
Wie stabil ist noch das wirtschaftliche Verhältnis zwischen den USA und ihrem Präsidenten und Strafzoll-Fanatiker Donald Trump sowie der Europäischen Union mit Deutschland in einer Führungsrolle? Vor allem: Wie sehr schadet der Handelskrieg der deutschen Gesundheitswirtschaft und damit der Versorgung mit Medikamenten für darauf angewiesene Patienten? Foto: freshidea/stock.adobe.com
Trumps Strafzölle-Erpressung ist auch für die Gesundheitsversorgung in Deutschland eine Gefahr
Deutschland ist die größte Volkswirtschaft der Europäischen Union (EU) – und eine Exportnation. Gerade für die hiesigen Schlüsselindustrien sind die USA wichtiger Handelspartner. Ein Zollstreit schadet nicht nur der Wirtschaft. Auch die Gesundheitsversorgung ist in Gefahr.
Mit Blick auf den Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD betont Dr. Kai Joachimsen, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI), wie wichtig es nun ist, „die industrielle Gesundheitswirtschaft in Deutschland zu stärken – nicht nur aus wirtschaftlichen, sondern vor allem aus versorgungspolitischen Gründen“. Das berichtet Pharma-Fakten.de.
US-Präsident Donald Trump stürzt die Welt, Aktien- und Finanzmärkte ins Chaos: Kaum waren die von ihm angekündigten Sonderzölle in Kraft getreten, setzte er sie zumindest teilweise auch schon wieder aus. Aktueller Status Quo: Vielen Staaten will er 90 Tage lang eine Pause – beziehungsweise Zeit für Verhandlungen – gewähren. Weiterhin gilt aber ein gesenkter Zollsatz in Höhe von zehn Prozent (mit Ausnahme von China) – auf Autos, Stahl und Aluminium bleiben 25-Prozent-Zölle.
Belastungsprobe für Europa und die USA
Vor ein paar Tagen hatte das Kiel Institut für Weltwirtschaft (ifw) über Modellrechnungen untersucht, welche ökonomischen Folgen US-Zölle weltweit haben könnten. „Die Zölle werden eine Belastungsprobe sein für einige deutsche und europäische Sektoren und Firmen, für die die USA ein wichtiger Markt sind“, so Julian Hinz, Forschungsdirektor für Handelspolitik am ifw. Doch letztlich schadet die Regierung unter Donald Trump mit ihrer Handelspolitik wohl vor allem den USA selbst. Die Folgen für die Vereinigten Staaten wären laut ifw „weitaus dramatischer als für fast alle anderen Länder.“
US-Zölle mit Folgen für die Gesundheitsversorgung
Bei einem Handelskonflikt geht es um mehr als „nur“ Wirtschaft: Letztlich trifft es Menschen – etwa in Bezug auf ihre Gesundheitsversorgung. Pharmazeutika waren – anders als beispielsweise Medizinprodukte oder gewisse Vorleistungsgüter – bislang von Trumps Zollmaßnahmen zwar ausgenommen. Aber es könnte nur eine Frage der Zeit sein, bis sich das ändert. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete von einem US-Regierungsvertreter, der erklärt habe, dass Trump weitere Zölle auf Waren wie Pharmazeutika plane.
Oliver Kirst, Vorsitzender des Pharmaverbands BPI, findet: „Medizinische Versorgungssicherheit darf nicht zum Spielball geopolitischer Auseinandersetzungen werden. Handelshemmnisse wie Strafzölle schaden allen Beteiligten – Unternehmen, Gesundheitssystemen und am Ende sind vor allem die Patientinnen und Patienten die Leidtragenden.“
Die USA sind für die Bundesrepublik der wichtigste Export- sowie Importpartner im Pharmabereich, wie die BPI-Pharma-Daten 2024 zeigen. „23 Prozent aller deutschen Pharmaexporte im Wert von rund 26 Milliarden Euro gingen 2023 in die USA. Umgekehrt importierte Deutschland pharmazeutische Erzeugnisse im Wert von 74 Milliarden Euro, davon 12,4 Milliarden Euro (17 Prozent) aus den USA“, fasst der Verband zusammen. Als Konsequenz eines Handelskriegs könnten deutsche Pharma-Exporte in die USA „um bis zu 35 Prozent einbrechen – mit potenziellen Folgen für Produktion, Beschäftigung und Forschung in Deutschland“, erklärt der BPI mit Verweis auf das Ifo-Institut.
Abhängig von Blutplasma-Importen aus den USA
Kirst unterstreicht: „Die Probleme sind vielschichtig: Zölle verteuern nicht nur die Einfuhren und damit den Marktzugang in den USA, sondern belasten auch das US-Gesundheitssystem selbst. Sie treiben die Kosten hoch und wirken sich auf die Bezahlbarkeit von Therapien aus“ – zum Nachteil der Patienten. Der BPI weist zudem auf eine „kritische Abhängigkeit“ Europas insbesondere im Bereich der Blutplasma-Versorgung hin – hier braucht es Importe aus den USA, um den Bedarf zu decken.
Europäische Pharmaindustrie: Exodus-Risiko?
Politisches Fingerspitzengefühl ist angesagt – und gleichzeitig Entschlossenheit. Europäische Pharmaunternehmen hatten die EU-Kommission gewarnt, dass pharmazeutische Forschung, Entwicklung und Produktion in die USA abwandern könnten, falls Europa nicht schnell und entschieden handelt. Eine Befragung von 18 großen sowie mittelständischen Mitgliedsunternehmen des europäischen Pharmadachverbands EFPIA zeigte, dass 85 Prozent der Investitionsausgaben (rund 50,6 Milliarden Euro) und 50 Prozent der Forschungsausgaben (rund 52,6 Milliarden Euro) in der EU bis 2029 auf der Kippe stehen. Es ist Geld, welches unter anderem fehlen würde, um für und mit den Patienten an den Behandlungsmöglichkeiten der Zukunft made in Europe zu arbeiten.
Bevor Trump seine Zollpause angekündigt hatte, hatten die EU-Länder erste Gegenzölle auf US-Waren beschlossen – EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen begrüßte nun die temporäre Aussetzung einiger US-Zölle. „Die Europäische Union setzt sich weiterhin für konstruktive Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten ein, mit dem Ziel, einen reibungslosen und für beide Seiten vorteilhaften Handel zu erreichen“. Zugleich werde sich die EU auf Handelspartnerschaften mit Ländern konzentrieren, „die unser Engagement für einen freien und offenen Austausch von Waren, Dienstleistungen und Ideen teilen“.
Pharma-, Versorgungs-, Innovationsstandort Deutschland stärken
„Wir verstehen die aktuellen Entwicklungen als Weckruf für die Politik, Abhängigkeiten erneut zu hinterfragen und den Pharmastandort Europa gezielt zu stärken. Unsere Industrie ist auf stabile, globale Lieferketten angewiesen“, macht BPI-Vorsitzender Kirst deutlich. „Entscheidend ist jetzt eine entschlossene Industrie- und Standortpolitik. Unsere Unternehmen brauchen Planungssicherheit. Zudem müssen wir unsere strategische Autonomie in alle Richtungen stärken – mit Blick auf Absatzmärkte, Importquellen pharmazeutischer Erzeugnisse und Handelspartner. Gerade bei der Gesundheitsversorgung muss der Schutz des Menschen im Vordergrund stehen – nicht der Zolltarif.“
Mit Blick auf den von CDU/CSU und SPD veröffentlichten Koalitionsvertrag lobt der BPI, dass das Papier, „eine breite Palette gesundheitspolitischer, forschungs- und industriebezogener Themen“ aufgreife, „die Deutschland als Innovations- und Versorgungsstandort stärken können“.
BPI-Hauptgeschäftsführer Dr. Kai Joachimsen: „Gerade vor dem Hintergrund der US-Zölle müssen wir alles daransetzen, die industrielle Gesundheitswirtschaft in Deutschland zu stärken – nicht nur aus wirtschaftlichen, sondern vor allem aus versorgungspolitischen Gründen.“ pm