
Werden Schmerzen über Jahre nur symptomatisch behandelt, hat dies sowohl mentale als auch körperliche Auswirkungen, die das Leiden zusätzlich verstärken. Ein Ausweg wäre eine multimodale Schmerztherapie, die ein interdisziplinäres Denken voraussetzt. Foto: New Africa/stock.adobe.com
Problematisch: Chronische Schmerzen werden häufig nur symptomatisch behandelt
Millionen Menschen in Deutschland leiden an chronischen Schmerzen. Trotz der hohen Anzahl erleben die meisten immer wieder dasselbe Problem: Ihre Schmerzen werden nur oberflächlich behandelt, statt die wahre Ursache anzugehen. Medikamente und kurzfristige Lösungen stehen im Vordergrund – die Schmerzen kommen aber immer wieder zurück.
Die Tatsache, dass viele Ärzte chronische Schmerzen vorwiegend symptomatisch und nicht ursächlich behandeln, lasse sich unter anderem durch die aktuellen Strukturen des Gesundheitssystems erklären, so Dr. Csaba Losonc. Der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Gründer und Leiter des medizinischen Versorgungszentrums MEDICUM Rhein-Ahr-Eifel in Bad Neuenahr-Ahrweiler, sieht den wirtschaftlichen Druck, der auf medizinischen Einrichtungen und Praxen lastet, als einer der Hauptfaktoren für diese Art der Schmerzbehandlung. Viele Ärzte würden vor der Herausforderung stehen, eine hohe Patientenzahl zu betreuen und dabei wirtschaftlich effizient zu arbeiten. Deshalb hätten sie oft keine andere Wahl, als auf zeit- und kostenintensive Behandlungsansätze zu verzichten. Dadurch entstehe ein deutliches Ungleichgewicht, bei dem symptomatische Behandlungen meist das Mittel der Wahl sind.
Psychische Langzeitfolgen bei fehlender Behandlung
Werden die Schmerzen über Jahre nur symptomatisch behandelt, hat dies sowohl mentale als auch körperliche Auswirkungen, die das Leiden zusätzlich verstärken. Betroffene empfinden oft Frustration und Hoffnungslosigkeit, da eine reine Symptombehandlung nur vorübergehende Linderung bedeutet.
Häufig entwickeln sie ein „Schmerzgedächtnis“ – neuroplastische Veränderungen im Gehirn, die den Schmerz als Normalzustand verankern und die Schmerzempfindung verstärken. Die negativen Gedanken und die ständige Erwartung, dass der Schmerz zurückkommt, fördern außerdem das Risiko für psychische Erkrankungen wie Angststörungen und Depressionen.
Schonhaltung und Nebenwirkungen der Medikamente
Körperlich kommt es zu einer sukzessiven Verschlechterung der Gesundheit. Denn meist gehen Menschen mit Schmerzen in eine Schonhaltung und bewegen sich anders, um den Schmerz zu vermeiden. Zudem kann es durch die dauerhafte Einnahme von Schmerzmitteln zu Nebenwirkungen kommen. So gelangen Betroffene irgendwann in eine Negativspirale, aus der sie ohne den richtigen Therapieansatz und fremde Hilfe nicht mehr herauskommen.
Die multimodale Schmerztherapie als Lösungsansatz
Es brauche folglich, so Losonc, einen anderen Ansatz, der flächendeckend von Ärzten eingesetzt werde. Effektive Therapien bei chronischen Schmerzen sollten viele unterschiedliche Aspekte berücksichtigen, wie es zum Beispiel in der multimodalen Schmerztherapie der Fall ist. Ein solcher Ansatz kombiniere Methoden aus Disziplinen wie Physiotherapie, Psychotherapie, Ernährungswissenschaft, Schmerzmedizin und Ergotherapie, die interdisziplinär aufeinander abgestimmt seien. Ziel sei es, den Schmerz umfassend zu behandeln und so einen langfristigen Ausweg aus der Schmerzspirale zu bieten.
Typische Elemente sind Bewegungstherapien, um Muskulatur und Beweglichkeit zu fördern und Entspannungsverfahren, die durch Stressabbau das Schmerzempfinden positiv beeinflussen. Ergänzend spielt die kognitive Verhaltenstherapie eine wichtige Rolle: Patienten lernen dabei, den Zusammenhang zwischen Gedanken, Emotionen und Schmerz zu verstehen und negative Gedankenschleifen, die Schmerz verstärken, aktiv zu durchbrechen.
Auch Physiotherapie und andere körperlich aktivierende Maßnahmen sind entscheidend. Durch gezielte Bewegung und sanftes Training können Patienten ihre körperliche Belastbarkeit steigern und Schonhaltungen abbauen, was langfristig die Schmerzempfindlichkeit senken kann. Auf lange Sicht, so Losonc, hätten Schmerzpatienten von einem solchen umfassenden Ansatz also nur Vorteile.
Umso wichtiger sei es, ganzheitliche Ansätze wie die multimodale Therapie in Deutschland voranzutreiben. Nachhaltige Lösungen würden ein Verständnis der komplexen Zusammenhänge zwischen körperlichen, mentalen und sozialen Aspekten des Schmerzes erfordern, um eine wirkliche Besserung zu erreichen. Die Herausforderung bestehe darin, den Wert solcher Therapien anzuerkennen und besser in das Gesundheitssystem zu integrieren.
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