
Abnehmspritzen liegen im Trend. Für Menschen mit Diabetes sind sie Teil einer komplexerenTherapie, mit der sie langfristig abnehmen und ihr Blutzuckerproblem in den Griff bekommen können. Menschen, die nur auf einen schnellen, bequemen Gewichtsverlust hoffen, erleben nach dem Absetzen der Medikamente meistens eine prompte Gewichtszunahme. Foto: millaf/stock.adobe.com
Abnehmspritzen im Faktencheck: Wie viel bringen Wegovy und Ozempic wirklich – und wie lange?
Darauf haben schon so viele Menschen gewartet: Abnehmen mit einer Spritze, ohne strenge Diät, ohne Sport, ohne Lifestyle-Einbußen. Dazu zählen Filmstars, die meinen, in der Öffentlichkeit permanent eine gute Figur machen zu müssen, aber auch Frau und Herr Mustermann aus der Nachbarschaft, die einfach nicht mehr dick sein wollen und es eilig haben, auf dem Weg zur Traumfigur die Kilos im Rekordtempo zu verlieren. Aber kann das wirklich funktionieren?
Rascher Gewichtsverlust so lange man die Abnehmspritzen nimmt
Die durch diesen Easy-going-Abnehmhype bekannt gewordenen Medikamente wie Wegovy und Ozempic versprechen einen rasanten Gewichtsverlust. Den können sie zunächst auch einhalten. Das klingt verlockend, vor allem wenn man Ergebnisse von Mitmenschen sieht, denen plötzlich keine Hose mehr passt oder die im Kleiderschrank schon wieder nach den alten Bikinis aus schlankeren Tagen suchen. Wer sich die Abnehmspritzen regelmäßig injiziert, wird Glücksgefühle auf der Waage erleben.
Zumindest so lange, wie die verschiedenen Wirkstoffe im Körper ihre Arbeit verrichten können. Oder so lange wie man bereit ist, dafür zu bezahlen. Denn die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) übernimmt die Kosten nicht für den Einsatz als reines Diätmittel. Das gilt nur für Diabetes-Patienten, bei denen diese Medikamente Teil einer breiter angelegten Therapie sind.
Wunschgewicht erreicht! Und dann?
Was passiert, wenn man sein Wunschgewicht erreicht hat? Kleiner Tipp vorab: Die viel zu groß gewordenen Hosen und Blusen sollte man in der ersten Abnehmeuphorie besser nicht ausmisten. Denn nach dem Absetzen der Schlankmacher-Medikamente steigt das Gewicht in der Regel wieder an. Manche Betroffene sprechen von einem verlangsamten Stoffwechsel oder Unsicherheiten und Ängsten im Alltag, wenn es darum geht, die Gewichtskontrolle im Blick zu behalten. Die Abnehmspritzen scheinen durchaus ein gewisses psychisches Abhängigkeitspotenzial zu haben.
Auch physisch ist nicht alles immer im grünen Bereich: Zur Gewichtszunahme nach dem Absetzen der Medikamente gesellen sich oft auch unschöne, ungesunde Nebenwirkungen. Ärzte raten manchen Patienten und Schwangeren von der Nutzung ab. Am Ende wird deutlich, dass Abnehmspritzen nicht die Ursache des Übergewichts bekämpfen, sondern nur die offensichtlichen optischen Auswirkungen korrigieren können. Das ist dann quasi ein Kaschieren von Symptomen, dass dann nicht mehr funktioniert, wenn die Medikamente nicht mehr gespritzt werden.
Aber: Als Teil von Diabetes-Therapien können Abnehmspritzen tatsächlich segensreich sein, wenn es gilt, schnell Gewicht verlieren zu müssen. Jedoch achten Ärzte auch in solchen Fällen darauf, dass sich die Patienten nicht ausschließlich auf die Wirkung der Schlankmacher-Medikamente verlassen, sondern weitere Veränderungen in ihrem Alltag anstreben.
Was verhilft wirklich zu einer nachhaltigen Gewichtsreduktion?
Es ist so wie bei vielen anderen Zivilisations- und Volkskrankheiten auch: Wer seinen Lebensstil ändert, wer sich gesund ernährt, sich viel bewegt, gut schläft und zuverlässig Stress vermeidet, wer seine Schwächen und seine kleinen Durchmogel-Tricks kennt und entsprechend handelt, kann bei konsequenter Umsetzung länger gesund bleiben oder sogar wieder gesund werden. Das gilt auch fürs Körpergewicht. Abnehmen ist nämlich zu einem großen Teil reine Kopfarbeit.
Abnehmspritzen können immer nur Teil einer komplexen Strategie der Gewichtsreduzierung sein. Parallel zum schnellen Gewichtsverlust muss sich auch der Lebensstil ändern, damit nach Absetzen der Medikamente das Abnehmen ohne Rückfall weitergehen kann. Das ist dann freilich keine kurzfristige Lösung, sondern unter Umständen eine lebenslange Aufgabe. Dabei dürften diese neuen Lebensstil-Routinen nachhaltiger und wohl auch preiswerter und generell gesünder sein. Und: Adipositas ist chronisch. Die Therapien müssen entsprechend langfristig angelegt sein. Schnelle Erfolge können daher auch schnell verpuffen.
Fakten zu den Abnehmspritzen
Können Abnehmspritzen allein einen dauerhaften Erfolg garantieren?
Nein. GLP-1-Rezeptor-Agonisten wie Semaglutid (Wegovy/Ozempic) und Tirzepatid (Mounjaro) führen in Studien zu einer deutlichen Gewichtsabnahme. Aber ohne begleitende Lebensstil-Therapie (Ernährung, Bewegung, Verhalten) und oft ohne dauerhafte Einnahme kehrt ein Großteil des Gewichts zurück. In der STEP-1-Extension nahmen Teilnehmende nach Absetzen von Semaglutid innerhalb eines Jahres rund zwei Drittel des verlorenen Gewichts wieder zu. Auch kardiometabolische Verbesserungen gingen zurück.
Welche Produkte gibt es aktuell in Deutschland?
Semaglutid: Wegovy (Adipositas, 1 × wöchentlich), Ozempic (Typ-2-Diabetes, 1 × wöchentlich).
Tirzepatid: Mounjaro (Typ-2-Diabetes und seit Ende 2023 auch Gewichtsmanagement in der EU).
Liraglutid: Saxenda (täglich, Adipositas) sowie Victoza (Diabetes).
Dulaglutid: Trulicity (wöchentlich, Diabetes).
Zugang: Verschreibungspflichtig, Abgabe in Apotheken (in der Regel per E-Rezept).
Nutzerzahlen GLP-1-Medikamente in Deutschland

Wer bekommt die Mittel und wo?
Wegovy ist für Erwachsene mit Adipositas (BMI ≥30) oder Übergewicht (BMI ≥27) plus gewichtsassoziierte Begleiterkrankung zugelassen. Die Verordnung geschieht durch Ärzte, die Abgabe dann in Apotheken.
Ozempic ist für Diabetes Typ 2 zugelassen (nicht zur primären Gewichtsabnahme).
Mounjaro ist in der EU für Diabetes und Gewichtsmanagement zugelassen.
Was kostet das und wer zahlt?
Richtwerte Jahrestherapiekosten (maximale Dosis): Wegovy (Adipositas) 3385 Euro, Ozempic (Diabetes) 1185 Euro, Mounjaro 5993 Euro.
Erstattung: Arzneien „zum Abnehmen“ sind in der GKV gesetzlich ausgeschlossen (§34 SGB V). Der Gemeinsame Bundesausschuss G-BA hat dies 2024 ausdrücklich für Wegovy bekräftigt – gesetzliche Kassen zahlen also nicht. Private Kassen erstatten gegebenenfalls tarifabhängig.
Wie funktionieren die Abnehmspritzen, wie wirksam sind sie?
GLP-1-Analoga wirken unter anderem zentral appetithemmend, verzögern die Magenentleerung, steigern glukoseabhängig die Insulinsekretion und senken Glucagon. Das Ergebnis: weniger Hunger, geringere Kalorienaufnahme und bessere glykämische Kontrolle.
Gewichtsverlust: In Phase-3-Programmen (zum Beispiel STEP/ SURMOUNT) sind durchschnittlich rund 15 Prozent (Semaglutid) bis zu 20 Prozent (Tirzepatid, dosisabhängig) an Gewichtsverlust möglich.
Herz-Kreislauf-Nutzen: In SELECT reduzierte Semaglutid bei Adipositas ohne Diabetes das Risiko für MACE (Tod/Infarkt/Schlaganfall).
Wirkungsdauer: Nach Absetzen der Medikamente tritt meistens eine deutliche Gewichtszunahme.
Nebenwirkungen und Risiken
Häufig treten gastrointestinale Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen, Durchfall oder Verstopfung auf. Dazu gibt es ein erhöhtes Risiko für Gallenwegserkrankungen (Gallensteine) und Pankreatitis (selten). Ebenfalls werden Fälle von Gastroparese (Magenlähmung) oder Ileus (Darmverschluss) beschrieben.
Produktinfos nennen unter anderem Vorsicht bei Pankreatitis in der medizinischen Vorgeschichte der Patienten. Bei einem ersten Verdacht sollte die Therapie abgesetzt werden. In der Schwangerschaft und Stillzeit sollten Frauen keine Abnehmspritzen verwenden. Auch bei einer Retinopathie gibt es Vorbehalte. Eine individuelle ärztliche Prüfung ist also unbedingt notwendig.
Braucht es zusätzliche Therapien für den nachhaltigen Effekt?
Ja. Leitliniennahe Programme mit Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie erhöhen die Chancen auf eine Stabilisierung der Gewichtsabnahme. Ein Schlaf- und Stress-Management und gegebenenfalls psychologische Begleitung sind sinnvoll. Bei schwerer Adipositas bleibt bariatrische Chirurgie (Magenband, Schlauchmagen, Magenbypass) eine Option. Studien und Reviews zeigen: Nach Absetzen der Abnehmspritzen ohne Begleitmaßnahmen kommt es häufig zu rascher Gewichtszunahme.
Wie viele Menschen nutzen GLP-1-Mittel in Deutschland?
Die Zahlen der Nutzer von GLP-1-Therapien stieg von rund 260.000 Menschen Anfang 2020 auf rund 550.000 Menschen Ende 2024.
Rund 13,9 Prozent der GKV-Versicherten mit Diabetes (etwa 880.000 Patienten im Jahresverlauf, inklusive Teiljahres-Therapien) nutzen die Abnehmspritzen. Die Marktanteile verschieben sich von Dulaglutid zu Semaglutid und seit 2024 stark zu Tirzepatid.
Bekommen Diabetes-Patienten genug Medikamente?
Deutschland erlebte wiederholt Lieferengpässe, zum Beispiel bei Ozempic. Behörden und Verbände empfahlen zeitweise, Neueinstellungen zu vermeiden und bestehende Therapien zu sichern. 2024 berichtete Novo Nordisk vorübergehend über „erhöhte Verfügbarkeit“, im Sommer 2025 gab es erneut Engpässe einzelner Stärken.
Schwarzmarkt und Rezeptfälschungen: Welche Gefahren lauern?
BfArM, ABDA und WHO warnten vor gefälschten Ozempic-Pens in Europa. Dabei reichen die Risiken von falschen Wirkstoffen und Dosierungen (zum Beispiel Insulin statt Semaglutid) bis hin zu hygienischen Mängeln. Behörden raten strikt vom Kauf außerhalb legaler Apotheken ab. Apotheken und Ermittlungsbehörden registrierten vermehrt Rezeptfälschungen. tok