Aus der Klima- wird eine Gesundheitskatastrophe: Die immer stärkeren und längeren Hitzewellen in Deutschland fordern auch immer mehr Todesopfer. Dabei trifft es nicht nur ältere Menschen. Foto: New Africa/stock.adobe.com

Tödliche Hitze: Wenn die Klimakatastrophe in Deutschland zur Gesundheitskrise wird

Hitze ist aktuell das größte durch den Klimawandel bedingte Gesundheitsrisiko für die Menschen in Deutschland. Allein im Jahr 2022 kam es zu 4500 hitzebedingten Todesfällen. Im Jahr 2018 mit seinem besonders heißen Sommer waren sogar 8700 Hitzetote zu beklagen.  

Besonders hitzegefährdet sind ältere Menschen und solche mit Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen, aber auch Säuglinge, Kinder und Schwangere, obdachlose Menschen und solche, die im Freien arbeiten.

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO sind in Europa 2022 mindestens 15.000 Menschen an den Folgen des heißen Wetters gestorben, wobei Spanien (4.000) und Deutschland (4.500) zu den am stärksten betroffenen Ländern gehören. Quelle: Statistisches Bundesamt – Grafik: Statista.com

Deutschland ist nicht auf die Hitze vorbereitet

Obwohl in Zukunft noch längere und intensivere Hitzeperioden drohen, ist Deutschland darauf nicht vorbereitet. Bisher haben nur wenige Kommunen Hitzeaktionspläne eingeführt, und nur selten wurden Gesundheitsberufe beteiligt. Dabei spielen sie eine zentrale Rolle bei der Behandlung von Hitzeerkrankungen und bei der Vermittlung präventiver Hitzekompetenz.

Mit einem Hitzeaktionstag am 14. Juni 2023 will die Bundesärztekammer mit dem Deutschen Pflegerat und der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) auf diesen Missstand aufmerksam machen.

Hitzeschutz als gesellschaftliche Pflichtaufgabe

Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt: „Die Ärzteschaft sieht sich mit in der Verantwortung, die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen. Hitzeschutz gelingt aber nur gemeinsam. Daher muss der gesundheitliche Hitzeschutz als Pflichtaufgabe gesetzlich verankert werden, mit klaren Zuständigkeiten und Kompetenzen. Darüber hinaus sollten Kommunen, Gesundheits- und Sozialeinrichtungen, Kitas, Schulen und Unternehmen noch in diesem Sommer erste pragmatische Schutzkonzepte umsetzen, um Hitzerisiken zu reduzieren. Wir stehen mit unserem Fachwissen bereit, um bei der Planung und Umsetzung der Maßnahmen zu helfen.“

Wie die Statista-Grafik zeigt, ereigneten sich neun der zehn wärmsten Jahre aller Zeiten in den 2000er-Jahren – mit immer kürzeren Abständen zueinander. Auch die Anzahl der besonders heißen Tage in Deutschland, mit Temperaturen über 30 Grad, steigt seit Jahren tendenziell an. Quelle: DWD – Grafik. Statista.com

So wird die Klima- zur Gesundheitskatastrophe

Jana Luntz, Präsidiumsmitglied Deutscher Pflegerat: „Machen wir weiter so wie bisher, werden wir die Klimakatastrophe in vollem Ausmaß erleben und parallel dazu auch eine Gesundheitskatastrophe. Der Hitzeschutz ist nicht nur Gesundheitsschutz für die Bevölkerung. Er ist auch Gesundheitsschutz für Pflegebedürftige und deren Pflegenden. Wir müssen endlich ins Handeln kommen. Das heißt auch, den professionell Pflegenden Mitspracherecht und Handlungsautonomie zu geben. Ihre Kompetenzen gilt es auszubauen und zu nutzen. Der Profession kommt eine enorme Bedeutung beim Hitzeschutz zu.“

Hitzegefahren erkennen

KLUG-Vorstandsvorsitzender Dr. Martin Herrmann: „Hitzeschutz kann nur funktionieren, wenn an allen Stellen Menschen lernen die Hitzegefahren zu erkennen und aktiv werden. Der Hitzeaktionstag ruft deshalb bundesweit zu Aktionen und Informationsveranstaltungen des Gesundheitssektors auf. Die dort Tätigen spielen eine zentrale Rolle im Hitzeschutz!“

Klimawandel bringt neue Krankheiten

Der Klimawandel wirkt sich nicht nur auf die Umwelt aus, sondern kann auch die Gesundheit schwer beeinträchtigen. Neben Beschwerden durch Hitze kann das veränderte Klima zu anderen Erkrankungen führen, wie vermehrten Allergien oder seelischen Belastungen. Auch Infektionskrankheiten können auftreten, die bisher in Deutschland nicht vorgekommen sind. Hitze kann zu Kreislauf-Problemen führen. Erkrankungen sind zum Beispiel Hitze-Erschöpfung und Hitzschlag.

Hier lesen Sie, welche Folgen Hitze haben kann. Außerdem haben Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung Tipps zusammengestellt, wie Sie gut durch heiße Tage kommen.

Vorbeugung

Sie können Gefahren für Ihre Gesundheit durch Hitze vorbeugen: Viel trinken, leichte Kost, körperliche Anstrengungen vermeiden sowie kühle Räume sind unter anderem wichtig.

Risikogruppen

Besonders gefährdet sind ältere und kranke Menschen sowie Schwangere und Kleinkinder.

Unter der Hitze leiden mehr Frauen als Männer – und bevorzugt leiden alle unter Abgeschlagenheit, die wohl auch eine Folge der Schlafstörungen sein kann. Bei Kopfschmerzen und Schwindel ist der Anteil der Frauen deutlich höher als bei den Männern. Quelle: DAK/forsa – Grafik: Statista.com

Was passiert bei Hitze im Körper?

Unser Körper kann sich an warme Temperaturen anpassen: Die Blutgefäße erweitern sich und wir fangen an zu schwitzen. Der Schweiß kühlt die Haut ab. Bei langer und großer Hitze funktioniert dieser natürliche Temperaturmechanismus jedoch nicht mehr richtig. Dann sinkt der Blutdruck und man verliert Flüssigkeit und Salze. Das belastet besonders den Kreislauf.

Was sind die Folgen?

Hitze kann krank machen. Mögliche Beschwerden sind:

  • Hautausschlag durch Schwitzen
  • Wasser-Einlagerungen (Ödeme) in Unterschenkeln und Knöcheln
  • Schwindelgefühl beim Stehen oder kurze Bewusstlosigkeit
  • schmerzhafte Muskelkrämpfe, etwa nach dem Sport
  • Hitze-Erschöpfung: Schwäche, Unwohlsein, Kopfschmerzen, Schwindel, niedriger Blutdruck, Körpertemperatur ist normal oder unter 40 ºC
  • Hitzschlag: Körpertemperatur über 40 ºC, gestörtes Bewusstsein, eventuell Krämpfe, Erbrechen, Durchfall, niedriger Blutdruck
  • Außerdem kann Hitze unter anderem Atemwegserkrankungen verschlimmern, den Schlaf beeinträchtigen und zu Nierenerkrankungen führen. Zudem ist die Gefahr von Thrombosen und Herzinfarkten erhöht. Laut Studien gehen Hitzewellen mit mehr Einweisungen ins Krankenhaus und einer höheren Sterblichkeit einher. So kostete die Hitzewelle 2015 geschätzt etwa 6 100 Menschen in Deutschland das Leben.
Mehr als 107.000 Krankenhausbehandlungen wegen akutem Flüssigkeitsmangel hat das Statistische Bundesamt im Jahr 2020 registriert. Die Anzahl der Betroffenen hat sich somit innerhalb der letzten 20 Jahre verdreifacht, wie die Infografik von Statista zeigt. Quelle: Statistisches Bundesamt – Grafik: Statista.com

Wer ist besonders gefährdet?

Für einige Menschen kann Hitze besonders gefährlich werden. Risikogruppen sind:

  • ältere und dauerhaft kranke Menschen, etwa mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus)
  • Säuglinge und Kleinkinder
  • Schwangere
  • Menschen, die im Freien körperlich schwer arbeiten oder sehr viel Sport treiben
  • Menschen, die bestimmte Medikamente nehmen
Luftige Kleidung tragen, kühle Orte bevorzugen, kühle Getränke trinken und Ventilatoren aufstellen – das sind die bevorzugten Anti-Hitze-Tricks der Deutschen. Noch ist die Versorgung mit Klimaanlagen in Deutschland eher dürftig. Quelle: YouGov – Grafik: Statista.com

Was Sie selbst tun können

Schon kleine Dinge können Ihnen helfen, hohe Temperaturen besser zu bewältigen:

  • Trinken: Achten Sie darauf, an heißen Tagen mehr zu trinken. Das ist vor allem für ältere Menschen wichtig, weil sie weniger Durst empfinden oder das Trinken manchmal ganz vergessen. Die Getränke sollten nicht zu kalt sein. Das Trinken fällt leichter, wenn Sie sich etwas aussuchen, was Ihnen schmeckt. Gute Durstlöscher sind Mineralwasser, Saftschorlen oder Kräutertees. Auf Alkohol oder koffeinhaltige Getränke sollten Sie verzichten. Diese belasten den Kreislauf.
  • Leichte Kost: An heißen Tagen sind Obst, Gemüse oder leicht verdauliche Speisen ratsam. Salzhaltige Lebensmittel, wie Brühe oder Salzstangen, liefern dem Körper Mineralien.
  • Haut abkühlen: Lauwarme Duschen oder Fußbäder kühlen ab. Auch feuchte Tücher auf Gesicht, Nacken oder Armen können guttun.
  • Luftige Kleidung: Leichte, lange Kleidung, Sonnenbrille und Kopfbedeckung helfen. Leichte Nacht- und Bettwäsche machen warme Nächte erträglicher.
  • Räume kühl halten: Damit sich Ihre Wohnung nicht aufheizt, sollten Sie nur morgens oder abends lüften. Am frühen Morgen sind auch die Ozon-Werte am niedrigsten. Jalousien, Rollläden oder Markisen bleiben tagsüber am besten unten.
  • Wenn möglich, schaffen Sie sich einen kühlen Ort, an dem Sie sich wohl fühlen. Das kann zum Beispiel ein abgedunkeltes Zimmer oder der Balkon sein.
  • Pralle Sonne meiden: Frische Luft tut gut. Aber bei Hitze sollten Sie körperliche Aktivitäten im Freien allenfalls in die Morgen- oder Abendstunden legen. Dann atmen Sie auch weniger Ozon ein. Achten Sie darauf, dass Kinder im Kinderwagen oder pflegebedürftige Personen im Rollstuhl im Schatten stehen.
  • Medikamente und ärztliches Gespräch: Einige Medikamente können den Abkühlungsmechanismus des Körpers beeinflussen oder den Flüssigkeitsverlust verstärken. Dazu zählen zum Beispiel Entwässerungstabletten oder Schilddrüsen-Hormone. Womöglich passt die Ärztin oder der Arzt bei Hitze die Dosis an. Wichtig: Setzen Sie Ihre Medikamente nicht eigenmächtig ab oder ändern Sie nicht selbst die Dosis.
  • Lassen Sie sich bei Vorerkrankungen, Übergewicht oder mangelnder Fitness ärztlich beraten. Bei einigen Krankheiten, wie Herzschwäche, ist es ratsam, die Trinkmenge zu besprechen.
  • Um Hilfe bitten: Wenn Sie älter oder krank sind, lassen Sie sich von Familie oder Bekannten unterstützen. Diese können Besorgungen für Sie erledigen oder Sie ans Trinken erinnern.
  • Im Büro: Bei Hitze können lockere Kleidung und abgedunkelte Fenster auch in Büroräumen eine Wohltat sein. Elektrische Geräte, die Sie nicht nutzen, sollten Sie ausschalten. Diese können Wärme abstrahlen. Und Lüften hilft nicht nur gegen Viren, sondern auch gegen stickige Büroluft. Wenn möglich, nutzen Sie Gleitzeit oder flexible Arbeitszeiten.
  • Sich informieren: Hitze- und UV-Warnungen finden Sie beim Deutschen Wetterdienst (DWD) unter > www.dwd.de.

Anderen im Notfall helfen

  • Eine Hitze-Erschöpfung oder ein Hitzschlag können lebensbedrohlich sein. Sie können helfen, wenn jemand in Lebensgefahr ist.
  • Bewusstlosigkeit, Krämpfe, gestörte Bewegungsabläufe, erhöhte Körpertemperatur oder trockene, heiße Haut können auf einen Notfall hinweisen. Dann sollten Sie die Person sofort in eine Arztpraxis bringen oder den Notruf 112 anrufen. Bis Hilfe da ist, sollten Sie die Person an einen kühlen, schattigen Ort bringen und die Kleidung öffnen. Ein Wasserbad, Wasser auf die Haut sprühen oder Kühlpacks sorgen für Abkühlung.

Hitzeaktionstag am 14. Juni

Am Hitzeaktionstag am 14. Juni finden bundesweit Pressekonferenzen, Symposien und Aktionen statt, die von einer Vielzahl von gesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren getragen werden. Im Rahmen der zentralen Fachveranstaltung „Deutschland hitzeresilient machen – wir übernehmen Verantwortung“ werden gemeinsame Positionen, Forderungen und Maßnahmen vorgestellt und weiterentwickelt. In Zusammenarbeit mit der Bundesärztekammer, dem Arbeiterwohlfahrt Bundesverband, dem Deutschen Pflegerat, der Deutschen Krankenhausgesellschaft, der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin und dem Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe veranstaltet KLUG drei Online-Hitzesymposien mit Fokus auf Gesundheitseinrichtungen (Hitzeschutz in Krankenhäusern, ambulanten Praxen, sowie in ambulanter und stationärer Pflege). Auf Landesebene finden in Zusammenarbeit mit Landesärztekammern, Hitzeaktionsbündnissen, Pflegeverbänden, Health for Future Gruppen und weiteren Gesundheitsorganisationen zahlreiche Veranstaltungen statt. Hier finden Sie > politische Kernforderungen zum Hitzeaktionstag.