Mehr als 200.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland sind schwerbehindert oder chronisch krank. Es gibt ferner 568.000 Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die Hälfte davon in der Regelschule. Die fehlende professionelle Betreuung im System Schule gefährdet die gesundheitliche und schulische Entwicklung dieser Kinder. Foto: moodboard/stock.adobe.com

Bildung und Gesundheit sind eng miteinander verbunden – Das muss sich an unseren Schulen ändern

Wie lässt sich Gesundheit langfristig und nachhaltig im System Schule verankern? Wie können Schulen chronisch kranke Kinder und Jugendliche besser integrieren? Was muss geschehen, damit die Schüler gesünder ernährt werden und sich mehr bewegen? Und wie kann das System Schule dazu beitragen, die offenbar schlechter gewordene mentale Gesundheit der Schüler verbessern? Diese und andere Fragen beleuchtet der „Kindergesundheitsbericht 2024“ der Stiftung Kindergesundheit.

Zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin und der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie hat die Stiftung Kindergesundheit den „Kindergesundheitsbericht 2024“ erstellt – eine wissenschaftlich fundierte Faktensammlung mit Interviews und Fachartikeln renommierter Experten. Der Bericht liefert Basiswissen und Diskussionsstoff für politische Entscheidungsträger und alle Akteure, die sich mit dem Wohlergehen von Kindern beschäftigen.

Bildungsstätte und Lebensraum

Schulen sind nicht nur Bildungsstätten, sie sind auch zentrale Lebensräume, in denen Kinder und Jugendliche einen Großteil ihres Alltags verbringen. Sie bieten damit eine einzigartige Möglichkeit, die Gesundheit aller sozialen Gruppen nachhaltig zu fördern. Denn Bildung und Gesundheit sind eng miteinander verbunden: Ein gesundes Kind kann besser lernen, und ein Kind mit Zugang zu Bildung hat bessere Chancen auf ein gesundes Leben.

Dazu gehört nicht nur die Vermittlung von Wissen, sondern auch die Förderung von Gesundheitskompetenz, emotionaler und sozialer Entwicklung sowie der Aufbau langfristiger gesunder Verhaltensweisen als Voraussetzung für gute Lebensqualität und soziale Teilhabe.

Zentrale Herausforderungen an deutschen Schulen

1. Gesundheitliche Versorgung für chronisch kranke Kinder und Jugendliche:

Mehr als 200.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland sind schwerbehindert oder chronisch krank. Davon leiden 32.000 Kinder und Jugendliche unter Diabetes, 8,9 % unter Asthma und 2 % bis 6 % unter ADHS. Es gibt ferner 568.000 Schüler (7,7 %) mit sonderpädagogischem Förderbedarf, davon gehen 44,7 % auf eine Regelschule. Viele der chronisch kranken Schüler benötigen medizinische Unterstützung im Schulalltag, die Lehrkräfte nicht leisten können. Die fehlende professionelle Betreuung gefährdet die gesundheitliche und schulische Entwicklung dieser Kinder. Hinzu kommt: Der Betreuungsbedarf nimmt zu.

 2. Ernährung:

Bei einer Übergewichts- und Adipositasrate von etwa 15 % bei Kindern und Jugendlichen ist eine gesunde Schulverpflegung entscheidend. Besonders sozial benachteiligte Schüler profitieren von einem kostenfreien, ausgewogenen Essensangebot in der Schule, das die Gesundheit langfristig fördert und ernährungsbedingten Erkrankungen vorbeugt.

3. Bewegung:

Nur 10,8 % der Mädchen und 20,9 % der Jungen in Deutschland erreichen die von der Weltgesundheitsorganisation WHO empfohlenen 60 Minuten Bewegung pro Tag. Schulen müssen ihre Potenziale als Bewegungsorte ausschöpfen, um physische Aktivität zu fördern und so den Grundstein für lebenslange Gesundheitsgewohnheiten zu legen.

4. Mentale Gesundheit:

Bis zu 20 % der Schüler leiden an behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankungen. Mobbing und Cybermobbing betreffen 14 % der Mädchen und 7 % der Jungen. In diesem Zusammenhang ist eine ausreichende psychologische Unterstützung in Schulen essenziell. Die Kultusministerkonferenz empfiehlt bereits seit mehr als 50 Jahren einen Schulpsychologen pro 5000 Schüler – diese Quote wird bis heute nur in sechs Bundesländern erreicht. Die Unterversorgung im Bereich mentaler Gesundheit muss dringend behoben werden.

Forderungen der Stiftung Kindergesundheit

1. Systemische Verankerung der Gesundheitsförderung:

Prävention und die Vermittlung von Gesundheitskompetenz müssen als feste Bestandteile im Schulalltag verankert werden, statt nur in zeitlich begrenzten Projekten. Gesundheitsbildung soll sowohl im Schulleitbild als auch im Unterricht fest integriert sein.

2. Stärkere Vernetzung und Koordination der verschiedenen Akteure:

Im Schulsystem sind viele Akteure, Professionen und Institutionen mit der Thematik Gesundheit befasst. Das sind Vertrauenslehrkräfte, Schulpsychologen, Schul- und Jugendsozialarbeiterinnen, Öffentlicher Gesundheitsdienst, Schulgesundheitsfachkräfte, Mental Health Coaches. Ihre unterschiedlichen Expertisen und Rollen müssen stärker aufeinander abgestimmt, vernetzt und koordiniert werden, um Gesundheitsschutz und -förderung der zu verbessern.

3. Mehr Ressourcen für mentale Gesundheit:

Mehr Schulpsychologen und Sozialarbeiter sind erforderlich, um eine ausreichende Unterstützung und Versorgung der Schüler sicherzustellen. Die strukturelle und finanzielle Verankerung dieser Fachkräfte ist eine notwendige Maßnahme für das Wohlbefinden der Schulgemeinschaft.

Das betrifft übrigens auch die durch zunehmende Komplexität des Lehrberufs stärker belasteten Lehrkräfte, von denen in Deutschland 68.000 bis 85.000 fehlen. Da verwundert es nicht, wenn 10 % bis 30 % der Lehrkräfte Erschöpfungssymptome zeigen, und beim Lehrpersonal häufiger psychische Erkrankungen als in anderen Berufen zu verzeichnen sind.

4. Einführung von Schulgesundheitsfachkräften (SGFK):

Eine speziell ausgebildete Schulgesundheitsfachkraft in der Schule soll sicherstellen, dass Schüler, Lehrkräfte und Eltern eine professionelle Anlaufstelle für gesundheitliche Anliegen haben. Studien zeigen, dass SGFK die Bildungs- und Gesundheitschancen von Schülerinnen verbessern, gleichzeitig Lehrkräfte entlasten, dem Schulabsentismus entgegenwirken, Inklusion fördern und erhebliche Kosteneinsparungen für die Solidargemeinschaft bedeuten.      pm/tok

Der Bericht kann als Download unter http://www.kindergesundheit.de/ heruntergeladen werden.