
Muskeln von Frauen und Männern arbeiten unterschiedlich, wenn es darum geht, Glukose und Fette zu verarbeiten. Sie spielen auch eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Typ-2-Diabetes und bei einer möglichen Prävention durch geschlechtsspezifische Sporteinheiten. Foto: westfotos.de/stock.adobe.com
Ansatz für Prävention von Typ-2-Diabetes: Geschlechterunterschiede im Muskelstoffwechsel beim Sport
Die Skelettmuskulatur von Männern und Frauen verarbeitet Glukose und Fette auf unterschiedliche Weise. Eine Studie des Universitätsklinikums Tübingen, des Instituts für Diabetesforschung und metabolische Erkrankungen von Helmholtz Munich und des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) e.V. liefert erstmals eine umfassende molekulare Analyse dieser Unterschiede. Solche Besonderheiten könnten erklären, warum sich Stoffwechselkrankheiten wie Diabetes bei Frauen und Männern unterschiedlich äußern – und warum sie unterschiedlich gut auf Bewegung ansprechen.
Skelettmuskeln sind weit mehr als nur Motoren für Bewegung: Sie spielen eine zentrale Rolle im Glukosestoffwechsel und damit auch bei der Entstehung von Typ-2-Diabetes. Denn etwa 85 Prozent der insulinabhängigen Glukoseaufnahme findet in der Muskulatur statt. Das bedeutet: Wenn Muskelzellen weniger empfindlich auf Insulin reagieren, etwa bei Insulinresistenz, kann Glukose schlechter aus dem Blut aufgenommen werden. Bewegung wirkt dem gezielt entgegen.
Muskeln von Frauen und Männern arbeiten unterschiedlich
Doch wie unterschiedlich Muskeln bei Frauen und Männern arbeiten, wurde lange unterschätzt. Genau dieser Frage sind Forschende um Simon Dreher und Cora Weigert jetzt nachgegangen. Sie haben Muskelbiopsien von 25 gesunden, aber übergewichtigen Erwachsenen (16 Frauen, 9 Männer) im Alter von etwa 30 Jahren untersucht. Die Probanden nahmen zuvor nicht regelmäßig an sportlichen Aktivitäten teil. Über acht Wochen hinweg absolvierten sie dreimal pro Woche ein einstündiges Ausdauertraining, bestehend aus 30 Minuten Radfahren und 30 Minuten Gehen auf dem Laufband.
Muskelproben wurden vor Beginn, nach der ersten Trainingseinheit und am Ende des Programms entnommen. Anhand modernster molekularbiologischer Verfahren, darunter Epigenom-, Transkriptom- und Proteomanalysen, hat das Team geschlechtsspezifische Unterschiede auf verschiedenen Ebenen untersucht.
Männer reagieren mit mehr Stress auf Bewegung
Das Ergebnis: Bereits die erste Trainingseinheit löste bei Männern eine stärkere Stressreaktion auf molekularer Ebene aus, erkennbar an der vermehrten Aktivierung von Stressgenen und am Anstieg des Muskelproteins Myoglobin im Blut. Zudem zeigten männliche Muskeln ein ausgeprägtes Muster sogenannter Fast-Twitch-Fasern (schnell zuckender Muskelfasern), die auf kurzfristige, intensive Belastung ausgelegt sind und bevorzugt Glukose als Energiequelle nutzen.
Frauen hatten deutlich höhere Mengen an Proteinen, die für die Aufnahme und Speicherung von Fettsäuren verantwortlich sind: ein Hinweis auf eine effizientere Fettverwertung. Nach acht Wochen regelmäßigem Ausdauertraining passten sich die Muskeln beider Geschlechter an und die Muskelfaser-spezifischen Unterschiede nahmen ab. Gleichzeitig wurden bei Frauen und Männern vermehrt Proteine gebildet, die die Verwertung von Glukose und Fett in den Mitochondrien, den Kraftwerken der Zellen, fördern.
„Diese Anpassungen deuten auf eine insgesamt verbesserte Stoffwechselleistung hin, die helfen kann, das Risiko für Typ-2-Diabetes zu senken“, sagt Weigert. „Unsere neuen Erkenntnisse könnten künftig dazu beitragen, das individuelle Diabetesrisiko besser vorherzusagen und Empfehlungen für Bewegungstherapien gezielter auf Frauen und Männer abzustimmen.“
Wie geht es weiter? Die Wissenschaftler wollen nun untersuchen, welche Rolle Sexualhormone wie zum Beispiel Östrogen bei diesen Unterschieden spielen – und wie hormonelle Veränderungen im Alter das Risiko für Stoffwechselkrankheiten beeinflussen.
Original-Publikation: Dreher SI et al. „Sex differences in resting skeletal muscle and the acute and long-term response to endurance exercise in individuals with overweight and obesity“. Molecular Metabolism, 2025, DOI: 10.1016/j.molmet.2025.102185
Info
Das 1805 gegründete Universitätsklinikum Tübingen gehört zu den führenden Zentren der deutschen Hochschulmedizin. Viele neue Behandlungsmethoden werden hier klinisch erprobt und angewandt. Der Lehrstuhl für Diabetologie /Endokrinologie war in den vergangenen 25 Jahren Zentrum interdisziplinärer Forschung, insbesondere unter Beteiligung der Chirurgie, Radiologie und Labormedizin. Diese Entdeckung der Prädiabetes-Subtypen war nur durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit möglich. Das Universitätsklinikum ist in vier der sechs von der Bundesregierung initiierten Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung verlässlicher Partner.
Helmholtz Munich ist ein biomedizinisches Spitzenforschungszentrum. Interdisziplinäre Forschungsteams fokussieren verschiedene Krankheitsgebiete, insbesondere die Therapie und die Prävention von Diabetes, Adipositas, Allergien und chronischen Lungenerkrankungen.
Das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung (DZD) e.V. ist eines der acht Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung. Es bündelt Experten auf dem Gebiet der Diabetesforschung und verzahnt Grundlagenforschung, Epidemiologie und klinische Anwendung. Ziel des DZD ist es, über einen neuartigen, integrativen Forschungsansatz einen wesentlichen Beitrag zur erfolgreichen, maßgeschneiderten Prävention, Diagnose und Therapie des Diabetes mellitus zu leisten. pm