellung an der Harnröhrenmündung mit Schmerzen und Brennen beim Wasserlassen oder eitrigem Ausfluss. Was viele nicht wissen: Eine unbehandelte Gonorrhö kann langfristige Schäden verursachen – etwa Entzündungen der Prostata, Nebenhoden oder auch Unfruchtbarkeit. Wir sehen auch komplizierte Verläufe, weil die Erstbehandlung nicht mehr wirkt. Die zunehmende Antibiotikaresistenz ist ein echtes Problem.
Was bedeutet der neue Wirkstoff gegen Tripper für die Behandlung?
Zaum: Gepotidacin steht ein neuer, vielversprechender Wirkstoff vor der Markteinführung in Europa. Er wirkt laut Studien gezielt gegen Gonokokken und könnte ein wichtiger Baustein sein, um resistenzbedingte Therapieversagen zu vermeiden. Vor allem oral verabreicht und bei unkomplizierten Fällen effektiv – das wäre ein echter Fortschritt. Aber wir dürfen uns darauf nicht ausruhen. Die Prävention bleibt entscheidend.
England startet eine Impfkampagne – ist das aus Ihrer Sicht sinnvoll?
Zaum: Das ist ein wichtiger Schritt. Großbritannien setzt auf den Meningokokken-B-Impfstoff „Bexsero“, der ursprünglich gegen Hirnhautentzündung entwickelt wurde und offenbar auch einen gewissen Schutz gegen Tripper bietet – rund 30 bis 40 %. Das ist zwar kein perfekter Schutz, aber jede Maßnahme zur Eindämmung ist wichtig.
Gibt es in Deutschland Pläne für so eine Kampagne?
Zaum: Noch nicht. In Deutschland wird „Bexsero“ von der Ständigen Impfkommission (STIKO) derzeit nur für bestimmte Risikogruppen empfohlen, etwa für Menschen mit Immunschwäche. Aber das Thema wird in Fachkreisen intensiv diskutiert. Wenn die Daten aus England positiv ausfallen, wäre das sicher ein Impuls, auch hier über eine Impfstrategie nachzudenken – zumindest für besonders gefährdete Gruppen wie Menschen mit wechselnden Sexualpartnern.
Was raten Sie Menschen, die miteinander Spaß haben wollen?
Zaum: Erstens: Kondome nutzen – auch bei Oralverkehr, auch im Urlaub. Zweitens: Wenn man wechselnde Partner hat, regelmäßig auf STI testen lassen – das geht mittlerweile sehr diskret. Und drittens: Wer den Verdacht auf eine Infektion hat, sollte nicht zögern, ärztlichen Rat einzuholen. Tests auf Tripper und andere STI sind heute unkompliziert möglich – in Hausarztpraxen, beim Urologen oder Gynäkologen, in dermatologischen Praxen mit Schwerpunkt Venerologie, in Gesundheitsämtern sowie bei spezialisierten Checkpoints für sexuelle Gesundheit. Auch einige Apotheken und Labore bieten inzwischen anonymisierte Selbsttests an.
Ihr Fazit für das Flirten in den Sommermonaten?
Zaum: Den Sommer genießen, aber den Kopf beim Flirten nicht verlieren. STI sind vermeidbar, wenn wir uns selbst und andere schützen. Ein Test nach dem Urlaub ist keine Schande, sondern Verantwortung. pm
Unterschiedliche Symptome, unterschiedliche Folgen
Eine Geschlechtskrankheit, zwei Geschlechter und jede Menge Unterschiede bei den Tripper-Symptomen und Gonorrhö-Auswirkungen bei Männern und Frauen. Eines haben beide allerdings gemeinsam: das Risiko einer systemischen Gonokokken-Infektion (Blutvergiftung, Gelenkentzündungen), was allerdings selten ist. Und: Beide Geschlechter können Infektionen im Rachen (nach Oralverkehr) oder im Enddarm (nach Analverkehr) aufweisen, diese sind aber oft ohne Beschwerden. Infektionen erhöhen bei Mann und Frau das Risiko einer HIV-Übertragung.
Bei Männern äußert sich Gonorrhö meist auffällig, etwa mit einem Brennen beim Wasserlassen, eitrigem Ausfluss („Bonjour-Tropfen“), einer Rötung und Schwellung der Harnröhrenmündung oder Schmerzen im Hodenbereich. Unbehandelt kann sich die Infektion auf Nebenhoden und Prostata ausbreiten. Entzündungen und Verengungen der Harnröhre oder Unfruchtbarkeit durch eine Nebenhodenentzündung sind möglich.
Frauen erleben die Infektion häufiger symptomlos oder haben unspezifische Beschwerden (vermehrter Ausfluss, Zwischenblutungen, Unterleibsschmerzen). Dadurch wird die Infektion oft erst spät erkannt. Im fortgeschrittenen Stadium kann eine Beckenentzündung (Pelvic Inflammatory Disease, PID) entstehen. Infizierte Frauen leben mit einem erhöhten Risiko für Eileiterschwangerschaften, Unfruchtbarkeit und chronischen Unterleibsschmerzen.
Historisches zum Tripper
Name mit Missverständnis: Der Begriff „Tripper“ kommt nicht etwa von „Reisen“ – er leitet sich vom mittelhochdeutschen trīpen ab, was so viel wie „tropfen“ bedeutet. Gemeint war der eitrige Ausfluss, den die Erkrankung bei Männern verursacht.
Prominente Leidtragende: Es wird vermutet, dass berühmte Persönlichkeiten wie der Schriftsteller James Joyce oder auch einige europäische Herrscher an Tripper litten – damals eine fast schon „normale“ Begleiterscheinung von Liebesabenteuern.
Kuriose Therapien: Bevor es Antibiotika gab, behandelte man Gonorrhö mit fragwürdigen Methoden – etwa mit Quecksilber, Silbernitrat oder sogar durch Einträufeln von starkem Rotwein in die Harnröhre. Diese Methoden waren meist schmerzhaft und wirkungslos.
Ein „alter Bekannter“: Bereits in Schriften aus dem alten China (ca. 2600 v. Chr.) und im alten Ägypten gibt es Hinweise auf Erkrankungen, die stark an Gonorrhö erinnern. Die Menschheit kämpft also seit Jahrtausenden mit dieser Infektion.
Resistenz-Gefahr: Tripper ist nicht nur alt, sondern heute eine der größten Sorgen moderner Infektionsmedizin – denn die Bakterien entwickeln immer häufiger Resistenzen gegen Antibiotika. In Fachkreisen spricht man bereits von „Super-Gonorrhö“.
FAQ zu Gonorrhö (Tripper)
Was ist Gonorrhö?
Gonorrhö, umgangssprachlich „Tripper“ genannt, ist eine sexuell übertragbare Infektion (STI), die durch das Bakterium Neisseria gonorrhoeae verursacht wird. Sie zählt weltweit zu den häufigsten Geschlechtskrankheiten und betrifft sowohl Männer als auch Frauen.
Wie wird Gonorrhö übertragen?
- Sexuelle Kontakte: ungeschützter Vaginal-, Anal- oder Oralverkehr.
- Kontaktinfektion: sehr selten über gemeinsam genutzte Sexspielzeuge ohne Reinigung.
- Übertragung bei der Geburt: infizierte Mütter können die Bakterien auf ihr Neugeborenes übertragen, was zu Augeninfektionen führen kann.
Wie wird Gonorrhö diagnostiziert?
- Abstriche aus Harnröhre, Zervix, Rachen oder Rektum.
- Urinuntersuchung: PCR-Tests sind sehr zuverlässig.
Wie wird Gonorrhö behandelt?
- Antibiotika: Standardtherapie ist eine Kombinationstherapie (z. B. Ceftriaxon plus Azithromycin oder Doxycyclin).
- Resistenzen: Weltweit nehmen die Resistenzen zu, weshalb die Therapieempfehlungen regelmäßig angepasst werden.
- Kontrolle: Nachbehandlung und ggf. erneute Tests sind wichtig, um eine Ausheilung sicherzustellen.
Gibt es eine Meldepflicht?
- In Deutschland: Gonorrhö ist labormeldepflichtig nach Infektionsschutzgesetz (IfSG). Das heißt, Labore müssen den Nachweis von Neisseria gonorrhoeae anonymisiert an das Gesundheitsamt melden.
- International: In vielen Ländern gilt eine ähnliche Meldepflicht, da die Erfassung für die Resistenzüberwachung zentral ist.
Wie kann man sich schützen?
- Kondome: sicherster Schutz bei Vaginal-, Anal- und Oralverkehr.
- Regelmäßige Tests: besonders wichtig für Menschen mit häufig wechselnden Sexualpartnern.
- Monogame Beziehungen: verringern das Infektionsrisiko erheblich.
Ist Gonorrhö heilbar?
Ja, wenn sie rechtzeitig erkannt und mit den empfohlenen Antibiotika behandelt wird. Wichtig ist, dass auch die Sexualpartner mitbehandelt werden, um Reinfektionen zu verhindern. tok