Wenn der Rettungshubschrauber kommt, ist meistens große Eile gefordert. Besonders schwer verletzte oder erkrankte Personen müssen oft in weiter entfernte Spezialkliniken geflogen werden, um eine Überlebenschance zu haben. Schon länger wird von den Rettern eine zügige Verbesserung und Vereinheitlichung der medizinischen Notfallversorgung gefordert. Bildrechte/Foto: DRF Luftrettung

Wenn die medizinische Notfallversorgung selbst zum Notfall wird und auf Rettung durch die Politik hofft

Die DRF Luftrettung hat mit ihren Partnern ADAC Luftrettung, B.A.N.D., Johanniter Luftrettung/Johanniter-Unfall-Hilfe, DGINA und DIVI einen offenen Brief mit einem Appell an die Politik veröffentlicht. Mit den sich abzeichnenden Änderungen in der Kliniklandschaft kämen insbesondere auf den Rettungsdienst und die Leitstellen weitere Herausforderungen zu, für deren Erfüllung diese schnellstmöglich besser aufgestellt werden müssten.

Schnelles politisches Handeln sei dringend erforderlich, andernfalls stehe eine optimale Patientenversorgung bildlich gesprochen auf Messers Schneide. Sollte sich in dieser Legislaturperiode keine Mehrheit für eine Notfallreform mehr bilden lassen, so ist der eindringliche Appell der Unterzeichner an eine neue Bundesregierung, dass eine schnelle Verbesserung der medizinischen Notfallversorgung weit oben auf der Prioritätenliste für Reformprojekte innerhalb der ersten 100 Tage steht. Nur so könne der Überlastung des Rettungsdienstes sinnvoll gegengesteuert werden. pm

Das ist der Wortlaut des offenen Briefes:

Wir, die Unterzeichner dieses offenen Briefes, befassen uns tagtäglich damit, Menschen mit lebensbedrohlichen Erkrankungen oder Verletzungen zu behandeln und Leben zu retten. Als Notärzte und Fachpersonal im Rettungsdienst, als schnelle Luftretter mit fliegenden Intensivstationen oder als Fachärzte in den Notaufnahmen und Intensivstationen der Kliniken sind wir essenzielle Akteure der medizinischen Notfallversorgung in Deutschland. Unsere Tätigkeiten sind unsere Berufung, durch die wir das Ziel verfolgen, Menschen in akuten – oft lebensbedrohlichen – medizinischen Notlagen bestmöglich zu helfen.

Das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) ist trotz aller politischer Ereignisse der letzten Wochen sowohl vom Bundestag wie auch vom Bundesrat beschlossen worden. Das KHVVG bezieht sich in der nun verabschiedeten Fassung auf den Baustein der klinischen Gesundheitsversorgung in Deutschland. Deshalb fordern wir, dass auch alle anderen Bestandteile der medizinischen Versorgung betrachtet werden. Nur so können wir eine weitere Verschlechterung der Notfallversorgung verhindern. Unser Ziel muss es sein, das gesamte Gesundheitssystem so auszurichten, dass Patientinnen und Patienten optimal versorgt werden – und dies bereits ab dem Zeitpunkt, an dem ein Notruf abgesetzt wird.

Mit den sich abzeichnenden Änderungen in der Kliniklandschaft kommen insbesondere auf den Rettungsdienst und die Leitstellen weitere Herausforderungen zu, für deren Erfüllung diese schnellstmöglich besser aufgestellt werden müssen. Schnelles politisches Handeln ist dringend erforderlich, andernfalls steht eine optimale Patientenversorgung bildlich gesprochen auf Messers Schneide. Sowohl im ländlichen Raum als auch in Städten gilt es, die knappen Ressourcen im Rettungsdienst und den Notaufnahmen sinnvoll und zielgerichtet einzusetzen, um Patientinnen und Patienten die für sie passgenaue Hilfe zukommen zu lassen.

Aus unserer Sicht sind die folgenden drei Faktoren grundlegend für eine erfolgreiche Reform:

  • einheitliche Standards in den Leitstellen und bessere Patientensteuerung,
  • abgestufte und moderne Konzepte zur Hilfeleistung insbesondere unter Verwendung technologischer Möglichkeiten,
  • Wandel vom Rettungsdienst als reinem Transportdienstleister hin zur präklinischen notfallmedizinischen Behandlung.

Klar ist: Die Finanzierung der medizinischen Notfallversorgung muss den neuen Anforderungen Rechnung tragen und solide über einen längeren Zeitraum gedacht werden. Nur mit einer langfristig gesicherten Finanzierung ist eine verlässliche Bereitstellung von höchstqualifiziertem Fachpersonal und modernster Technik im Rettungsdienst und in den Kliniken möglich. Nur so lässt sich der Dienst am Menschen in der geforderten Qualität sicherstellen.

Die Expertinnen und Experten der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung haben hierzu im Jahr 2023 bereits zahlreiche sinnvolle Vorschläge gemacht. Diese müssen mit den anderen Reformen im Gesundheitsbereich, etwa der Krankenhausreform, wie Zahnräder ineinandergreifen, um die Patientenversorgung in Deutschland ganzheitlich zu verbessern.

In der Anhörung zur Notfallreform im Bundestag Anfang November wurde erneut deutlich, dass es grundlegenden Reformbedarf im Rettungsdienst gibt. Die von der derzeitigen Bundesregierung in Anlehnung an die Regierungskommission vorgelegten Gesetzesinitiativen gehen in die richtige Richtung. Daher muss jetzt die Chance über Partei- und Ländergrenzen hinweg genutzt werden, die medizinische Notfallversorgung zum Wohlergehen aller Patientinnen und Patienten solide zu gestalten. Hier geht es um Menschenleben. Deren Rettung mit Hilfe eines optimal aufgestellten Rettungsdienstes darf sich nicht durch Wahlkampf und Parteipolitik verzögern.

Sollte sich in dieser Legislaturperiode keine Mehrheit für eine Notfallreform mehr bilden lassen, so ist es unser eindringlicher Appell an eine neue Bundesregierung, dass eine schnelle Verbesserung der medizinischen Notfallversorgung weit oben auf der Prioritätenliste für Reformprojekte innerhalb der ersten 100 Tage steht. Nur so kann der Überlastung des Rettungsdienstes sinnvoll gegengesteuert werden.

Unterschrieben haben den offenen Brief Dr. Krystian Pracz, Vorstandsvorsitzender DRF Stiftung Luftrettung gemeinnützige AG, Frédéric Bruder, Geschäftsführer ADAC Luftrettung gemeinnützige GmbH, Oliver Meermann, Landesvorstand Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. Landesverband Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland, Geschäftsführer der Johanniter-Luftrettung und Vorsitzender des Aufsichtsrats HELI-FLIGHT JLR gGmbH, Dr. med. Florian Reifferscheid, Vorsitzender der Bundesvereinigung der Arbeitsgemeinschaften der Notärzte Deutschlands, BAND e.V., Martin Pin, Präsident der Deutschen Gesellschaft Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin, DGINA e.V., Chefarzt Zentrale Notaufnahme und Akutstation des Florence-Nightingale-Krankenhauses der Kaiserswerther Diakonie Düsseldorf, sowie Prof. Dr. med. Felix Walcher, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, DIVI e.V. und Klinikdirektor Universitätsklinik für Unfallchirurgie Magdeburg