Ein neuartiges Verfahren namens ReCET (Re-Cellularization via Electroporation Therapy), das mit Semaglutid kombiniert wird, führte bei 86 % der Patienten zu einem Verzicht auf eine Insulintherapie. Die erste Studie am Menschen umfasste allerdings nur 14 Teilnehmer im Alter von 28 bis 75 Jahren mit einem Body-Mass-Index zwischen 24 und 40 kg/m². Foto: Mauricio/stock.adobe.com

Neue Therapie mit Semaglutid konnte Insulinabhängigkeit bei Typ-2-Diabetes beseitigen

Bahnbrechende Forschungsergebnisse, die gerade auf der UEG-Woche 2024 (United European Gastroenterology Week)  vorgestellt wurden, enthüllen eine vielversprechende neue Behandlungsstrategie für Typ-2-Diabetes (T2D), die den Bedarf an Insulintherapie erheblich reduzieren oder sogar ganz eliminieren könnte.

Dieser innovative Ansatz, bei dem ein neuartiges Verfahren namens ReCET (Re-Cellularization via Electroporation Therapy) mit Semaglutid kombiniert wird, führte bei 86 % der Patienten zu einem Verzicht auf eine Insulintherapie.

Erste Studie mit 14 Teilnehmern

Weltweit sind 422 Millionen Menschen von T2D betroffen, wobei Fettleibigkeit als wesentlicher Risikofaktor anerkannt ist. Die Insulintherapie wird zwar häufig zur Kontrolle des Blutzuckerspiegels bei T2D-Patienten eingesetzt, sie kann jedoch Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme hervorrufen und die Diabetesbehandlung weiter erschweren. Daher besteht ein Bedarf an alternativen Behandlungsstrategien.

Die erste Studie am Menschen umfasste 14 Teilnehmer im Alter von 28 bis 75 Jahren mit einem Body-Mass-Index zwischen 24 und 40 kg/m². Jeder Teilnehmer unterzog sich unter tiefer Sedierung dem ReCET-Verfahren, einer Behandlung, die die Empfindlichkeit des Körpers gegenüber seinem eigenen Insulin verbessern soll. Nach dem Eingriff hielten die Teilnehmer eine zweiwöchige isokalorische Flüssigdiät ein, nach der Semaglutid schrittweise auf 1 mg/Woche hochtitriert wurde.

Überraschend positives Ergebnis

Bemerkenswerterweise benötigten 86 % der Teilnehmer (12 von 14) bei der 6- und 12-monatigen Nachuntersuchung keine Insulintherapie mehr, und dieser Erfolg hielt auch bei der 24-monatigen Nachuntersuchung an. In diesen Fällen konnten alle Patienten ihren Blutzuckerspiegel unter Kontrolle halten, wobei der HbA1c-Wert unter 7,5 % blieb.

Die maximale Dosis von Semaglutid wurde von 93 % der Teilnehmer gut vertragen, eine Person konnte aufgrund von Übelkeit nicht auf die maximale Dosis ansteigen. Alle Patienten schlossen das ReCET-Verfahren erfolgreich ab, und es wurden keine ernsthaften unerwünschten Wirkungen gemeldet.

Ermutigend und offenbar sicher

Dr. Celine Busch, Hauptautorin der Studie, kommentierte: „Diese Ergebnisse sind sehr ermutigend und deuten darauf hin, dass ReCET ein sicheres und praktikables Verfahren ist, das in Kombination mit Semaglutid die Notwendigkeit einer Insulintherapie wirksam beseitigen kann.“

„Im Gegensatz zur medikamentösen Therapie, die eine tägliche Medikamenteneinnahme erfordert, ist ReCET frei von Compliance und adressiert damit das kritische Thema der kontinuierlichen Patienteneinhaltung bei der Behandlung von T2D. Darüber hinaus ist die Behandlung krankheitsmodifizierend: Es verbessert die Empfindlichkeit des Patienten für sein eigenes (körpereigenes) Insulin und setzt damit an der Ursache der Krankheit an, im Gegensatz zu den derzeit verfügbaren medikamentösen Therapien, die bestenfalls krankheitsbekämpfend sind“, so Celine Busch.

Neue Studie läuft

„Wir führen derzeit die EMINENT-2-Studie mit denselben Einschluss- und Ausschlusskriterien und der Verabreichung von Semaglutid durch, aber entweder mit einem Scheinverfahren oder mit ReCET. Diese Studie wird auch mechanistische Bewertungen umfassen, um den zugrunde liegenden Mechanismus von ReCET zu bewerten“, so die Hauptautorin der Studie.

Bis Menschen mit Typ-2-Diabetes jedoch weitgehend auf Insulin verzichten können, wird noch einige Zeit ins Land gehen. Die Ergebnisse von weiteren Studien mit mehr Teilnehmern werden Aufschluss geben können, was am ReCET-Verfahren sinnvoll und sicher ist, beziehungsweise wie der positive Gesundheitseffekt optimiert werden kann, um Nebenwirkungen auszuschließen und langfristig zu funktionieren.

Info T2D

Typ-2-Diabetes, auch bekannt als Diabetes mellitus Typ 2, ist eine chronische Stoffwechselerkrankung, bei der der Körper nicht ausreichend Insulin produziert oder die Zellen nicht richtig auf Insulin reagieren. Insulin ist ein Hormon, das für die Regulierung des Blutzuckerspiegels verantwortlich ist. Bei Typ-2-Diabetes führt dies zu erhöhten Blutzuckerwerten, was langfristig zu verschiedenen gesundheitlichen Komplikationen führen kann, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Nieren- und Nervenschäden.

Typ-2-Diabetes entwickelt sich in der Regel schleichend und ist oft mit verschiedenen Risikofaktoren verbunden, darunter:

  • Genetische Veranlagung: Eine familiäre Vorgeschichte von Diabetes kann das Risiko erhöhen.
  • Übergewicht und Fettleibigkeit: Übermäßiges Körperfett, insbesondere im Bauchbereich, kann die Insulinempfindlichkeit verringern.
  • Bewegungsmangel: Ein inaktiver Lebensstil kann zur Gewichtszunahme und zur Entwicklung von Insulinresistenz beitragen.
  • Ungesunde Ernährung: Eine Ernährung, die reich an Zucker und gesättigten Fetten ist, kann das Risiko erhöhen.
  • Alter: Das Risiko für Typ-2-Diabetes steigt mit dem Alter, insbesondere nach 45 Jahren.

Info Semaglutid

Semaglutid ist ein Medikament, das hauptsächlich zur Behandlung von Typ-2-Diabetes eingesetzt wird. Es gehört zur Klasse der GLP-1-Rezeptoragonisten, die die Insulinproduktion im Körper erhöhen, die Glukoseproduktion in der Leber reduzieren und das Sättigungsgefühl fördern. Dadurch kann Semaglutid helfen, den Blutzuckerspiegel zu kontrollieren und das Risiko von diabetesbedingten Komplikationen zu verringern.

Darüber hinaus wird Semaglutid auch zur Gewichtsreduktion eingesetzt. Es wurde in einer speziellen Formulierung (unter dem Markennamen Wegovy) zugelassen, um übergewichtigen oder fettleibigen Erwachsenen zu helfen, Gewicht zu verlieren, insbesondere in Kombination mit einer kalorienreduzierten Diät und erhöhter körperlicher Aktivität.

Es ist wichtig, Semaglutid nur unter ärztlicher Aufsicht zu verwenden, da es Nebenwirkungen haben kann und nicht für jeden geeignet ist. pm/tok