„Hitze stellt eine große gesundheitliche Belastung dar und kann im schlimmsten Fall zum Tod führen“, sagt Dr. Gottfried Roller, Leiter des baden-württembergischen Landesgesundheitsamts. Foto: Tof – Photographie/stock.adobe.com

Erstes Aktionsbündnis in Baden-Württemberg zum Schutz vor Gesundheitsschäden durch Hitze

Immer deutlicher macht sich der Klimawandel auch in gemäßigten Breiten durch lang andauernde Hitzewellen bemerkbar. Diese bergen gesundheitliche Gefahren vor allem für ältere, pflegebedürftige und vorerkrankte Menschen, Schwangere, Säuglinge und Kinder sowie für Menschen mit Behinderungen. Gesundheitsminister Manne Lucha kündigte am 14. Juni in Stuttgart an, unter anderem mit der Landesärztekammer und dem Deutschen Wetterdienst ein Aktionsbündnis zu gründen.

Damit soll gezeigt werden, dass Klimawandel und Gesundheit, insbesondere der gesundheitliche Hitzeschutz, in Baden-Württemberg einen hohen Stellenwert einnimmt und die Bevölkerung entsprechend sensibilisiert werden soll. Die Akteure wollen die bestehende Zusammenarbeit ausbauen und verstetigen sowie das Thema Hitzeschutz stärker in den gesellschaftlichen Fokus rücken und konkrete Maßnahmen vor allem für vulnerable Gruppen entwickeln.

Minister Lucha: „Hitze betrifft uns alle“

„Gefahren, die von Hitzewellen ausgehen, müssen wir sehr ernst nehmen. Unsere Botschaft ist klar: Hitze betrifft uns alle, und wir müssen sie als gesamtgesellschaftliche Aufgabe wahrnehmen und angehen. Ich begrüße es deshalb sehr, dass wir zusammen mit der Landesärztekammer und dem Deutschen Wetterdienst an einem Strang ziehen und in dem Aktionsbündnis noch stärker zusammenarbeiten werden. Wir müssen uns auf die zunehmenden Hitzewellen vorbereiten und an besonders heißen Tagen Schutzmaßnahmen ergreifen“, sagte Lucha.

Der Präsident der Landesärztekammer, Dr. Wolfgang Miller, betonte: „Als Ärztinnen und Ärzte bringen wir unsere Fachkenntnis beim gesundheitsbezogenen Hitzeschutz ein. Zudem intensivieren wir im Kreis unserer Kolleginnen und Kollegen das Wissen um die Folgen des Klimawandels und um die gesundheitliche Gefährdung durch Hitze. Bereits in den letzten Jahren haben wir die Kenntnis der Folgen des Klimawandels und ihre Bedeutung für die Gesundheit der Menschen verpflichtend in die Aus- und Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten aufgenommen.“

Unter der Hitze leiden mehr Frauen als Männer – und bevorzugt leiden alle unter Abgeschlagenheit, die wohl auch eine Folge der Schlafstörungen sein kann. Bei Kopfschmerzen und Schwindel ist der Anteil der Frauen deutlich höher als bei den Männern. Quelle: DAK/forsa – Grafik: Statista.com

Seit 20 Jahren intensive Hitzewellen

Der Klimaschutzbeauftragte der Landesärztekammer, Dr. Robin Maitra, ergänzte: „Als Ärzteschaft nehmen wir unsere Verantwortung wahr, die Kenntnisse um die gesundheitlichen Folgen von Hitze auch in die Bevölkerung zu tragen. Hier werden wir in unserer Eigenschaft als Experten für die Gesundheit der Menschen vertrauensvoll und als Multiplikatoren tätig und können das Bewusstsein unserer Patientinnen und Patienten schärfen.“

Prof. Dr. Andreas Matzarakis, der Leiter des Zentrums für Medizin-Meteorologische Forschung des Deutschen Wetterdienstes, erklärte: „Laut Weltklimarat und wissenschaftlichen Untersuchungen werden die Hitzewellen an Intensität gewinnen, ihre Dauer wird ansteigen und die Häufigkeit zunehmen. Dies bedeutet nicht, dass wir in Deutschland heute keine Hitzewellen und keine Auswirkungen hätten. Wir haben in den letzten 20 Jahren intensive Hitzewellen. In Deutschland ist das Hitzewarnsystem für die menschliche Gesundheit seit 2005 im Einsatz und liefert alle wichtigen und notwendigen Informationen über die Situation im Freien, in Innenräumen, in der Nacht, für die speziellen Bedingungen in Städten und für ältere Menschen.“

Und wie erhält man diese wichtigen Information? „Auf der Webseite http://www.hitzewarnungen.de kann ein entsprechender E-Mail-Newsletter abonniert werden. Dort finden Sie auch flächendeckende Informationen über Warnungen für den aktuellen und nächsten Tag auf Landkreisebene sowie einen Hitzetrend für die darauffolgenden Tage drei bis sechs“, sagt Matzarakis.

1500 durch Hitze mitverursachte Todesfälle pro Jahr im Südwesten

Dr. Gottfried Roller, der Leiter des Landesgesundheitsamts, unterstrich: „Insbesondere gefährdete Personen und deren Angehörige sollten sich unbedingt über Schutzmaßnahmen vor Hitze informieren und diese an heißen Tagen entsprechend umsetzen. Hitze stellt eine große gesundheitliche Belastung dar und kann im schlimmsten Fall zum Tod führen.“ Nach Schätzungen des Statistischen Landesamts würden in Baden-Württemberg pro Jahr im Schnitt etwa 1.500 Todesfälle durch Hitze mitverursacht.

Erste Städte wie Mannheim und Heidelberg hätten sich bereits auf den Weg gemacht und Hitzeaktionspläne erstellt, berichtete der LGA-Leiter weiter. „Wir begleiten diesen Weg und beraten die Gesundheitsämter durch das im Mai 2022 neu gegründete Kompetenzzentrum Klimawandel und Gesundheit“, sagte LGA-Leiter Dr. Roller. „Beispielsweise enthält der Hitzeaktionsplan von Mannheim eine Info-Broschüre mit Notrufnummern, Hitzeschutztipps, kühlen Orten, ziel-gruppenspezifischen Tipps für Multiplikatoren wie Pflegepersonal und Erzieherinnen und Erzieher und einen Hitze-Check zur eigenen Empfindlichkeit – das ist vorbildlich.“

Gesundheitsminister Lucha betonte: „Ich begrüße ausdrücklich das vorbildhafte Engagement der Vorreiter-Kommunen. Dass sie diese Aufgabe direkt übernehmen, ist sinnvoll – denn nur sie können in einem großen Flächenland auf die jeweils unterschiedlichen lokalen Gegebenheiten eingehen. Eine locker bebaute, hochgelegene Gemeinde im Schwarzwald wird vermutlich nicht dieselben Maßnahmen treffen müssen wie eine dichtbesiedelte Großstadt im Oberrheingraben.“ Die Gesundheitsministerkonferenz der Länder (GMK) hatte bereits 2020 betont, wie wichtig solche kommunalen Hitzeaktionspläne sind und deren rasche Erstellung gefordert. „Hierfür ist die Zusammenarbeit mit allen relevanten Akteuren wie den Pflegediensten, dem ambulanten und stationären Versorgungssektor, dem Öffentlichen Gesundheitsdienst sowie den Krankenkassen erforderlich“, sagte Lucha, der in diesem Jahr auch GMK-Vorsitzender ist.

Empfehlungen zum Schutz vor negativen Auswirkungen von Hitze

  • Halten Sie sich während der Mittagshitze möglichst in Innenräumen oder im Schatten auf und versuchen Sie, körperliche Anstrengungen zu vermeiden. Tätigkeiten im Freien sollten auf die kühleren Morgen- und Abendstunden beschränkt werden.
  • Sorgen Sie für eine ausreichende Flüssigkeitsversorgung. Geeignet sind Wasser, Saftschorlen, Suppen oder auch wasserreiche Früchte. Vermeiden Sie Alkohol und Koffein. Nehmen Sie mehrere kleine, leichte Mahlzeiten zu sich.
  • Nutzen Sie die Abkühlung der Nacht und der frühen Morgenstunden, um Räume zu lüften. Dunkeln Sie Räume tagsüber ab und nutzen Sie dafür möglichst Außenjalousien oder Rollläden.
  • Tragen Sie leichte, nicht einengende Baumwollkleidung in hellen Farben. Bei Sonneneinstrahlung helfen auch eine Kopfbedeckung und Sonnenschutz.
  • Achten Sie auch insbesondere auf Angehörige und Mitbürgerinnen und Mitbürger, welche diese Empfehlungen nicht selbständig umsetzen können.
  • Informieren Sie sich über klimatisierte Räume, die in Ihrer Umgebung für die Öffentlichkeit zugänglich sind wie beispielsweise Bibliotheken.

Luftige Kleidung tragen, kühle Orte bevorzugen, kühle Getränke trinken und Ventilatoren aufstellen – das sind die bevorzugten Anti-Hitze-Tricks der Deutschen. Noch ist die Versorgung mit Klimaanlagen in Deutschland eher dürftig. Quelle: YouGov – Grafik: Statista.com

Hintergrundinformationen

Webseite des Kompetenzzentrums Klimawandel und Gesundheit am LGA, mit Themenseite zu Gesundheit und Hitze:

https://www.gesundheitsamt-bw.de/lga/de/kompetenzzentren-netzwerke/kompetenzzentrum-klimawandel-und-gesundheit/

https://www.gesundheitsamt-bw.de/lga/de/themen/gesundheit-umwelt/gesundheit-hitze/

Themen-Website der Landesärztekammer mit weiteren Empfehlungen zum Schutz vor und Umgang mit Hitze:

https://www.aerztekammer-bw.de/hitze