Aufgrund der vorliegenden Daten empfiehlt das Bundesinstitut für Risikobewertung, Chili- und andere Würzsaucen sowie Produkte mit Gehalten von über 100 mg Capsaicin je Kilogramm Lebensmittel zu kennzeichnen und die Verpackungen mit kindersicheren Verschlüssen zu versehen. Foto: photoschmidt/stock.adobe.com
Social-Media-Mutprobe: Extrem scharfe Speisen können besonders Kindern schaden
Scharf gewürztes Essen ist für viele Menschen ein kulinarischer Genuss, für manche mitunter auch eine Gelegenheit, die eigenen Geschmacksgrenzen auszutesten. Und es kann lebensgefährlich werden, wie jüngst in den USA, als ein 14-Jähriger für eine Social-Media-Challenge vor laufender Handykamera einen extrem scharfen Tortilla-Chip gegessen hatte und danach verstarb.
In Deutschland warnt nun das Bundesinstitut für Risikobewertung vor solchen Mutproben.
Online-Challenges mit extrem scharfen Chilis
Chili spielt bei scharfem Essen eine große Rolle. Ob als ursprüngliche Chilischoten, extrem scharfe Chili-Würzsaucen oder mit Chili gewürzte Snacks wie Chips – der scharf brennende Geschmack wird durch Inhaltsstoffe der Chili aus der Gruppe der Capsainicinoide (wie Capsaicin) verursacht. Diese Alkaloide werden von diversen Paprika-Arten (zu denen auch die Chili gehört) gebildet und sollen Fraßfeinde der Pflanzen davon abhalten, die Früchte zu verzehren.
Der Mensch lässt sich davon jedoch oft nicht beirren und versteht es bisweilen als herausfordernde Mutprobe, Lebensmittel mit extremer Schärfe zu essen, was Veranstaltungen wie „Scharfess-Wettbewerbe“ schon seit Jahren zeigen. So erlangte mit der „Hot Chip Challenge“ zuletzt ein ähnliches Phänomen mediale Aufmerksamkeit, das durch seine Verbreitung in den Sozialen Medien auch bei Kindern und Jugendlichen Bekanntheit erlangt hat.
Notarzteinsätze nach Tortilla-Genuss
Hierbei wird ein Tortilla-Chip aus Mais, der stark mit Capsaicin gewürzt ist, verzehrt. Oft wird dieser Konsum in Videos oder Fotos dokumentiert, um die Teilnahme an dieser „Herausforderung“ zu belegen. Der Verzehr führte vereinzelt bereits zu ärztlichen Noteinsätzen.
Kinder reagieren besonders empfindlich
Aufgrund der derzeit gesteigerten öffentlichen Wahrnehmung von Capsaicin weist das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) auf ernsthafte gesundheitliche Beeinträchtigungen hin, die bei übermäßigem Verzehr des Alkaloids auftreten können. In der Vergangenheit wurden immer wieder Fälle bekannt, bei denen unerwünschte Wirkungen wie Schleimhautreizungen, Übelkeit, Erbrechen und Bluthochdruck beobachtet wurden, wobei die Höhe der konsumierten Capsaicindosis oft unbekannt war.
Besonders empfindlich reagieren Kinder auf scharfe Chili-Produkte. Es sind schwerwiegende Vergiftungen bei kleinen Kindern durch die Aufnahme von Chilizubereitungen in der internationalen Literatur beschrieben.
BfR warnt vor Scharfess-Wettbewerben
Das BfR geht davon aus, dass die Schärfe, die traditionell von Erwachsenen bei einer Mahlzeit akzeptiert wird, maximal einer Dosis von 5 Milligramm (mg) Capsaicin je Kilogramm Körpergewicht (kg KG) zugeordnet werden kann. Das entspräche einer Aufnahme von 300 mg Capsaicin durch einen 60 kg schweren Erwachsenen über eine Mahlzeit.
Verbraucherinnen und Verbrauchern rät das BfR zur Vorsicht bei der Aufnahme von unüblich stark mit Capsaicin gewürzten Lebensmitteln sowie großen Mengen extrem scharfer Chilisaucen und Chiliextrakten, wie etwa bei Scharfess-Wettbewerben. In diesem Fall sind schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen möglich, die unter Umständen lebensbedrohlich sein können. Im eigenen Haushalt sollten scharfe Chilisaucen so aufbewahrt werden, dass sie für kleine Kinder unerreichbar sind.
Scharfe Lebensmittel kennzeichnen, kindersicher verschließen
Die orale Aufnahme von Chilifrüchten, ihren Zubereitungen und scharf bis sehr scharf gewürzten Speisen etwa aus der traditionellen afrikanischen, arabischen, südamerikanischen oder asiatischen Küche im Rahmen des international üblichen Verzehrs ist aus Sicht des BfR nicht mit akut gesundheitsschädigenden Wirkungen verbunden. Insgesamt erlaubt die unzulängliche Datenlage aber keine belastbare Aussage zu Dosis-Wirkungsbeziehungen. Im Zusammenhang mit der Aufnahme von Chilifrüchten sind zudem Unverträglichkeiten bekannt. Bei wiederholtem Hautkontakt mit Chilifrüchten, zum Beispiel bei der Zubereitung von Speisen, wurde auch eine Kontakt-Dermatitis beschrieben.
Aufgrund der vorliegenden Daten empfiehlt das BfR, Chili- und andere Würzsaucen sowie Produkte mit Gehalten von über 100 mg Capsaicin je Kilogramm Lebensmittel zu kennzeichnen und die Verpackungen mit kindersicheren Verschlüssen zu versehen. Weiterhin empfiehlt das BfR den zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörden, bei Produkten mit einem Capsaicingehalt von über 6000 mg je Kilogramm im Einzelfall zu prüfen, ob sie als sicheres Lebensmittel anzusehen sind.
Über das BfR
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist eine wissenschaftlich unabhängige Einrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Es berät die Bundesregierung und die Bundesländer zu Fragen der Lebensmittel-, Chemikalien- und Produktsicherheit. Das BfR betreibt eigene Forschung zu Themen, die in engem Zusammenhang mit seinen Bewertungsaufgaben stehen. BfR/tok
Weitere Informationen auf der BfR-Website zum Thema Lebensmittel-Inhaltsstoffe
BfR-Stellungnahme von 2021 zu Capsaicin (PDF): Zu scharf ist nicht gesund – Lebensmittel mit sehr hohen Capsaicingehalten können der Gesundheit schaden
Themenseite zu Lebensmittel-Inhaltsstoffen: https://www.bfr.bund.de/de/bewertung_von_lebensmittelinhaltsstoffen-54412.html