
Das Gehirn macht nur 2 Prozent des Körpergewichts aus, verbraucht aber rund 20 Prozent der Energie. Eine Studie der Rush University in Chicago fand heraus, dass Menschen, die regelmäßig grünes Blattgemüse, Beeren, Nüsse und Vollkornprodukte essen, im Alter ein wesentlich geringeres Risiko haben, an Alzheimer zu erkranken. Foto: Roovi/stock.adobe.com
Frisch essen, klar denken: Demenz vorbeugen mit Messer, Gabel und mediterraner Kost
Das Gehirn ist ein Hochleistungsorgan – es verbrennt ununterbrochen Energie, braucht Sauerstoff, Glukose, Fette, Vitamine und Spurenelemente, um klar denken zu können. Doch je älter wir werden, desto stärker nagt der Zahn der Zeit auch an unseren grauen Zellen. Aber: Mit der richtigen Ernährung lässt sich erstaunlich viel dagegen tun. Immer mehr Studien zeigen, dass das Risiko für Alzheimer und andere Formen von Demenz durch bestimmte Ernährungsgewohnheiten deutlich sinken kann.
Gemüse statt Gedächtnislücke
Die Forschung ist sich einig: Wer sich frisch, pflanzenbetont und ausgewogen ernährt, schützt nicht nur Herz und Kreislauf, sondern auch das Gehirn. Eine groß angelegte Studie der Rush University in Chicago fand heraus, dass Menschen, die regelmäßig grünes Blattgemüse, Beeren, Nüsse und Vollkornprodukte essen, im Alter ein wesentlich geringeres Risiko haben, an Alzheimer zu erkranken.
Das Prinzip ist einfach: Die mediterrane Kost – viel Gemüse, Olivenöl, Hülsenfrüchte, Fisch, Vollkorn – versorgt das Gehirn mit allen Nährstoffen, die es braucht. Das bestätigt auch Jörg Blech, Autor des Buches „Masterplan Gesundheit“: „Was gut für Herz und Gefäße ist, kommt immer auch dem Gehirn zugute. Die mediterrane Ernährung ist so etwas wie das natürliche Anti-Aging-Programm der Evolution.“
Selbst Kaffee senkt Demenz-Risiken
Das einst sündhafte Koffein scheint inzwischen fast schon einen Heiligenschein bekommen zu haben. Immer mehr positive gesundheitliche Aspekte werden entdeckt. Kaffee ist offenbar förderlich für unser Gehirn und kann scheinbar unser Risiko für Krankheiten wie Demenz oder Alzheimer mindern. Eine aktuelle Studie aus China zielte darauf ab, Zusammenhänge zwischen dem Konsum verschiedener Kaffeesorten (zuckergesüßt, künstlich gesüßt, ungesüßt, koffeinhaltig und entkoffeiniert) und dem Risiko für Alzheimer, verwandten Demenzerkrankungen (ADRD) und Morbus Parkinson (PD) sowie der damit verbundenen Sterblichkeit zu ermitteln.
Die Erkenntnis aus der Studie: Wer regelmäßig ungesüßten, koffeinhaltigen Kaffee trinkt, hat ein geringeres Risiko, an oben genannten Erkrankungen leiden zu müssen. Für entkoffeinierten oder gesüßten Kaffee ließ sich dieser Zusammenhang hingegen nicht feststellen. Aber: Drei bis vier Tassen am Tag sind genug. Am Vormittag ist er am gesündesten.
Brainfood – aber bitte ohne Pillen
Während sich manche Hersteller mit angeblichen „Gehirnkapseln“ eine goldene Nase verdienen, zeigt die Wissenschaft klare Grenzen solcher Versprechen. Eine Studie im Fachblatt JAMA Network Open belegte, dass Nahrungsergänzungsmittel mit Spermidin – einem Stoff, der kognitive Funktionen verbessern soll – keinerlei messbaren Effekt haben. Ähnlich sieht es mit Fischölkapseln aus: Omega-3-Fettsäuren sind wichtig für die Nervenzellen, doch wer regelmäßig Fisch isst oder pflanzliche Öle nutzt, ist bestens versorgt. Kurz gesagt: Der kluge Kopf isst lieber Lachs als Pillen.
Und was ist mit der Gehirn-Optimierung per Neuroenhancement? Forschungen zeigen, dass Substanzen wie Methylphenidat (bekannt aus der ADHS-Therapie) oder Modafinil (ein Mittel gegen Narkolepsie) durchaus die Aufmerksamkeit und Ausdauer steigern können. In den USA und Europa nutzen vor allem Studierende und junge Berufstätige diese Mittel, oft ohne medizinische Indikation. Aber: Die Wirkung ist individuell sehr unterschiedlich, Wundermittel sind sie keineswegs. Nahrungsergänzungsmittel, die mit „Smart“-Versprechen werben – von Ginkgo über Vitaminpräparate bis Omega-3 – haben wissenschaftlich betrachtet kaum belegbare Effekte. Die Datenlage bei Smart Drugs ist dünn, ein klarer Leistungsboost wissenschaftlich nicht bewiesen.
Gut zu wissen, dass…
Das Gehirn macht nur 2 Prozent des Körpergewichts aus – verbraucht aber rund 20 Prozent der Energie.
Brokkoli, Spinat und Rote Bete gelten als echte „Neuronen-Booster“ dank ihres Folsäure-Gehalts.
Kaffee (in Maßen!) verbessert die Durchblutung des Gehirns und kann die Konzentration steigern.
Schon ein leichter Magnesiummangel kann die Gedächtnisleistung senken.
Die Darmflora wiegt rund 1,5 Kilogramm – und beeinflusst über 100 Neurotransmitter.
Zucker, Fett und der stille Angriff auf die Synapsen
Das größte Risiko lauert heute nicht im Mangel, sondern im Überfluss. Fertiggerichte, Snacks, gezuckerte Getränke und Fast Food verändern das Gehirn – und zwar messbar. Forschende des Max-Planck-Instituts für Stoffwechselforschung in Köln zeigten, dass eine zucker- und fettreiche Kost die Belohnungssysteme im Gehirn umprogrammiert. Der Appetit steigt, selbst wenn man eigentlich satt ist. „Bei Adipositas kommt es, ausgelöst meist durch Überernährung, zu einer Gewichtszunahme und zu Stoffwechselveränderungen wie einer Insulinresistenz. In der Folge kann das Gehirn Signale, die der Körper aussendet, oft nicht mehr richtig interpretieren: Betroffene essen dann beispielsweise zu viel, obwohl der Körper bereits genug Energie hat, da das Gehirn weiterhin ein Hungersignal sendet“, erklärt Dr. Ruth Hanßen, Fachärztin für Innere Medizin und Endokrinologie an der Uniklinik Köln und Leiterin der Arbeitsgruppe Translationale Stoffwechselforschung.
„Es ist wichtig, auch die gestörte Kommunikation zwischen Körper und Gehirn immer einzubeziehen, damit eine ganzheitliche, individuelle Therapie erfolgen kann“, betont Professor Dr. med. Jens C. Brüning, Kongresspräsident 2025 und Direktor der Poliklinik für Endokrinologie, Diabetologie und Präventivmedizin an der Uniklinik Köln. Bei ständiger Überernährung leidet die Durchblutung des Gehirns, das Volumen der grauen Substanz nimmt ab, und mit der Zeit steigen Entzündungswerte. Das Risiko für Demenz wächst – ein Teufelskreis aus Essen, Trägheit und schleichendem Abbau.
Der Darm denkt mit
„Gesund beginnt im Bauch“, sagt die Neurowissenschaftlerin Veronica Witte aus Leipzig. Tatsächlich kommunizieren Darm und Gehirn permanent miteinander – über Nervenbahnen, Botenstoffe und sogar Bakterien. Eine Interventionsstudie unter Leitung der Universitätsmedizin Leipzig deutet darauf hin, dass diätetische Präbiotika hochdosiert zu einer Reduktion der belohnungsbezogenen Hirnaktivierung als Reaktion auf hochkalorische Nahrungsmittelreize führen können. „Die Ergebnisse lassen auf eine potenzielle Verbindung zwischen Darmgesundheit und Gehirnfunktion schließen, in diesem Fall die Essentscheidung“, sagt PD Dr. Veronica Witte, Co-Autorin der Studie und Wissenschaftlerin der Universitätsmedizin Leipzig.
Wenn die Darmflora aus dem Gleichgewicht gerät, kann das auch die Denkzentrale beeinträchtigen. Ballaststoffe aus Gemüse und Vollkorn fördern nützliche Bakterien, die kurzkettige Fettsäuren produzieren – kleine Moleküle mit großer Wirkung, die Entzündungen hemmen und Nervenzellen schützen. Eine Leipziger Studie zeigte: Schon nach zwei Wochen ballaststoffreicher Ernährung reagierten die Belohnungszentren im Gehirn weniger stark auf Junkfood-Bilder. Anders gesagt: Der Heißhunger schwindet, die Kontrolle kehrt zurück.
„Säulen der Gehirngesundheit“
Aber wie fördern wir die Gehirngesundheit, wie bremsen wir den Verfall aus? In den USA wurde eigens das „Brain Health Network“ (Netzwerk für Gehingesundheit) entwickelt, da man bereits vor einiger Zeit die „Brain Health“ als wichtiges Gesundheitsthema für die Gesellschaft erkannt hat. Es wurden inzwischen „Säulen der Gehirngesundheit“ identifiziert, die gerade das Demenzrisiko deutlich beeinflussen und gleichzeitig gut modifizierbar sind.
Diese Säulen der Gehirngesundheit umfassen die Gesamtheit einer gesunden Lebensführung von der Geburt bis ins hohe Alter, dazu gehören das Vermeiden oder das Behandeln entsprechender Risikofaktoren (zum Beispiel Nikotin, Bluthochdruck, Übergewicht, Diabetes mellitus) sowie besonders entscheidende Einzelsäulen. Dazu zählen regelmäßige rege geistige Aktivität, körperliche Aktivität, eine gesunde Ernährung, die Darmgesundheit und ein guter Schlaf. Diese Säulen müssen praktisch täglich gepflegt und gestärkt werden, um die Gehirngesundheit zu erhalten. Das bedeutet, in allen Altersgruppen alle schädlichen Einflüsse und Faktoren zu reduzieren.
Demenzprävention beginnt auf dem Teller
Demenz ist kein unausweichliches Schicksal. Wer bewusst isst, kann sein Gehirn jung halten – unabhängig von der genetischen Veranlagung. Eine aktuelle Studie in Nature Medicine zeigte, dass mediterrane Kost selbst bei erblich vorbelasteten Menschen das Alzheimer-Risiko signifikant senkt.
Der Leipziger Forscherin Dorothee Saur zufolge „verändert Übergewicht die weiße Substanz des Gehirns – und zerstört langfristig die Vernetzung der Nervenzellen“. Der Gegenspieler? Eine Ernährung voller Farbe, Vielfalt und frischer Zutaten. Oder, um es alltagstauglich zu sagen: „Mit jedem Teller Gemüse investierst du in deine geistige Zukunft.“
| Kategorie | Positiv für das Gehirn | Negativ für das Gehirn |
| Fette | Omega-3 (Fisch, Leinöl) | Transfette, Frittieröl |
| Kohlenhydrate | Vollkorn, Hülsenfrüchte | Weißmehl, Zucker |
| Eiweiß | Fisch, Tofu, Hülsenfrüchte | Wurst, stark verarbeitete Fleischprodukte |
| Vitamine & Spurenelemente | B-Vitamine, Zink, Eisen, Folsäure | Überdosierte Supplemente ohne Mangel |
| Trinkverhalten | Wasser, grüner Tee | Softdrinks, Alkohol |
| Essverhalten | Bewusstes Kauen, feste Mahlzeiten | Dauer-Snacken, Fast Food |
Wie Bewegung das Demenzrisiko senken kann
Wer regelmäßig Sport treibt, tut nicht nur seinem Körper etwas Gutes, sondern auch seinem Gehirn. Was lange als Bauchgefühl galt, ist inzwischen wissenschaftlich belegt: Bewegung kann das Risiko, an einer Demenz zu erkranken, deutlich senken. Studien zeigen, dass körperlich aktive Menschen seltener an Alzheimer oder anderen Demenzformen leiden – und wenn doch, tritt die Krankheit oft später und milder auf.
Doch warum ist das so? Bewegung bringt buchstäblich den Kopf in Schwung. Wenn Muskeln arbeiten, steigt die Durchblutung, und das Gehirn wird besser mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Gleichzeitig fördert Sport die Ausschüttung sogenannter neurotropher Faktoren – das sind Eiweiße, die Nervenzellen schützen und neues Zellwachstum anregen. Besonders der „brain derived neurotrophic factor“ (BDNF) gilt als Dünger für das Gehirn: Er unterstützt die Bildung neuer Synapsen und hilft, bestehende Verbindungen zu festigen. Regelmäßige Bewegung wirkt also wie ein natürliches Anti-Aging-Programm für die grauen Zellen.
Auch auf das Herz-Kreislauf-System wirkt sich Sport positiv aus – und das ist entscheidend, denn viele Formen von Demenz haben Gefäßursachen. Wer Bluthochdruck, Übergewicht oder Diabetes in den Griff bekommt, entlastet damit indirekt auch sein Gehirn. Selbst moderater Ausdauersport – etwa schnelles Gehen, Radfahren oder Schwimmen – senkt das Risiko deutlich. Eine große Meta-Analyse zeigte: Schon 150 Minuten Bewegung pro Woche können das Demenzrisiko um bis zu 30 Prozent reduzieren.
Bewegung als Stimmungsaufheller
Dabei geht es nicht um sportliche Höchstleistungen. Entscheidend ist die Regelmäßigkeit. Wer dreimal die Woche spazieren geht, tanzt oder Gartenarbeit macht, kann ähnlich profitieren wie jemand, der im Fitnessstudio schwitzt. Hauptsache, der Puls steigt ein wenig und der Körper bleibt in Bewegung.
Ein weiterer Effekt: Bewegung hellt die Stimmung auf. Depressionen gelten als Risikofaktor für Demenz – auch hier hilft körperliche Aktivität, gegenzusteuern. Gleichzeitig stärkt Sport die sozialen Kontakte, etwa beim Walken oder in Sportgruppen. Dieses Miteinander ist für das seelische und geistige Wohl mindestens ebenso wichtig wie die Bewegung selbst.
Bewegung ist die beste Vorsorge, die nichts kostet – außer ein bisschen Zeit und Motivation. Wer also heute aktiv bleibt, investiert in sein Gehirn von morgen. Oder wie es ein Neurologe einmal formulierte: „Jede Trainingseinheit ist ein kleines Geschenk an Ihr zukünftiges Ich.“ tok