Experten sagen für diesen Herbst und Winter ähnliche Situationen voraus wie in der vergangenen Kälte-Saison. Da gab es einen Mangel an fiebersenkenden Mitteln, Antibiotika oder Hustensäften. Foto: ia_64/stock.adobe.com
Nicht hamstern, aber vorsorgen: Apotheker und Ärzte befürchten Mangel an Medikamenten für Kinder
„Wir Apotheker haben den Eindruck, dass wir sehenden Auges in einen chaotischen Herbst schlingern“, sagt die Apothekerin Stephanie Isensee von der Pforzheimer Pregizer Apotheke. Kinderärzte und Apotheker befürchten auch in diesem Herbst und Winter wieder einen Mangel an Medikamenten für Kinder. So sollten Eltern vorsorgen, damit der erkrankte Nachwuchs optimal versorgt ist.
Odyssee für Eltern mit kranken Kindern
Der letzte Winter hatte es in sich: Nach verhältnismäßig wenigen Atemwegsinfektionen und Kinderkrankheiten aufgrund der Corona-Schutzmaßnahmen im Vorjahr, schlugen Viren und Bakterien wieder zu. In Kindergärten und Schulen waren viele Kinder an Erkältungen, aber auch an Scharlach oder dem RS-Virus erkrankt.
Nach dem Besuch in der Kinderarztpraxis begann dann für viele Eltern die Odyssee: Welche Apotheke hatte noch fiebersenkende Mittel, Antibiotika oder Hustensaft vorrätig? Statt am Bett des kranken Kindes zu sitzen, telefonierten und fuhren Mütter wie Väter teilweise viele Apotheken ab. Experten sagen auch für diesen Herbst und Winter ähnliche Situationen voraus.
Apotheken helfen bei Planung der Hausapotheke
„In Zeiten des Überflusses wird man nachlässig, in Zeiten des Mangels sollte man vorausschauend planen: Eine gut bestückte Hausapotheke ist unverzichtbar, gerade wenn man Kinder hat“, sagt Stephanie Isensee. Und was sollte mit Blick auf die Herbst-/Winter-Saison für Kinder in der Hausapotheke lagern? „Dazu gehören natürlich fiebersenkende Arzneimittel, die dem Alter der Kinder angepasst sind. Also: Zäpfchen für die ganz Kleinen, Saft für Kinder ab etwa drei Jahren; außerdem Erkältungspräparate wie Hustenstiller, Nasenspray, Mittelgegen Übelkeit, um nur die wichtigsten Akutmittel zu nennen.“
Hilfestellung leisten dabei die Apotheken. „In jeder serviceorientierten Apotheke wird die Hausapotheke als Serviceleistung gecheckt und, zugeschnitten auf den einzelnen Haushalt, ergänzt. Den Check der Hausapotheke sollte man am besten regelmäßig im Herbst und Frühjahr erledigen. So erspart man sich sorgenvolle Momente im akuten Krankheitsfall“, so Stephanie Isensee.
Mediziner rät: Hamstern keine Option
Dr. Gerd Herold, Beratungsarzt der Pronova BKK, hält das Hamstern für keine Option. „Das würde den Mangel nur verstärken und ist insbesondere bei Antibiotika sogar gefährlich“, erklärt er. „Ich empfehle Eltern jedoch – auch abgesehen von Lieferengpässen – immer ein fiebersenkendes Mittel zu Hause vorrätig zu haben. So hat man bei plötzlich auftretendem, hohem Fieber sofort etwas parat und muss im Ernstfall nicht auch noch nachts oder am Wochenende zu einer Apotheke mit Notdienst fahren.“
Je nach Alter der Kinder muss man dabei unbedingt auf die passende Dosierung achten. Für Säuglinge bieten sich Zäpfchen an, bei Kleinkindern kann man auch auf Säfte und später alternativ auf Schmelztabletten umsteigen. „Es reicht aber aus, eine Packung bzw. eine Flasche vorrätig zu haben. Bitte keine Medizinvorräte horten, so dass im Frühjahr vielleicht abgelaufene Packungen weggeworfen werden müssen“, appelliert Herold. Ist kein Schmerzmittel griffbereit, können Eltern versuchen, das Fieber mit Wadenwickeln zu senken. Bei Kindern sollten diese allerdings nicht eiskalt, sondern handwarm sein.
Wahllose Arzneimittelvorräte nicht sinnvoll
„Müssen Kinder regelmäßig bestimmte Medikamente nehmen, sollten Eltern am besten vorausschauend neue Rezepte und Arzneimittel besorgen, und nicht erst am letzten Tag loslaufen,“ so Herold. Darüber hinaus seien wahllose Hamsterkäufe vor allem von Antibiotika und Penicillin nicht nur vor dem Hintergrund eines drohenden Mangels nicht empfehlenswert. „Diese Medikamente helfen nur bei bakteriellen Infektionen und werden dann passgenau verordnet. Hier gibt es unterschiedliche Wirkstoffe, die z. B. bei Scharlach, Mittelohrentzündung oder einer Lungenentzündung zum Einsatz kommen“, fasst der Mediziner zusammen.
Auch Apothekerin Isensee sieht das so: „Antibiotika werden nur dann ärztlich verordnet, wenn ein bakterieller Infekt vorliegt. Für einen solchen Fall kann man nicht vorsorgen! Ärgerlich macht es mich, dass die Politik seit Jahren auf diese Situation hingesteuert hat. Als Folge jahrzehntelanger Sparpolitik haben sich die Pharmahersteller andere Absatzmärkte gesucht, die ihnen ein wirtschaftliches Auskommen ermöglichen.“