Der europäische Pharmaverband EFPIA warnt. Ohne Änderungen am Arzneimittelrecht werde Europa von den medizinischen Innovationen anderer Regionen abhängig sein, während die EU-Bürger länger auf medizinische Fortschritte warten müssten. Foto: sizsus/stock.adobe.com

EU-Pläne und die Sorge um innovative Arzneimittel: „Made in Europe“ oder „Made in China“?

Der globale Wettbewerb um die klügsten Köpfe, um ausgefeilte Technologien und um die besten Innovationen ist unerbittlich: Insbesondere seit der COVID-19-Pandemie haben immer mehr Länder erkannt, wie wichtig es ist, in medizinische Spitzenforschung zu investieren. Denn neue Arzneimittel und Impfstoffe sind gut für Gesundheit, Gesellschaft und Wirtschaft. Umso dramatischer ist es, dass Europa zunehmend ins Hintertreffen gerät: Die USA oder China setzen konsequenter auf Innovation, auf Zukunft.

Investitionslücke wird immer größer

Wenn es um Forschung und Entwicklung (F&E) und den Zugang zu neuen Behandlungsmethoden geht, gibt es „einige bedeutende Lücken“, sagt Nathalie Moll, Generaldirektorin des europäischen Pharmaverbands EPFIA. Und, so wird EPFIA-Generaldirektorin Moll von Pharma-Fakten.de zitiert: „Die Investitionslücke zwischen den USA und der EU betrug vor 20 Jahren zwei Milliarden Euro, heute sind es 25 Milliarden Euro. Das ist ein Anstieg der Kluft um tausend Prozent“. Und auch China hat in den vergangenen Jahren den Turbo eingelegt. Zwischen 2018 und 2022 sind die F&E-Aufwendungen dort mehr als dreimal so schnell gewachsen wie in Europa.

Das hat weitreichende Folgen: Denn es ist nicht nur Geld, das vermehrt anderswo investiert wird. Mit jedem Forschungsprojekt, das nicht in Europa stattfindet, entgeht den hiesigen Ärzten die Möglichkeit, die Medizin von Morgen aktiv mitzugestalten. Patienten beraubt es an Chancen, schon früh über klinische Studien von innovativen Therapieansätzen zu profitieren. Jobs gehen verloren, Wissen geht verloren. Neu zugelassene Arzneimittel und Impfstoffe kommen gegebenenfalls erst in anderen Regionen der Welt zum Einsatz.

Zeitalter der Innovation?

Dabei stehen die Zeichen der Zeit auf Innovation: Die Zahl der klinischen Studien mit CAR-T-Zelltherapien hat sich seit 2020 fast verdreifacht. „CAR-T“ ist eine neuartige, personalisierte Möglichkeit Blutkrebserkrankungen zu bekämpfen – und könnte künftig bei vielen weiteren Krankheitsbildern zum Einsatz kommen. Doch die große Mehrheit der klinischen Studien (rund 80 %) findet nicht in Europa statt – und so geht der Anschluss verloren.

Vor diesem Hintergrund ist es eigentlich eine gute Sache, dass die Europäische Kommission mit ihrem Entwurf für ein „EU-Pharma-Paket“ daran arbeitet, das Arzneimittelrecht grundlegend zu reformieren. Aber nur eigentlich. Denn die Gesetzgebung wird, laut EFPIA, die „Zukunft von Forschung, Entwicklung sowie Produktion in Europa für die kommenden Jahrzehnte prägen“. Dabei ist das Gesetzesvorhaben momentan so gestrickt, dass sie Innovationen verstärkt den Hahn abdrehen könnte. Statt Vollgas zu geben und zu einem Überholmanöver anzusetzen betätigt die Politik die Bremse. Der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) fürchtet unter anderem, dass ein „besonders kompliziertes System mit herabgesetzten Schutzstandards beim geistigen Eigentum“ entsteht. F&E-Investitionen werden dann unattraktiver.

Der europäische Pharmaverband EFPIA warnt: „Werden keine Änderungen vorgenommen, wird Europa von den medizinischen Innovationen anderer Regionen abhängig sein und unsere Bürger:innen werden länger auf medizinische Fortschritte warten müssen.“   pm/Pharma-Fakten