31,6 Millionen Menschen in der EU leiden an Diabetes. Jedes Jahr verlieren 686.000 Menschen ihr Leben als Folge einer Diabetes-Erkrankung beziehungsweise einer durch sie bedingten Komplikation. Foto: Proxima Studio/stock.adobe.com

Stille Epidemie: Alle 46 Sekunden stirbt in der EU ein Mensch an den Folgen einer Diabetes

In der EU stirbt alle 46 Sekunden ein Mensch als Folge einer durch Diabetes ausgelösten medizinischen Krise. Diabetes ist eine stille Epidemie mit verheerenden Folgen für die Betroffenen, aber auch für Wirtschafts-, Gesundheits- und Sozialsysteme. Verschiedene Fachgesellschaften mit Unterstützung des europäischen Pharmaverband EFPIA fordern die Politik auf, mit konzertierten Aktionen gegenzusteuern.

Zunächst die Fakten. 31,6 Millionen Menschen in der EU leiden an Diabetes – das entspricht der Bevölkerungszahl von Portugal, Kroatien und den Niederlanden zusammen. Außerdem verlieren 686.000 Menschen im Jahr ihr Leben als Folge einer Diabetes-Erkrankung beziehungsweise einer durch sie bedingten Komplikation, wie Pharma-Fakten.de berichtet.

31,6 Millionen Menschen in der EU leiden an Diabetes, 686.000 Menschen im Jahr verlieren ihr Leben wegen einer Diabetes-Erkrankung oder einer Diabetes-bedingten Komplikation. Quelle: Diabetes Community Pledge fort he 2024 European elections / Grafik: Pharma-Fakten.de

Unternehmen fordern Politik zum Handeln auf

„Das ist vollkommen inakzeptabel“, heißt es im „Diabetes Community Pledge“ – ein „Versprechen“, in dem acht Fachgesellschaften und in der EFPIA organisierte forschende Pharmaunternehmen sowie der Medizintechnik-Verband MedTech Europe der Politik in den Mitgliedsländern 15 konkrete Handlungsempfehlungen an die Hand geben, um Diabetes gezielt und koordiniert zu bekämpfen.

„Vor dem Hintergrund belasteter Gesundheitssysteme und stetig steigender Krankheitslast müssen politische Entscheidungsträger sich auf allen Ebenen verpflichten, Maßnahmen gegen Diabetes zu ergreifen“, schreiben Stefano del Prato und Bart Tobeyns vom European Diabetes Forum. „Nur durch entschlossenes Handeln können wir den Verlust von Menschenleben und die oft verheerenden Komplikationen verhindern.“ Nur so könne „das Leben von Menschen mit Diabetes erheblich verbessert und Europas Gesundheitssysteme nachhaltiger und widerstandsfähiger gemacht werden.“

Wenn Früherkennung und Therapie zu spät kommen

Weil rund ein Drittel der Menschen mit Diabetes gar nichts von der Krankheit weiß, muss die Früherkennung gestärkt werden. Dazu sollten die EU-Mitgliedsländer entsprechende Gesundheits- und Monitoring-Programme implementieren. Eine frühe Behandlung kann die Behandlungsergebnisse deutlich verbessern, die Menschen beim Management ihrer Erkrankung unterstützen und Gesundheitssysteme entlasten.

„Zu wenig, zu spät“ – Menschen mit Diabetes bekommen ihre Therapie oft zu spät und oft nicht nach den neuesten Standards – was zu unnötigen Folgekomplikationen führen und der Lebensqualität schaden kann. In der „Pledge“ fordern die Autoren gleichberechtigten und bezahlbaren Zugang zu Arzneimitteln sowie Technologien wie Blutzuckermessgeräten oder anderen digitalen Unterstützern (Gesundheits-Apps). Es sollten entsprechende Patientenpfade entwickelt werden, um eine qualitätsgesicherte und lernende Versorgung umzusetzen.

Diabetes fordert viel Einsatz vom Erkrankten

Diabetes zu managen ist ein „full-time job“, heißt es in dem Papier. Deshalb sollten Betroffene dazu befähigt werden, ihre Erkrankung selbständig in die Hand nehmen zu können; medizinische Fachkräfte sollten sie dazu ermutigen. Gesundheitskompetenz ist ein Schlüssel zu einer besseren Versorgung.

Und schließlich müssten vermehrt neue Technologien eingesetzt werden, um die Krankheit besser zu verstehen; hier vor allem: Technologien der Digitalisierung. Die Sammlung, Verknüpfung und Interpretation sicherer Gesundheitsinformationen – Daten aus klinischen Studien und aus dem Versorgungsalltag – unterstützen ein lernendes System, sodass Menschen mit Diabetes schneller und besser versorgt werden können. Außerdem fordern die Autoren, dass die EU Forschungsprogramme auflegt, bei denen die Sicht der Menschen mit Diabetes eine wichtige Rolle spielen müsse.

Immer mehr jüngere Menschen erhalten in Deutschland eine Typ-2-Diabetes-Diagnose – und damit drohen ihnen üble Folgen wie Seh- oder Nierenfunktionsstörungen bis hin zu Amputationen. Quelle: Deutsches Ärzteblatt Int 2023; 120: 173-9; DOI: 10.3238/arztebl.m2022.0405 / Grafik Pharma-Fakten.de

Immer mehr Jüngere erhalten Diabetes-Diagnose

Rund eine halbe Million Menschen erhalten jedes Jahr in Deutschland die Diagnose: Typ-2-Diabetes. Das zeigt eine aktuelle Auswertung von Daten von rund 63 Millionen gesetzlich Versicherten. „Präventive Maßnahmen, gezielte Bewegungsangebote, gesunde Ernährungsgewohnheiten und die gesundheitliche Aufklärung der Bevölkerung müssen verstärkt gefördert werden“, betont das Deutsche Diabetes-Zentrum (DDZ). Sorgen bereitet den Wissenschaftlern vor allem eine Entwicklung, die relativ junge Menschen betrifft. In der Altersgruppe der 20- bis 39-Jährigen steigt die Inzidenzrate jährlich an. „Typ-2-Diabetes ist definitiv keine Krankheit des Alters mehr. Es erhalten immer häufiger junge Menschen die Diagnose Typ-2-Diabetes“, sagt Dr. Thaddäus Tönnies vom Institut für Biometrie und Epidemiologie am DDZ.

Schon heute hinterlässt die Krankheit verheerende Spuren: Ein Drittel aller Menschen mit Diabetes entwickeln eine Sehstörung; ihr Risiko, eine kardiovaskuläre Krise zu erleiden, ist dreimal höher als bei Gesunden, die Gefahr einer Nierenfunktionsstörung sogar zehnfach erhöht – und alle 30 Sekunden muss irgendwo auf der Welt eine untere Gliedmaße amputiert werden, weil die Durchblutung nicht mehr ausreichend funktioniert. Angesichts dieser Fakten sagen die Autoren des Papiers: Jetzt ist es Zeit zu handeln.    pharma-fakten.de