Droht der Sozialen Pflegeversicherung die Insolvenz? Müssen schon die Notgroschen ausgegeben werden? Und welche Summe müssen die Versicherten demnächst für die Pflegeversicherung aufbringen, wo doch eine Beitragserhöhung so gut wie gesichert zu sein scheint? Foto: studio v-zwoelf/stock.adobe.com

Pflege in der Krise: Droht der Pflegeversicherung bald die Insolvenz?

Die Pflegeversicherung rutscht in eine veritable Krise. Ob sie existenziell wird, könnte sich bald zeigen. Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung dürften 2025 wohl stärker steigen als bislang vermutet. Das liegt vor allem an der miserablen Finanzsituation der Pflegeversicherung. Da erscheint auch die Ankündigung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach am Montag in Berlin nicht sonderlich beruhigend zu wirken, der in wenigen Wochen eine „große Reform“ vorstellen möchte.

Lauterbach: Pflegeversicherung droht nicht die Insolvenz

Besondere Details, etwa zu Beitragssatzsteigerungen, nannte er nicht. Lauterbach hatte aber schon vor über einem Monat über mögliche höhere Beitragssätze in der Kranken- und Pflegeversicherung geredet. „Die Pflegeversicherung ist nicht insolvent, ihr droht auch nicht die Insolvenz“, sagte Lauterbach. Außerdem bürge die Bundesregierung dafür, dass Pflegebedürftige und Angehörige darauf verlassen könnten, dass die Pflegeversicherung für die Versorgung aufkomme. Doch nun müsse geklärt werden, wie sehr die Beitragszahler dafür zur Kasse gebeten werden und woher das Geld dafür kommen soll.

Sofortige Rückzahlung von Corona-Hilfen gefordert

Die DAK-Gesundheit hat schon eine Idee. Ein aktuelles Rechtsgutachten im Auftrag der Krankenkasse zeigt auf, dass die Rückzahlung von Corona-Hilfen an die Pflegeversicherung zwingend geboten sei. Vor diesem Hintergrund fordert DAK-Vorstandchef Andreas Storm vom Bund die kurzfristige Rückzahlung von 6 Milliarden Euro. Erfolge die Rückzahlung nicht, sei dies laut Gutachten eindeutig verfassungswidrig und habe fatale Folgen. Mit der geforderten Finanzspritze könne der für 2025 drohende massive Beitragsanstieg in der Pflegeversicherung von rund 0,3 Prozentpunkten verhindert werden.

Im Koalitionsvertrag der Ampelregierung war eine Refinanzierung dieser pandemiebedingten Zusatzkosten aus Steuermitteln zugesichert worden. Geflossen ist bislang verteilt auf die Jahre 2020, 2021 und 2022 ein Bundeszuschuss in Gesamthöhe von 5,5 Milliarden Euro. Dieser sollte verhindern, dass im Ausgleichsfonds der Pflegekassen das gesetzliche Rücklagesoll unterschritten wird. Allerdings deckt diese Summe noch nicht einmal die Hälfte der Gesamtkosten ab, die den Kassen durch die Übernahme der pandemiebedingten Sonderbelastungen entstanden sind.

„Der Pflegeversicherung droht in wenigen Monaten die Zahlungsunfähigkeit“, sagt DAK-Vorstandchef Storm. Und wie schnell und effektiv die von Lauterbach angekündigte „große Reform“ der Sozialen Pflegeversicherung (SPV) kommt, ist nicht bekannt.

AOK fordert „umgehend eine Finanzreform“

„Wir brauchen jetzt umgehend eine Finanzreform, die die Liquidität der SPV kurzfristig sicherstellt und einer Anhebung des Beitragssatzes vorbeugt. Dazu gehört in erster Linie der immer noch ausstehende Ausgleich von Pandemie-Kosten in Höhe von 5,3 Milliarden Euro, die die SPV getragen hat. Außerdem braucht es einen Steuerzuschuss für versicherungsfremde Leistungen wie zum Beispiel die Rentenversicherungsbeiträge von pflegenden Angehörigen, was auch nochmal fast 4 Milliarden Euro brächte. Eine rechtzeitige Umsetzung allein dieser beiden Maßnahmen hätte die dramatische Situation der SPV längst verhindern können. Bleibt die Bundesregierung weiter tatenlos, wird eine neuerliche Zusatzbelastung der Beitragszahlenden in Höhe von 0,2 bis 0,3 Beitragssatzpunkten unvermeidlich“, erklärt die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Dr. Carola Reimann.

AOK: Bundesregierung hat Problem verdrängt

Und dann fordert sie von der Bundesregierung ein schnelles Gegensteuern. „Die Finanzlage der Sozialen Pflegeversicherung ist äußerst kritisch. In diesem Jahr erwarten wir ein Defizit von 1,6 Milliarden Euro, im kommenden Jahr sogar von 4,2 Milliarden Euro. Obwohl die Situation sich seit Monaten zuspitzt, hat die Bundesregierung bis heute die Hände in den Schoß gelegt und das Problem verdrängt“, klagt Carola Reimann.

Völlig unverständlich sei zudem, warum das Bundesgesundheitsministerium die Umsetzung der im Pflegeunterstützungs- und -Pflegeentlastungsgesetz vorgesehenen Dynamisierung der Leistungsbeträge verschleppe. Die dafür erforderliche Bekanntmachung im Bundesanzeiger hätte längst vorliegen müssen, damit die Pflegekassen ihre Systeme an die zum 1. Januar 2025 vorgesehene Erhöhung um 4,5 Prozent anpassen könnten. Reimann weiter: „Diese durch das Ministerium verursachte Verzögerung von gesetzlich beschlossenen Verbesserungen ist nicht akzeptabel.“

Erste Pflegereform brachte höhere Beiträge

Lauterbachs „große Reform“ hat schon einen Vorgänger. Die erste Pflegereform brachte Entlastungen für Pflegebedürftige bei Eigenanteilen, die sie im Heim zahlen müssen, aber auch bereits einen höheren Beitrag für die Versicherten. Und der dürfte 2025 wohl weiter steigen, wie nicht nur die Versicherungen schätzen.      tok/pm