Immer mehr Kinder und Jugendliche im Schulalter sind von Kopfschmerzen und Migräne betroffen. Zugleich gibt es in Deutschland viel zu wenige spezifische Therapieangebote für junge Kopfschmerzpatienten. Foto: olgavolodina/stock.adobe.com
Alarmierende Zunahme von Kopfschmerzen bei Kindern und Jugendlichen
Kopfschmerzen sind für etwa 40 Prozent der Erwachsenen in Deutschland ein häufiges Gesundheitsproblem – aber auch immer mehr Kinder und Jugendliche im Schulalter sind davon betroffen. Dennoch erhalten die wenigsten jungen Kopfschmerzopfer eine ärztliche Diagnose und passende Therapie.
„Diese besorgniserregende Entwicklung kann ich auch aus meiner eigenen Praxis bestätigen. Gleichzeitig gibt es in Deutschland viel zu wenige spezifische Therapieangebote für junge Kopfschmerzpatientinnen und -patienten“, betont Prof. Dr. Gudrun Goßrau, Leiterin der Kopfschmerzambulanz am Uniklinikum Dresden und Generalsekretärin der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e.V.
Weitreichende Folgen bei jungen Patienten mit Kopfschmerzen
Anlässlich des Deutschen und Europäischen Kopfschmerztags 2024 warnte die Fachgesellschaft vor den weitreichenden Folgen dieser Entwicklung und fordert mehr Aufmerksamkeit für die medizinische Versorgung von Kindern und Jugendlichen. Kopfschmerzen bei Kindern und Jugendlichen haben Folgen für deren Lebensqualität und Zukunftsperspektiven. Besonders problematisch ist, dass unbehandelte Kopfschmerzen im Kindes- und Jugendalter chronifizieren und sich bis ins Erwachsenenalter fortsetzen können.
Dennoch holten rund 80 Prozent der mehr als 2700 Schüler mit mindestens zwei monatlichen Kopfschmerztagen aus einer Studie des Universitätsklinikums Dresden keine ärztliche Hilfe ein.
Gesundheitliche und soziale Beeinträchtigungen durch Migräne
Migräne erweist sich als eine der Hauptursachen für gesundheitliche Einschränkungen bei Heranwachsenden und jungen Erwachsenen. Die Auswirkungen sind gravierend: Die Betroffenen beschreiben Beeinträchtigungen der schulischen Leistungen und der allgemeinen Schulfähigkeit, emotionale Belastungen sowie soziale Isolation im Alltag.
Dies bestätigen auch Krankenkassendaten von mehr als 56.000 deutschen Schülern im Alter von 15 Jahren. Sie zeigten für Jugendliche mit Migräne im Verlauf von 10 Jahren ein 2,1-fach höheres Risiko für stressbedingte, auch somatoforme Störungen und ein 1,6-fach höheres Risiko für Rückenschmerzen.
Erhöhte Schmerzempfindlichkeit bei jungen Migräne-Patienten
Eine aktuelle Studie des Universitätsklinikums Dresden bestätigte außerdem, dass Migräne auch Einfluss auf die Schmerzempfindlichkeit und Reizwahrnehmung bei Kindern und Jugendlichen hat. Die Studie verglich die sensorische Wahrnehmung von mechanischen Reizen, Schmerzreizen und Gerüchen von 103 Kindern und Jugendlichen mit primären Kopfschmerzen mit der von 69 gesunden Altersgenossen. Junge Patienten mit Migräne hatten eine niedrigere Schmerzwahrnehmungsschwelle und damit eine höhere Schmerzempfindlichkeit als gesunde und als Kinder mit Kopfschmerzen vom Spannungstyp.
Darüber hinaus zeigte sich eine gesteigerte Geruchsempfindlichkeit bei jungen Kopfschmerzbetroffenen. Die Ergebnisse deuten auf eine erhöhte Gesamtsensibilität für verschiedene Sinnesreize bei Kindern und Jugendlichen mit primären Kopfschmerzen hin. „Die verstärkte Reizwahrnehmung kann den Alltag stark beeinträchtigen und möglicherweise zur Chronifizierung der Schmerzen beitragen“, erklärt Prof. Goßrau.
DMKG fordert mehr Forschung und Behandlungsmöglichkeiten
Die DMKG nimmt den Kopfschmerztag 2024 zum Anlass, das Bewusstsein für die zunehmende Problematik von Migräne und Kopfschmerzen bei Kindern und Jugendlichen zu schärfen. „Kopfschmerzen bei Kindern sind eine ernst zu nehmende Erkrankung, werden aber oft nicht so wahrgenommen. Diagnostik und Therapie werden nicht konsequent verfolgt, passende Behandlungsmöglichkeiten sind zu wenig vorhanden“, beklagt Prof. Goßrau. Sie betont die Bedeutung einer frühzeitigen adäquaten Behandlung sowie einer verbesserten Aufklärung von Eltern, Lehrerinnen und Lehrern und medizinischem Personal. Zudem müsse die Forschung zu kinder- und jugendspezifischen Therapieansätzen intensiviert und multimodale Behandlungsansätze wie zum Beispiel das Dresdner Kinderkopfschmerz-Programm (DreKiP) müssten in Deutschland flächendeckend angeboten werden.
„Kinder und Jugendliche sind die Zukunft unserer Gesellschaft. Sie verdienen eine optimale medizinische Versorgung und Unterstützung, um langfristige gesundheitliche und soziale Beeinträchtigungen zu vermeiden“, so Goßrau.
Info
Die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e.V. (DMKG, www.dmkg.de) ist seit 1979 die interdisziplinäre wissenschaftliche Fachgesellschaft für Kopf- und Gesichtsschmerzen, in der Ärzte, Psychologen, Physiotherapeuten, Pharmakologen und Apotheker organisiert sind. Die DMKG setzt sich für die Verbesserung der Therapie der vielen Millionen Patienten in Deutschland mit akuten und chronischen Kopfschmerzen ein. Die Fachgesellschaft fördert die Forschung und organisiert Fortbildungen für medizinische Fachberufe sowie einmal jährlich gemeinsam mit der Deutschen Schmerzgesellschaft den Deutschen Schmerzkongress. Mit der Initiative „Attacke! Gemeinsam gegen Kopfschmerzen“ will die DMKG die Kopfschmerzversorgung verbessern. Im Fokus stehen Migräne, Kopfschmerz durch Medikamentenübergebrauch, Kopfschmerz vom Spannungstyp und Clusterkopfschmerz. Das Angebot richtet sich an alle, die in der Versorgung von Kopfschmerzpatienten tätig sind: www.attacke-kopfschmerzen.de. pm