Mit der Reform der Notfallversorgung würden, so die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Dr. Carola Reimann, zwei zentrale Probleme des deutschen Gesundheitswesens angegangen: die fehlende Steuerung der Patienten in die richtige Versorgungsebene und die Überlastung der Notaufnahmen. Foto: benjaminnolte/stock.adobe.com
Überfälliger Schritt: AOK begrüßt Integration der Rettungsdienst-Reform ins Notfall-Gesetz
Mit einem Änderungsantrag ist die Reform des Rettungsdienstes noch kurzfristig in das Notfall-Gesetz integriert worden. Die Verzahnung der beiden Themen wird von der Vorstandsvorsitzenden des AOK-Bundesverbandes, Dr. Carola Reimann, aus Anlass der Anhörung im Gesundheitsausschuss am 6. November ausdrücklich begrüßt: „Eine Notfallreform ist überfällig.“ Aber es müsse noch nachjustiert werden.
Zentrale Gesundheitsleitstellen für Rettungsdienst aus einem Guss
„Es ist eine gute Nachricht, dass die Ampel-Koalition die Reform des Rettungsdienstes noch in die Reform der Notfallversorgung integriert hat. Der Ansatz, mit den zentralen Gesundheitsleitstellen eine bessere Steuerung der Versorgung zu schaffen, ist in jeder Hinsicht zu begrüßen“, so die AOK-Bundesvorsitzende. Denn: „Mit der Umsetzung der Gesundheitsleitstellen besteht jetzt die große Chance, dass sich die Kooperation zwischen den Rettungsleitstellen und den Akutleitstellen der Kassenärztlichen Vereinigungen verbessert und dass wir statt des bisherigen Flickenteppichs im Bereich des Rettungsdienstes zu einer Versorgung aus einem Guss kommen.“
Fehlende Steuerung der Patienten in die richtige Versorgungsebene
Für Carola Reimann steht fest: „Mit der Reform der Notfallversorgung werden zudem zwei zentrale Probleme des deutschen Gesundheitswesens angegangen, nämlich die fehlende Steuerung der Patientinnen und Patienten in die richtige Versorgungsebene und die Überlastung der Notaufnahmen. Mit der Reform kann es endlich gelingen, Patientinnen und Patienten im Akut- und Notfall strukturiert den für sie am besten geeigneten Zugang zur Versorgung zu eröffnen.“
Um dieses Ziel zu erreichen, müssen aber viele verschiedene Beteiligte eingebunden werden. „Die Neugestaltung der Patientenpfade muss allerdings in enger Abstimmung mit der Konzentration von Krankenhausstandorten und der verstärkten Ambulantisierung von stationären Leistungen stattfinden, die im Rahmen der Krankenhausreform geplant sind“, so die AOK-Vorstandsvorsitzende.
Vertragsärzte nicht mit neuen Aufgaben überfordern
„Außerdem müssen sich die Vertragsärzte dann auch auf die akuten Erkrankungsfälle konzentrieren können, die nicht in die Notfallambulanzen der Krankenhäuser gehören. Darum ist es sehr zu begrüßen, dass die Leitstellen-Struktur gestärkt wird und dass der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen zur notdienstlichen Akutversorgung klargestellt wird“, erklärt Carola Reimann.
Sie betont auch, dass die niedergelassenen Ärzte nicht die Last der Reform tragen dürfen: „In diesem Zusammenhang ist es aber wichtig, dass die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sowie deren Praxisteams nicht mit neuen, sinnlosen Aufgaben überfrachtet werden, wie sie im ,Gesundes-Herz-Gesetz‘ mit der Ausweitung der Disease-Management-Programme oder der Einführung weiterer Früherkennungsuntersuchungen geplant sind. Das geben die knappen und kostbaren ärztlichen Ressourcen nicht her. Daher muss der Gesetzgeber hier unbedingt priorisieren.“
Mehr Mut bei der Definition von Qualitätsanforderungen
„Dreh- und Angelpunkt für den Erfolg dieser Reform sind die vorgesehenen Integrierten Notfallzentren (INZ), die aus der Notaufnahme eines Krankenhauses, einer Notdienstpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) und einer Ersteinschätzungsstelle bestehen“, erklärt Carola Reimann.
Ihre Wunsch: „Mehr Mut braucht es hier bei der Definition einheitlicher Qualitätsanforderungen. Es ist nicht zielführend, zentrale Strukturanforderungen wie die Anforderungen an das Personal oder die Vorgaben für Kooperationen krankenhausindividuell zu regeln. Auch bei der Festlegung der Standorte der Integrierten Notfallzentren soll es keine bundeseinheitlichen Vorgaben geben. Das kann schlimmstenfalls zu einer Zerfaserung der Versorgung führen.“
Utopische Einsparpotenziale?
Reformen sollen in der Regel so geplant werden, dass sich Vorgänge vereinfachen, Abläufe angleichen und verbinden lassen, dass Funktionalität und Qualität gesteigert werden – und dass bei all den Verbesserungen am Ende auch noch Geld gespart wird. Aber kann die Reform des Rettungsdienstes im Notfall-Gesetz diesen Einspareffekt wirklich leisten? Kann die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) davon profitieren? „Fragwürdig ist der finanzielle Ausblick: Die im Gesetzentwurf beschriebenen Einsparpotenziale von bis zu einer Milliarde Euro jährlich sind nicht nachvollziehbar. So wird angenommen, dass durch die Vermeidung von Krankenhausaufenthalten schon ab dem Jahr 2025 erhebliche Einsparungen erzielt werden können“, so Carola Reimann.
Und dann wird sie konkret: „Bisher führt die anhaltende Abnahme von Fallzahlen im Krankenhaus aber keineswegs zur finanziellen Entlastung der GKV. Seit der Corona-Pandemie behandeln die Krankenhäuser durchschnittlich zehn Prozent weniger Fälle. Gleichzeitig zeigen die gerade erst veröffentlichten GKV-Finanzdaten einen weiteren Anstieg der Krankenhausausgaben um 9,5 Prozent im ersten Quartal 2024. Unrealistisch erscheinen auch die in der Gesetzesbegründung genannten Einsparungen für den Rettungsdienst. Selbst wenn es den – leider nicht verbindlich vorgeschriebenen – Gesundheitsleitstellen gelingt, einen gewissen Anteil der Versorgung in den ambulanten Bereich zu verlagern, würde dies erst mittelfristig zu Einsparungen führen.“
Ein Anfang ist gemacht
Wie wertet die AOK-Bundesvorstandschefin die Integration der Reform des Rettungsdienstes ins Notfall-Gesetz? „Eine Notfallreform ist überfällig. Allerdings muss sie an vielen Punkten noch nachjustiert werden, damit stabile und resiliente Strukturen, die interprofessionelle Zusammenarbeit sowie die zeitliche Erreichbarkeit der Praxen verbessert werden und die finanziellen und personellen Ressourcen der GKV nicht überstrapaziert werden“, lautet das Fazit von Carola Reimann. pm/tok