
Unsichtbar, geruchlos, tödlich: Radon ist in Deutschland die zweihäufigste Ursache für Lungenkrebs. Das aus dem Boden austretende Edelgas gelangt über Risse und undichte Stellen im Fundament oder an den bodennahen Hauswänden ins Hausinnere und kann sich dort in hoher Konzentration sammeln. Foto: Francesco Scatena/stock.adobe.com
Radon: Das tödliche Edelgas in deutschen Kellern – und wie Sie es stoppen
Radon hat keinen Geruch, keine Farbe, keinen Geschmack – und genau das macht es so tückisch. Das radioaktive Edelgas entsteht tief in der Erde und schleicht sich unbemerkt durch Ritzen und Fugen in unsere Häuser. Was viele nicht wissen: Radon ist nach dem Rauchen die zweithäufigste Ursache für Lungenkrebs in Deutschland. Jedes Jahr sterben hierzulande Tausende Menschen an den Folgen dieser unsichtbaren Gefahr. Doch es gibt Wege, das Risiko zu erkennen – und wirksam zu senken.
Wie gefährlich ist das radioaktive Edelgas Radon für uns?
Radon ist – ganz unpoetisch gesagt – die unsichtbare Hausnummer unter den Umweltrisiken: Es riecht nicht, schmeckt nach nichts, macht keine Geräusche. Und genau deshalb übersieht man es gern. „Es ist ein Produkt natürlicher Prozesse, die seit Millionen Jahren ablaufen. Radon ist überall in unserer Umwelt vorhanden, meist jedoch in ungefährlichen Konzentrationen“, erklärt Dr. Ursula Marschall, Leitende Medizinerin bei der BARMER. Medizinisch ist die Lage allerdings klar: Radon ist ein bewiesener Auslöser von Lungenkrebs und damit ein relevantes Gesundheitsthema – auch in Deutschland.
- Welche schweren Krankheiten stehen fest mit Radon in Verbindung?
Die Evidenz ist eindeutig nur für Lungenkrebs. Für andere Erkrankungen (zum Beispiel Leukämien, COPD, Schlaganfall) gibt es Studien, aber die Befundlage ist insgesamt uneinheitlich beziehungsweise nicht annähernd so belastbar. Internationale Fachgremien nennen Radon deshalb klar und allein als Lungenkrebsrisiko; Radon und seine Zerfallsprodukte sind als krebserregend für den Menschen (IARC-Gruppe 1) eingestuft. - Wie viele Todesfälle in Deutschland?
Eine aktuelle Auswertung des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) kommt auf rund 2800 Lungenkrebstote pro Jahr in Deutschland, die rechnerisch auf Radon in Innenräumen zurückgehen – das entspricht etwa 6,3 % aller Lungenkrebstodesfälle. Damit ist Radon nach dem Rauchen der zweitwichtigste Risikofaktor. - Wie groß ist das Risiko im internationalen Vergleich?
Die WHO schätzt, dass Radon je nach Land 3 % bis 14 % aller Lungenkrebserkrankungen verursacht. Das Risiko ist bei Rauchenden deutlich höher (Interaktion von Tabakrauch und Radon).
Was ist Radon und wo tritt es auf?
Radon (meist Radon-222) entsteht natürlich, wenn Uran im Boden über Radium weiter zerfällt. Es ist ein chemisch träges Edelgas mit einer Halbwertszeit von 3,8 Tagen. Als Gas ist es mobil, diffundiert aus dem Erdreich und kann in Gebäude eindringen – man bemerkt es ohne Messung nicht.
Die Radon-Konzentrationen sind regional sehr unterschiedlich. Wesentliche Ursachen sind die geologische Beschaffenheit des Bodens und die Siedlungsstruktur. In Deutschland zeigen Karten des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) höhere Potenziale vor allem in Mittelgebirgen wie dem Schwarzwald und der Schwäbischen Alb, dem Bayerischen Wald und dem Alpenvorland. Im Mittelwert stark belastete Radon-Vorsorgegebiete werden von den Bundesländern ausgewiesen und bringen erhöhte Schutzanforderungen mit sich. Wichtig: Auch außerhalb dieser Gebiete können einzelne Häuser hohe Werte haben – das lässt sich nur durch Messen eindeutig klären.
Eine Auswertung der BfS-Wissenschaftler zeigt deutliche Unterschiede zwischen den Bundesländern: „In Ländern mit höheren durchschnittlichen Radon-Konzentrationen in Wohnungen ist der Anteil der Lungenkrebstodesfälle, der Radon-bedingt ist, höher als in Ländern mit niedrigeren Durchschnittswerten. Spitzenreiter sind Thüringen (10,0 %) und Sachsen (9,5 %). Am niedrigsten liegt die Quote in den Stadtstaaten Berlin (3,2 %), Hamburg und Bremen (jeweils 3,3 %)“, informiert das Bundesamt für Strahlenschutz. Hier gelangen Sie online zu einer Deutschlandkarte, in der für Kommunen die durchschnittlichen Radon-Belastungen in Innenräumen dargestellt werden. Zoomen Sie sich in die Karte und entdecken Sie, welche potenziellen Werte an Ihrem Wohnort gemessen wurden.
So gelangt Radon ins Haus und sammelt sich
Der Hauptweg von Radon ins Haus ist aus dem Baugrund in Gebäudeteile, die die Erde berühren, weshalb sich in der Regel die höchsten Radonwerte im Keller und im Erdgeschoss messen lassen. Das Arbeitszimmer, der Fitnessraum oder die Bude für den jugendlichen Nachwuchs im Untergeschoss können also je nach Höhe des Radonwertes und der Verweildauer in der Radonblase zu schweren Lungenproblemen führen.
Über Risse in der Bodenplatte oder im Mauerwerk, über unsaubere Fugen, offene Rohrdurchführungen und undichte Kellerbereiche findet das Radon seinen Weg ins Haus. Wohlgemerkt gänzlich unbemerkt und nicht von Menschen erkennbar. Weil Radon schwerer als Luft ist und aus Untergrund kommt, finden sich die höchsten Werte oft in Kellern und Erdgeschossen – das Edelgas kann sich aber durch das Treppenhaus im ganzen Haus verteilen. Das wird gerade im Winter zum Problem, wenn der Kälte wegen nicht ständig gelüftet wird und das Radon sich in den anderen Wohnräumen ansammeln kann. Der deutsche Referenzwert (kein starrer Grenzwert, sondern ein Handlungsmaßstab) liegt bei 300 Bq/m³ im Jahresmittel.
Das macht Radon im Körper und darum ist es krebserregend
Radon selbst ist ein Edelgas, doch seine kurzlebigen Zerfallsprodukte (unter anderem Polonium-218/-214, Blei-214, Bismut-214) heften sich an Feinstaubpartikel. Beim Einatmen lagern sie sich im Bronchialepithel ab und senden hochenergetische Alphateilchen aus. Diese verursachen DNA-Doppelstrangbrüche und mikroskopische Hot-Spots im empfindlichen Gewebe der Atemwege – das ist der Mechanismus, der über Jahre das Lungenkrebsrisiko erhöht.
Epidemiologisch lässt sich das Risiko grob mit ~10 % zusätzlichem Lungenkrebsrisiko pro 100 Bq/m³ Innenraumkonzentration beschreiben. Rauchen und Radon verstärken sich (sub-multiplikativ), sodass Raucher besonders betroffen sind.
Wie häufig ist Radon in Wohnungen?
Radon gibt es in allen Innenräumen – meist in niedriger Konzentration. Der deutsche Durchschnittswert in Wohnräumen liegt bei rund 65 Bq/m³ (Jahresmittel). Aber die Spannweite ist groß: Je nach Lage, Bauweise und Dichtigkeit können einzelne Häuser deutlich höhere Werte erreichen. Bei 300 Bq/m³ im Jahresmittel besteht Handlungsbedarf. Deshalb: Nur eine mit speziellen Geräten ausgestattete Messung schafft Gewissheit. „Viele Menschen wissen nicht einmal, dass es in ihrem Zuhause ein entsprechendes Risiko geben kann“, kritisiert Ursula Marschall. „Aber wer Radon als Gefahr ignoriert, spielt unter bestimmten Umständen mit seiner Gesundheit.“
Wie sollten Sie handeln?
„Wer in der eigenen Wohnung erhöhte Radon-Werte feststellt, sollte aktiv werden“, rät BfS-Präsidentin Inge Paulini. Eine Studie des Bundesamtes für Strahlenschutz zeige, wie wichtig das sei. Und: „Es gibt wirksame und zumeist auch kostengünstige Maßnahmen, um die Radon-Konzentration zu senken.“ Was können Sie tun?
- Messen statt raten.
Insbesondere in Risikogebieten sollte man sich mit dem Thema befassen und eine fachgerechte Messung bedenken. Sollte es keine hohe Radonbelastung geben, kann diese gute Nachricht die Hausbewohner ruhiger schlafen und Keller- und Erdgeschossräume sicherer nutzen lassen. Eine Langzeitmessung (mindestens drei Monate Heizperiode, zum Beispiel mit Passiv-Exposimetern) liefert die verlässlichste Aussage zum Jahresmittel. - Bei hohen Werten handeln.
Erste Schritte: regelmäßig stoßlüften, Leckagen abdichten (Risse, Fugen, Rohrdurchführungen), anschließend den Erfolg der Abdichtungen nachmessen. Bei anhaltend erhöhten Werten helfen bauliche Maßnahmen wie Radon-Sperren, Unterdruck-/Absaugsysteme oder bodennahe Entlüftung – eine Fachberatung ist dann sinnvoll. Das Ziel sollte sein: Messwerte deutlich unter 300 Bq/m³ zu erreichen, je niedriger, desto besser. - Rauchen reduzieren – doppelt gewonnen.
Das ist Klarer Konsens: Radon verursacht Lungenkrebs; die Evidenz reicht von Tierexperimenten über Bergarbeiter-Kohorten bis zu großen Wohnhaus-Studien. Internationale Gremien (WHO, IARC) sind sich darin einig. Wer raucht und Radon ausgesetzt ist, trägt ein viel höheres Lungenkrebsrisiko als Nichtrauchende. Ein schneller, dauerhafter Rauchstopp senkt das Gesamtrisiko am effektivsten.
Radon ist kein Grund zur Panik, aber ein guter Grund zum Handeln. Medizinisch betrachtet sprechen die Daten eine deutliche Sprache: Lungenkrebs ist die relevante Gefahr – in Deutschland mit 2800 Todesfällen pro Jahr (6,3 % aller Lungenkrebstodesfälle). Das Gute: Messen ist simpel und Sanieren ist machbar. Wer zusätzlich das Rauchen sein lässt, nimmt Radon den größten Schrecken. tok
Info
Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) ist eine selbstständige wissenschaftlich-technische Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesumweltministeriums. Das BfS arbeitet für die Sicherheit und den Schutz des Menschen und der Umwelt vor Schäden durch ionisierende und nichtionisierende Strahlung. Im Bereich der ionisierenden Strahlung geht es zum Beispiel um die strahlenbasierte Diagnostik und Anwendungen in der Medizin, den Schutz der Bevölkerung bei bundesweiten Notfällen mit radiologischem Bezug und den Schutz vor erhöhter natürlicher Radioaktivität, zum Beispiel vor Radon. Zu den Arbeitsfeldern im Bereich nichtionisierender Strahlung gehören unter anderem der Schutz vor ultravioletter Strahlung und den Auswirkungen des Mobilfunks. Mehr Informationen finden Sie online hier. pm