Die Johanniter-Unfall-Hilfe fordert, dass Notfallsanitäter zielgerichteter zum Einsatz kommen sowie die erlernten Fähigkeiten rechtssicher und flächendeckend anwenden dürfen. Ein Baustein dafür sei, dass die weitreichenden Fähigkeiten der Notfallsanitäter auch in Notfalleinsätzen ohne akute Lebensgefahr eingesetzt werden dürfen. Foto: Rico Löb/stock.adobe.com
Johanniter kritisieren Reform der Notfallversorgung: Rettungsdienst vergessen
Im Bundeskabinett wurde das NotfallGesetz (NotfallG) besprochen. Einiges findet bei betroffenen Organisationen Beifall, anderes wird kritisiert und einigen fehlt Entscheidendes. Bei der anstehenden Reform der Notfallversorgung findet der Rettungsdienst keine Erwähnung mehr. Dabei spielt er eine entscheidende Rolle bei der präklinischen Versorgung der Patienten, wie die Johanniter-Unfall-Hilfe reklamiert.
Neben Kritik am Gesundes-Herz-Gesetz sieht auch die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Dr. Carola Reimann, dieses Manko im Bereich Rettungsdienst: „Zudem ist der Rettungsdienst im vorliegenden Entwurf noch nicht ausreichend mit bedacht. Die angekündigte Ergänzung, welche die Rettungsstellen reformiert und auch konzeptionell in die Reform einbindet, muss jetzt zügig folgen.“
Notfallsanitäter zielgerichteter einsetzen
„Unsere Mitarbeitenden leisten jeden Tag Großartiges“, so Thomas Mähnert, Mitglied des Bundesvorstandes der Johanniter-Unfall-Hilfe. „Mit dem Berufsbild der Notfallsanitäterin und des Notfallsanitäters haben wir vor über zehn Jahren die höchste nichtärztliche Qualifikation im Rettungsdienst neu definiert. Leider werden deren Fähigkeiten noch immer nicht voll ausgeschöpft.“ Die Johanniter-Unfall-Hilfe fordert daher, dass die Notfallsanitäter zielgerichteter zum Einsatz kommen sowie die erlernten Fähigkeiten rechtssicher und flächendeckend anwenden dürfen.
Ein Baustein dafür ist, dass die weitreichenden Fähigkeiten der Notfallsanitäter auch in Notfalleinsätzen ohne akute Lebensgefahr eingesetzt werden dürfen. „Die Notfallsanitäter-Ausbildung ist bundeseinheitlich in einem Ausbildungsgesetz geregelt. Alle starten mit denselben Fähigkeiten in das Berufsleben. Doch in der Praxis sehen wir, dass es regional viele unterschiedliche Regelungen für die präklinische Notfallversorgung gibt“, so Kevin Grigorian, Geschäftsbereichsleiter Rettung & Medizinische Dienste in der Bundesgeschäftsstelle der Johanniter-Unfall-Hilfe.
Mit Schmerzlinderung durch Notfallsanitäter Zeit sparen
So ist beispielsweise die medikamentöse Schmerzlinderung unterschiedlich geregelt. In einigen Bundesländern wird zusätzlich ein Notarzt benötigt, um Medikamente zu verabreichen, in anderen nicht. Wenn Notfallsanitäter in diesen Fällen grundsätzlich zur Medikamentengabe berechtigt wären, würde man Zeit und Ressourcen sparen.
„Patientinnen und Patienten können so schneller und besser versorgt werden, benötigen weniger Rettungsmittel und stünden schneller wieder für andere Notfälle zur Verfügung. Daher ist es wichtig, den Rettungsdienst in der Reform der Notfallversorgung mitzudenken“, so Grigorian, der selbst Notfallsanitäter und Rechtsanwalt ist.
Hilfe für chronisch überlastete Notaufnahmen
Die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes sieht durchaus Positives im NotfallG: „Es ist sinnvoll und richtig, dass die Ampel das Problem der chronisch überlasteten Notaufnahmen in Deutschland angehen will. Damit leistet sie einen wichtigen Beitrag zur besseren Erreichbarkeit in der Akutversorgung und einen wichtigen Schritt zur notwendigen Ambulantisierung. Gleichzeitig begegnet sie Ängsten in der Bevölkerung, dass medizinische Hilfe im Notfall nicht mehr so einfach erreichbar ist.“
Die wichtigsten Hebel dafür seien, so Dr. Carola Reimann, die neuen Akutleitstellen sowie die vorgesehenen Integrierten Notfallzentren (INZ) in Krankenhäusern. Damit Patienten künftig einen strukturierten und geregelten Zugang in Akut- und Notfällen erhalten, dürfe die Reform nicht losgelöst von den weiteren Reformgesetzen betrachtet werden. „Vor allem die Krankenhausreform (KHVVG) ist hier entscheidend, damit die Ambulantisierung auch gelingt“, sagt Dr. Carola Reimann.
Sie fordert, dass auch die ambulante Versorgung fit gemacht werden müsse für die Aufgabenwahrnehmung in der Akutversorgung. „Deshalb müssen knappe Personalressourcen sinnvoll eingesetzt, die Versorgungsaufträge verbindlich definiert und strikt am Bedarf ausgerichtet werden.“ Was sie bemängelt: „Die im Gesundes-Herz-Gesetz gleichzeitig vorgesehene Ausweitung von medizinisch fragwürdigen Checkup-Untersuchungen und Disease Management-Programmen geht dagegen in die völlig falsche Richtung.“ pm