
Wer das Schärfen seiner Speisen übertreibt, darf sich über negative gesundheitliche Auswirkungen nicht wundern. Grundsätzlich aber gilt: Scharfes Essen ist nicht schädlich fürs Herz. Eher trifft das Gegenteil zu. Foto: Krafla/stock.adobe.com
Chili, Pfeffer, Ingwer: Ab wann wird Schärfe ungesund fürs Herz?
Ob Chili, Peperoni, Pfeffer oder Ingwer – scharfes Essen fasziniert große Teile der Weltbevölkerung. Während die einen kaum eine Mahlzeit ohne Schärfe genießen können, verspüren andere schon beim Gedanken an Chilischoten schweißnasse Hände. Schärfe ist Geschmackssache, doch wie sieht es medizinisch mit den Vor- und Nachteilen einer Mahlzeit aus, von der der Volksmund sagt, dass sie „zweimal brennt“? Kann scharfes Essen dem Herzen schaden? Oder ist es sogar gesund?
Die moderne Forschung gibt darauf erstaunlich klare Antworten.
Wie entsteht Schärfe beim Essen?
Anders als viele glauben, hat Schärfe nichts mit dem klassischen Geschmackssinn zu tun. Weder Zunge noch Gaumen „schmecken“ Schärfe. Sie wird stattdessen als Schmerzreiz wahrgenommen.
Verantwortlich dafür ist der TRPV1-Rezeptor, auch Capsaicin-Rezeptor genannt. Er reagiert normalerweise auf Hitze – etwa Temperaturen über 43 Grad Celsius. Gelangt Capsaicin (aus Chili) oder ein anderer Scharfstoff auf die Zunge, interpretiert der Körper diesen chemischen Reiz als Hitze oder sogar als Gefahrensignal. Das Resultat: Brennen, Wärmegefühl, Tränenfluss, Weitung der Blutgefäße, leicht erhöhte Herzfrequenz.
Welche chemischen Verbindungen lösen Schärfe aus und wo kommen sie vor?
Capsaicinoide (zum Beispiel Capsaicin) findet man hauptsächlich in Chili, Peperoni und Paprika (scharfe Sorten). Die Wirkung: Stark brennende Schärfe, „Hitzegefühl“ und Stoffwechselanregung.
Piperin steckt in schwarzem, weißem und langem Pfeffer. Der Effekt beim Essenden: Warme, trockene Schärfe und leicht antibakterielle Wirkung
Gingerol und Shogaol sind in Ingwer enthalten. Diese Wirkstoffe bringen eine stechende, aromatische Schärfe und fördern die Durchblutung.
Senföle (Isothiocyanate) fühlt man beim Genuss von Meerrettich, Senf, Wasabi, Radieschen oder Rucola. Die Wirkung ist mehr eine „in die Nase hochziehende“ Nasen- und Rachenschärfe.
Allicin kommt in Knoblauch vor und wirkt mild scharf, typisch aromatisch und hat sogar antibakterielle Effekte.
Jede dieser Verbindungen spricht unterschiedliche Sensoren an, weshalb die Schärfe von Wasabi sich komplett anders anfühlt als die einer Chili.
Was macht Chili so besonders?
Chili ist der bekannteste Vertreter scharfer Lebensmittel – und das aus mehreren Gründen:
Hohe Capsaicin-Konzentration: Capsaicin ist bis zu 100-mal potenter als Piperin aus Pfeffer.
Große Sortenvielfalt: Von milden Peperoni bis zur Carolina Reaper reicht die Bandbreite von 0 bis über 2 Millionen Scoville.
Nachweisbare gesundheitliche Effekte: Studien deuten auf positive Wirkungen auf Herz-Kreislauf, Fettstoffwechsel und Entzündungen hin.
Wie misst man Schärfe?
Die gängigste Einheit ist die Scoville-Skala (SHU). Ursprünglich wurde Schärfe durch Verdünnungstests ermittelt, heute misst man sie analytisch.
Paprika: 0 SHU
Jalapeño: 2500 bis 8000 SHU
Thai-Chili: 50.000 bis 100.000 SHU
Habanero: 100.000 bis 350.000 SHU
Carolina Reaper: über 2.000.000 SHU
Je höher der Wert, desto mehr Capsaicin ist enthalten.
Gut zu wissen,…
- Chili „verbrennt“ nicht wirklich. Capsaicin aktiviert denselben Rezeptor wie echte Hitze. Deshalb empfindet der Körper Schärfe als Temperatur.
- Vögel können keine Schärfe schmecken. Capsaicin wirkt bei ihnen nicht, weshalb sie in der Natur Chilisamen verbreiten.
- Die schärfste je gezüchtete Chili, die „Carolina Reaper“, bringt über 2 Millionen Scoville auf die Zunge. Das ist etwa 200-mal schärfer als Jalapeños.
- Capsaicin wurde ursprünglich als Schmerzmittel untersucht. In medizinischen Cremes wird es bis heute zur Schmerzlinderung eingesetzt.
- Scharfes Essen kann die Ausschüttung von Endorphinen fördern. Das erklärt, warum manche Menschen regelrecht „scharfsüchtig“ werden.
- Der brennende Effekt von Capsaicin lässt sich nicht abwaschen, denn der Wirkstoff ist fettlöslich, nicht wasserlöslich. Milchprodukte helfen wegen des Proteins Casein.
- Je kleiner die Chili, desto schärfer ist sie meistens. Mini-Chilis wie Thai-Chilis sind oft wahre Capsaicin-Bomben.
- Paprika und Chili sind botanisch dieselbe Pflanzengruppe, nur mit unterschiedlich viel Capsaicin. Süße Paprika haben 0 Scoville, scharfe Chili Sorten kommen auf eine Million und mehr.
- Stress erhöht die wahrgenommene Schärfe. Wer entspannt ist und auch so isst, empfindet Chili milder.
- Beim Schneiden von Chili entstehen Aerosole. Deshalb kann schon das Schneiden in einer kleinen Küche zu Husten führen.
Ist scharfes Essen gesund?
Die Forschung zeigt: Für die meisten Menschen ist scharfes Essen eher gesund als schädlich. Die Wirkung hängt zwar von Menge und Verträglichkeit ab, doch viele Studien kommen zu positiven Ergebnissen. „Die Schärfe in Currys oder dem kräftigen Senfrostbraten übt einen Reiz auf unsere Schmerzrezeptoren aus, woraufhin einiges im Körper ausgelöst wird. So werden zum Beispiel im Körper Endorphine freigesetzt, die bei einer wirklichen Verletzung schmerzhemmend wirken. Umgangssprachlich nennt man Endorphine auch Glückshormone. Schärfe trägt indirekt also womöglich zu einer besseren Stimmung bei“, liest man online im AOK-Gesundheitsmagazin.
Was wohl jeder kennt: Scharfes und heißes Essen macht die Nase frei. Diverse Gewürze wirken außerdem schleimlösend auf die Bronchien (besseres Abhusten). Weil der menschliche Körper auf scharfe Gerichte teilweise wie eine Notsituation reagiert, öffnen sich die Poren der Haut, damit Schweiß stärker austreten kann. Scharfes Essen schaltet dadurch quasi die Klimaanlage des Körpers ein, weshalb es in heißen Ländern beliebt ist. Capsaicin hilft zum Beispiel das Fett in der gewürzten Mahlzeit besser zu verdauen. Selbst die Zähne profitieren indirekt von der Schärfe, denn mit dem deutlich angeregteren Speichelfluss werden die Zähne besser gereinigt, der Zahnschmelz remineralisiert und Säuren abgepuffert.
„Eine Studie aus Italien legt nahe, dass scharf gewürzte Mahlzeiten das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie von Erkrankungen der Blutgefäße im Gehirn senken können. Die Forscher berichten, dass Menschen, die ihr Essen mit Chilipfeffer würzen, ein deutlich geringeres Risiko haben, an diesen Erkrankungen zu sterben – im Vergleich zu denjenigen, die dieses Gewürz nie oder nur selten verzehren. Dies wird unter anderem darauf zurückgeführt, dass das Capsaicin der Chilischote sich günstig auf Funktionen des Herz-Kreislauf-Systems auswirkt und als antientzündlich gilt“, schreibt das AOK-Gesundheitsmagazin.
Die wichtigsten positiven Gesundheitseffekte im Überblick
Herz-Kreislauf-System
Mehrere Untersuchungen deuten darauf hin, dass Capsaicin
- die Durchblutung verbessert,
- Arterien elastischer macht,
- den Cholesterinspiegel günstig beeinflussen kann,
- Entzündungsmarker senkt und
- ein geringeres Herzinfarktrisiko bei regelmäßigem Chili-Konsum bedingen kann.
Stoffwechsel und Gewicht
Capsaicin kann
- den Energieverbrauch leicht steigern,
- den Fettstoffwechsel anregen und
- den Appetit dämpfen.
Daher wird es oft in Diätprodukten genutzt – allerdings mit begrenztem Effekt.
Studien zeigen:
- Capsaicin kann Entzündungen hemmen,
- Senföle wirken stark antibakteriell und
- Ingwer reduziert oxidativen Stress.
Darm und Verdauung
Moderate Schärfe kann
- die Darmbewegung anregen,
- Bakterien hemmen und
- Magen-Darm-Trägheit lindern.
Für empfindliche Personen gilt jedoch das Gegenteil.
Kann scharfes Essen Nebenwirkungen haben?
Unangenehme bis schmerzhafte Nebenwirkungen können besonders bei empfindlichen Personen oder bei übermäßiger Aufnahme auftreten. Typisch sind
- Sodbrennen,
- Magenschmerzen,
- Durchfall,
- Schweißausbrüche,
- Haut- und Schleimhautreizungen und
- erhöhte Herzfrequenz/Herzklopfen (harmlos, meist stressbedingt).
Extrem scharfe Produkte können sogar
- Atemnot auslösen,
- Schleimhäute verätzen und
- eine Ohnmacht durch Schmerzen verursachen.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) warnt ausdrücklich vor Social-Media-Challenges mit extrem scharfen Chili-Produkten und solchen mit mehr als 100.000 SHU, die für Kinder und Jugendliche ungeeignet sind. Auch konzentrierte Chili-Extrakte gelten als potenziell gesundheitsschädlich.
Ab wann ist scharfes Essen ungesund?
Nach Einschätzung des BfR gilt Schärfe als problematisch, wenn
- Produkte extrem hohe Capsaicin-Konzentrationen enthalten,
- die Schärfe nicht vor dem Essen erwartet werden kann (Sicherheitsrisiko),
- Personen damit Schmerzgrenzen überschreiten und
- Kinder Zugang zu sehr scharfen Produkten haben.
Regelmäßiger Genuss moderater Schärfe ist dagegen für gesunde Erwachsene unbedenklich.
Ab wann können Kinder scharf essen?
Die meisten Fachgesellschaften empfehlen: Ab einem Alter von 6 Jahren ist eine gelegentliche leichte Schärfe im Essen durchaus zu ertragen. Eine starke Schärfe sollte man vermeiden, da Kinder Schleimhäute nicht gut schützen können. Senföle, Pfeffer und Chili sollten daher nur sparsam verwendet werden. Extremprodukte sollten nicht von Kindern gegessen werden.
Ein Vorteil: Kleine Schärfe-Mengen können bei Kindern sogar appetitanregend wirken. Aber trotzdem sollten Eltern beim Kochen immer nur vorsichtig dosieren.
Was neutralisiert Schärfe beim Essen?
Wasser hilft nicht, denn es verteilt Capsaicin nur weiter. Wirksam sind:
- Milchprodukte (Casein bindet Capsaicin),
- fettreiche Lebensmittel,
- Brot, Reis oder Kartoffeln und
- Zucker oder Honig (leicht lindernd).
Welche Vorsichtsmaßnahmen gelten beim Kochen mit Chili & Co.?
Wer Zwiebeln schneidet, kennt das Gefühl brennender Augen. Dann fließen oftmals die Tränen. Doch es geht noch eine Stufe schlimmer. Allerdings dürften die meisten Schärfeliebhaber diesen Fehler nur einmal machen: Wer Chilis schneidet und ein bisschen Capsaicin an die Finger bekommt und dann damit die Augen reibt, weiß, wie sehr Schärfe im Gesicht schmerzen kann. Aber mit diesen Tipps wird das Zubereiten scharfer Speisen mit Chilis ein augenfreundliches Vergnügen:
- Handschuhe tragen (Capsaicin haftet stark),
- Augen und Gesicht nicht berühren,
- Küchenutensilien gründlich reinigen,
- Räume gut lüften,
- Chili-Samen entfernen, wenn die Schärfe reduziert werden soll und
- beim Schneiden von Habaneros oder Carolina Reaper sollte man besonders vorsichtig sein, da die Dämpfe zu Hustenanfällen führen können.
Die Dosis macht das Gift
Wie so oft im Leben: Die Dosis macht das Gift. Soll heißen: Wer das Schärfen seiner Speisen übertreibt, darf sich über negative gesundheitliche Auswirkungen nicht wundern. Grundsätzlich aber gilt: Scharfes Essen ist nicht schädlich fürs Herz. Eher trifft das Gegenteil zu. Die meisten Studien zeigen, dass Menschen, die regelmäßig Chili konsumieren, eher ein geringeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben. Schärfe wirkt stoffwechselanregend, entzündungshemmend und gefäßerweiternd. Nur wer zu extrem scharfen Produkten greift oder empfindliche Schleimhäute hat, läuft Gefahr, negative Effekte zu spüren. tok
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