Einer der wesentlichsten Faktoren für die Gehirngesundheit ist die mentale Aktivität mit regelmäßigem kognitivem Training. Dazu gehören vor allem soziale Kontakte und Aktivitäten, Interessen und Hobbys. Foto: natali_mis/stock.adobe.com

Wie bleibt unser Gehirn gesund? – Das können Sie jetzt gleich tun

Dass eine ungesunde Lebensweise kardiovaskuläre Erkrankungen und Krebs fördern oder sogar verursachen kann, gilt heute als bekannt – welche extreme Bedeutung aber unser Lifestyle auch auf die Gesundheit unseres Gehirns haben kann, ist eine eher neue Erkenntnis. Aber wie fördern wir die Gehirngesundheit, wie bremsen wir den Verfall aus?

In den USA wurde eigens das „Brain Health Network“ (Netzwerk für Gehingesundheit) entwickelt, da man bereits vor einiger Zeit die „Brain Health“ als wichtiges Gesundheitsthema für die Gesellschaft erkannt hat. Es wurden inzwischen „Säulen der Gehirngesundheit“ identifiziert, die gerade das Demenzrisiko deutlich beeinflussen und gleichzeitig gut modifizierbar sind.

Bald ein Land der Dementen?

Die Gesundheit unseres Gehirns muss nicht zwangsläufig mit dem Älterwerden abnehmen. Dazu ist es jedoch notwendig, das Problem zu erkennen, die Zusammenhänge zu verstehen, darüber zu informieren und ein allgemeines Bewusstsein für dieses Thema zu schaffen – dies ist das Ziel des „Brain Health Network“ in den USA. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) möchte das Konzept der „Brain Health“ in Deutschland ebenfalls in ähnlicher Weise etablieren, denn vor dem Hintergrund des demografischen Wandels nimmt auch die Relevanz der „Brain Health“ zu – für jeden Einzelnen, aber auch für alle Menschen in allen Bereichen.

In einer immer älter werdenden Bevölkerung steigt auch die Zahl altersassoziierter Krankheiten, wie zum Beispiel vaskulärer und Alzheimer-Demenz, aber auch anderer neurodegenerativer Erkrankungen (zum Beispiel M. Parkinson). An Demenz leiden weltweit 50 Millionen Menschen; in Deutschland sind es 1,6 Millionen – im Jahr 2050 könnten es bereits 2,8 Millionen sein. Die Zahlen sind erschreckend, aber: Etwa 40 % aller Demenzerkrankungen könnten verhindert oder verlangsamt werden, wenn die entsprechenden Risikofaktoren angegangen würden.

Gehirngesundheit täglich und umfassend pflegen

Das „Brain Health Network“ definiert die Säulen der Gehirngesundheit. Sie umfassen die Gesamtheit einer gesunden Lebensführung von der Geburt bis ins hohe Alter, dazu gehören das Vermeiden oder das Behandeln entsprechender Risikofaktoren (zum Beispiel Nikotin, Bluthochdruck, Übergewicht, Diabetes mellitus) sowie besonders entscheidende Einzelsäulen, dies sind regelmäßige rege geistige Aktivität, körperliche Aktivität, eine gesunde Ernährung, die Darmgesundheit und ein guter Schlaf.

Diese Säulen müssen praktisch täglich gepflegt und gestärkt werden, um die Gehirngesundheit zu erhalten. Das bedeutet, in allen Altersgruppen alle schädlichen Einflüsse und Faktoren zu reduzieren.

Mentale Aktivität, kognitives Training

Einer der wesentlichsten Faktoren für die Gehirngesundheit ist die mentale Aktivität mit regelmäßigem kognitivem Training. Dazu gehören vor allem soziale Kontakte und Aktivitäten, Interessen und Hobbys (wie auch Museumsbesuche, Kreuzworträtsel, Puzzeln, Erlernen eines Musikinstruments oder von Sprachen).

Ein niedriger Bildungsstand ist ein eigenständiger Risikofaktor der Demenzentwicklung; hier ist ein sehr frühes Gegensteuern erforderlich, auch die Politik ist dabei gefordert. Zur Aufrechterhaltung von intellektuellen Interessen und einer sozialen Teilhabe im Alter und damit zur Vorbeugung einer Demenzentwicklung wurde als wichtigster Faktor das Hörvermögen ermittelt.

Die frühzeitige Korrektur und Wiederherstellung eines beeinträchtigten Hörvermögens trägt daher ganz wesentlich zur Demenzprävention bei.

Soziale und körperliche Aktivität

Soziale Aktivität kann gut mit körperlichen Aktivitäten verbunden werden. Empfohlen werden in allen Altersgruppen pro Woche mindestens 140 Minuten Bewegung beziehungsweise Sport. Hier ist jedoch anzumerken, dass Sportarten mit einem höheren Risiko für wiederholte Schädelprellungen oder leichte Schädel-Hirn-Traumata (etwa Ballsportarten wie Fußball oder Kampfsport) das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen im Lauf des Lebens erhöhen. Und natürlich sollte beim Radfahren ein Helm heute selbstverständlich sein. Im höheren Lebensalter senkt bereits regelmäßiges Spazierengehen das Demenzrisiko deutlich, wie eine aktuelle Studie zeigt.

Bei der Ernährung ist die sogenannte mediterrane Kost optimal zum Schutz vor Krebs und zur Erhaltung der kardiovaskulären sowie der Gehirngesundheit (MIND-Diät, „Mediterranean Diet Intervention for Neurodegenerative Delay“). Der Alkoholkonsum sollte 15 g/d (Frauen) und 30 g/d (Männer) nicht überschreiten. Völlige Abstinenz führt nach der aktuellen Datenlage nicht zur Senkung spezifischer gesundheitlicher Risiken (Ausnahme: in der Schwangerschaft).

Gesunder Darm – gesundes Gehirn?

Im Kontext der Ernährung steht die Darmgesundheit, genauer die Darmflora (das intestinale Mikrobiom), das heißt die Gesamtheit beziehungsweise Zusammensetzung aller im Darm lebender Mikroorganismen, die ein Gesamtgewicht von rund 1,5 kg ausmachen und deren Bedeutung in der Medizin zunehmend ins Blickfeld rückt.

Die Forschung entschlüsselt immer neue Zusammenhänge zwischen Darmmikrobiom und zum Beispiel Immunsystem, Übergewicht, Diabetes mellitus – bis hin auch zur Hirngesundheit. Im Lauf des Lebens beeinflussen Hunderte von Faktoren das Darmmikrobiom (Ernährung, Antibiotika, Stress, andere Erkrankungen). Zwischen Darm und Gehirn gibt es Millionen von Nervenverbindungen, die zunehmend besser verstanden werden.

So beeinflusst das Darmmikrobiom nachweislich auch degenerative und andere Erkrankungen, die früher in erster Linie mit genetischer Veranlagung in Verbindung gebracht wurden, wie Multiple Sklerose, M. Parkinson, Depressionen und Demenzen.

„Aber auch andere zerebrale Erkrankungen müssen kein Schicksal sein, wie zum Beispiel Schlaganfälle, die ja auf dem Boden von Gefäßschäden entstehen“, erläutert Prof. Dr. Peter Berlit. „Auch dieses Risiko wird praktisch durch die gleichen Maßnahmen positiv beeinflusst.“

Öffentlichkeit sensibilisieren

„Es ist dringend notwendig, das Thema Gehirngesundheit stärker in die Öffentlichkeit, ins Gesundheitswesen und die Politik zu tragen. Wir können eine Menge tun, um unser Gehirn durch einfache Maßnahmen oder Änderungen unseres Lifestyles gesund zu halten. Jeder Einzelne sollte die Möglichkeiten kennen, um das persönliche Demenzrisiko zu minimieren – es kann nicht früh genug damit begonnen werden, aber: Es ist auch praktisch nie zu spät!“, sagt Prof. Berlit.   DGN