Die Frage der Kommunikation im Falle einer schweren Krebserkrankung ist ein extrem wichtiges Thema. Gleichzeitig ist Krebs in unserer Gesellschaft nach wie vor ein Tabuthema. Betroffene berichten, dass das Sprechen über die Erkrankung ein langer Prozess ist – wie die Akzeptanz oder das Begreifen der Diagnose. Foto: fizkes/stock.adobe.com

Tabuthema Krebs: Wie spricht man über eine fortgeschrittene Erkrankung?

Brustkrebs ist der häufigste bösartige Tumor bei Frauen. Wenn er bereits gestreut hat, gilt er derzeit als nicht heilbar – dank des medizinischen Fortschritts können aber viele Patientinnen jahrelang damit leben. Doch wie lässt sich über so eine fortgeschrittene Erkrankung sprechen? Worauf sollten Ärzte in der Kommunikation mit den Betroffenen achten? Was ist, wenn zum Beispiel Kinder involviert sind? Darüber tauschte sich eine Expertinnen-Runde auf dem „Mamma Mia! Patientenkongress DIGITAL 2024“ aus.

Das Sprechen über den Krebs ist ein langer Prozess

Für Eva Schumacher-Wulf, Gründerin und Chefredakteurin von „Mamma Mia! Die Krebsmagazine“, ist die Frage der Kommunikation „eines der essenziellsten Themen“. Gleichzeitig ist Krebs in unserer Gesellschaft nach wie vor ein Tabuthema. Die Betroffene Margot Mennicke weiß aus eigener Erfahrung, „dass das Sprechen über die Erkrankung ein genauso langer Prozess wie die Akzeptanz oder das Begreifen der Diagnose an sich ist.“ Seit über 20 Jahren setzt sie sich mit Brustkrebs auseinander: Zunächst als Angehörige – ihre Mutter lebte „sehr lange mit dieser Erkrankung“. Vor rund fünf Jahren wurde sie selbst zur Patientin – „und zwei Jahre später kam dann überraschend auch meine Metastasen-Diagnose“.

„Am Anfang ist man – zumindest ging es mir so – in einer Schockstarre, in einem Zustand der Lähmung. Bis man anfangen kann, das zu realisieren, […] das dauert seine Zeit“. Es sei „ein Lernprozess.“ Und es stellt sich die Frage: „Was möchte ich mit wem und wie, in welcher Form teilen und weitergeben?“ Mit ihrer Mutter hatte sie damals eine besondere Beziehung aufgebaut. „Es gab keine Tabus. Es war offen, aber nicht dramatisierend. Wir konnten uns genauso gut über Sterben und Tod austauschen wie auch alles verdrängen und uns dem Leben zuwenden.“

Vier wichtige Punkte im Arzt-Patienten-Gespräch

Das, was Mennicke beschreibt, sei „ein absoluter Ausnahmezustand“, denkt Prof. Dr. Ute-Susann Albert von der Frauen- und Poliklinik am Uniklinikum Würzburg. Häufig herrsche eine Leere vor, so ihre Beobachtung. Als Behandelnde eine Diagnose zu überbringen ist eine Herausforderung: „Ich muss einen Weg finden, wie ich jetzt das Wichtige kommuniziere.“ Schließlich geht es darum, dass die Patientinnen essenzielle Informationen zu den nächsten Schritten aufnehmen, obwohl ihr Leben soeben auf den Kopf gestellt wurde. „Das ist wie eine gelöschte Festplatte, da ist noch nicht mal ein Programm aufgespielt.“

Worauf Ärzte im Gespräch achten sollten? Für Prof. Dr. Albert sind vor allem vier Punkte wichtig:

  • Erstens: „Der Erste ist natürlich, in einer Alltagssprache zu bleiben, die auch verstanden wird.“
  • Zweitens: Sich als Mediziner rückversichern, dass die Inhalte ankommen und dass das grundlegende Wissen vorhanden ist. Schließlich geht es um die Diagnose, um den weiteren Weg – um das Leben der Patientinnen.
  • Drittens: „Nachfragen, wie das Befinden in der Situation ist – also deutlich machen, dass wir Beide uns in dieser Gesprächssituation auch auf einer emotionalen Ebene verständigen können.“
  • Viertens: Es ist wichtig, darzulegen, „dass es immer die Möglichkeit gibt, nochmal zu reflektieren, zu besprechen“.

Krebs-Diagnose: Zwischen Sprachlosigkeit und Hoffnung

Dieser letzte Punkt liegt Diplom-Psychologin Daniela Breitschuh, Uniklinikum Köln, besonders am Herzen. Behandelnde müssten gemeinsam mit den Betroffenen auch Momente der Sprachlosigkeit aushalten können. Zusätzlich brauche es immer wieder ein „Innehalten, schließlich kann man nicht klarsehen und das muss sich alles erstmal setzen. Das ist ganz oft unsere Rolle als Psychoonkologen, diese Räume aufzumachen, diese Zeit zu schenken, um hinzugucken: Was ist eigentlich mit dem eigenen Kompass los, was ist der eigene Bedarf, wo darf es grad hingehen – und dabei zu unterstützen.“

Die Brustkrebs-Betroffene Margot Mennicke hat in Bezug auf die Kommunikation größtenteils gute Erfahrungen mit Ärzten gemacht. Gerade bei der Diagnose ihres Rückfalls fühlte sie sich „abgeholt“ – sie wollte „zunehmend allumfassend informiert sein“, ihr habe das bei der Verarbeitung und „gegen die innere Angst“ geholfen. Sie fand gut, wenn Gespräche „hoffnungsvoll optimistisch geführt“ wurden. Sie habe „dann Mut geschöpft“ – auch wegen der „Forschung, die weitere Fortschritte macht“ und den „vielen Therapielinien“, die es inzwischen gibt. Insbesondere die Onkologin ihrer Mutter hatte die „Gabe“, die Dinge „so zu formulieren, dass man das Gefühl hatte – egal in welcher Therapielinie sie sich befand – dass es immer das Beste ist, was sie bekommen kann, und dass es weitergeht.“

Krebs: Die Sache mit der Prognose

Wie ist die Prognose? Diese Frage stellen sich die meisten Menschen bei einer Krebserkrankung. Gerade bei der allerersten Diagnosestellung verstecke sich dahinter meist die allgemeinere Frage nach der „Chance“, meint Frau Breitschuh: „Werde ich überleben?“ Medizinerin Prof. Dr. Albert stimmt ihr zu: In unserer Gesellschaft habe sich der „Mythos festgefressen“, wonach Krebs gleich mit einem Todesurteil verbunden wird. Eine mögliche Antwort, die sie ihren Patientinnen mit auf den Weg gibt: „Die Prognose heißt Leben.“ Das Leben gehe erstmal weiter – „und dafür muss man jetzt gewappnet werden, für alle Schritte“.

Dennoch kommt oft irgendwann die Zeit, zu der die Menschen mit der Prognose-Frage durchaus den tatsächlichen medizinischen Kontext, genaue Daten und Fakten, meinen – vor allem, wenn sie schon länger in Behandlung sind. Da sei es dann wichtig, tiefgehende Informationen zu geben und „das ernsthaft miteinander zu besprechen“. Das zeigt: Ärzte brauchen Feingefühl, um den Bedürfnissen der Betroffenen gerecht zu werden.

Vieles verändert sich – für die ganze Familie

Dabei gilt es, den Blick über die rein medizinische Behandlung hinaus zu öffnen. Prof. Dr. Albert: „Frauen sind die Caregiver hier in Deutschland, d.h. sie kümmern sich primär um Kinder“. Teilweise sind sie neben einer Berufstätigkeit zusätzlich für pflegende Angehörige zuständig. Bei einer Krebserkrankung ist es unter Umständen „notwendig, dass die helfenden Dienste mit an Bord kommen, und zwar rechtzeitig“. Denn: Genügend Zeit für eine Therapie ist nur, wenn zuhause jemand einspringt. Macht eine Haushaltshilfe Sinn, ist Kurzzeitpflege gewünscht, braucht es weitere Unterstützung?

Für Psychoonkologin Breitschuh ist es ein Herzensanliegen, das gesamte „Familiensystem“ bestmöglich „in einer offenen Kommunikation“ zu begleiten. Ihre eigene Mutter sprach mit ihr nicht über ihre Krebserkrankung. Sie sagt: Kinder haben „kleine Antennen auf dem Kopf – sie wissen genau, wenn was los ist. Alles, was keinen Namen hat, muss etwas Schreckliches sein“. Für Eltern gäbe es Beratungsangebote, um auszuloten, wie sie innerhalb der Familie über so ein Thema sprechen können. Offene Kommunikation heißt für Breitschuh auch, dass die Beteiligten das Recht haben, „auch mal nichts zu sagen“.

Margot Mennicke spricht mit ihren eigenen Kindern ähnlich wie damals mit ihrer Mutter: „offen, aber nicht dramatisierend.“ Die Gegebenheiten werden „auf einer Ebene, die sie verstehen“, angesprochen – um „dann aber ins Leben zurückzukommen“. Der Krebs soll schließlich nicht alles bestimmen.

Letztlich ist es mit der Kommunikation ähnlich wie mit der Therapie: Alles kann, nichts muss. „Shared Decision bedeutet für mich, dass man die Angebote, die wir einerseits machen, und das, was die Lebensrealität der Patientinnen ist, versucht in einen Einklang zu bekommen und dann einen gemeinsamen Therapieweg findet“, betont Prof. Dr. Albert. Pharma-Fakten.de

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