Osteoporose entwickelt sich schleichend. Kommt es nach einem Sturz zu einem Knochenbruch, sollten ältere Menschen unbedingt darauf achten, auf den Knochenabbau durch Osteoporose untersucht zu werden. Foto: Photographee.eu/stock.adobe.com

Osteoporose-Aktion: „Bei einer Fraktur sollten Menschen über 50 eine Knochendichtemessung erhalten“

Wer an Osteoporose erkrankt ist, spürt davon oftmals über Jahre nichts. Substanz und Dichte der Knochen werden langsam und meist ohne Schmerzen abgebaut. Das erste Anzeichen einer Osteoporose ist deshalb in vielen Fällen ein Knochenbruch. Damit es nicht zu Folgebrüchen kommt und der Knochenabbau eingedämmt werden kann, muss Osteoporose konsequent behandelt werden. Doch in Deutschland klafft eine große Behandlungslücke: Nur rund ein Viertel der betroffenen Patienten über 50 Jahre erhalten eine wirksame Osteoporose-Therapie.

Wie sich einer Osteoporose vorbeugen lässt, wer besonders stark betroffen ist und was im Fall eines Knochenbruchs zu tun ist, dazu informierten Experten in der Telefonaktion SPRECHZEIT. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum Nachlesen:

Wer ist besonders gefährdet, an Osteoporose zu erkranken?

Dr. med. Christiane Karrenberg: Der größte Risikofaktor ist der natürliche Alterungsprozess, der von den Genen, der Lebensweise und etwaigen Begleiterkrankungen beeinflusst und möglicherweise beschleunigt wird. Osteoporose trifft vor allem Frauen nach den Wechseljahren oder Frauen und Männer ab 50 mit Begleiterkrankungen. Daher sollten diese Gruppen vorsorglich eine Osteoporose-Basisdiagnostik durchlaufen. Faktoren wie Bewegungsmangel, Untergewicht, Rheuma, Zöliakie, Hormon- und Stoffwechselerkrankungen wie etwa Diabetes oder eine Überfunktion der Schilddrüse sowie die Einnahme bestimmter Medikamente, darunter Cortison, erhöhen das Osteoporose-Risiko erheblich. Auch wenn Verwandte an Osteoporose erkrankt sind, kann das persönliche Erkrankungsrisiko höher sein.

Wie lässt sich einer Osteoporose vorbeugen?

Dr. med. Christiane Karrenberg: Vorbeugend hilft ein gesunder Lebensstil mit viel Bewegung und knochengesunder Ernährung. Dazu gehört eine eiweißreiche Ernährung – als Faustregel gilt täglich ein Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht. Außerdem die Sicherstellung von insgesamt 1000 Milligramm Calcium pro Tag sowie die Einnahme von täglich 1000 IE Vitamin D3 über die Ernährung oder als Supplement.

Was bedeutet „Basisdiagnostik“ bei Osteoporose?

Dr. med. Daniel Dobbert: Eine Basisdiagnostik dient der Abschätzung des individuellen Risikos, an einer Osteoporose zu erkranken. Sie umfasst neben spezifischen, patientenindividuellen Untersuchungen auch Laborwerte des Blutes, eine Knochendichtemessung – also eine Röntgenuntersuchung – sowie eine spezifische Anamnese. Anhand der Ergebnisse können das individuelle Erkrankungsrisiko und das Frakturrisiko bestimmt werden.

Wie bekomme ich eine Osteoporose-Vorsorgeuntersuchung?

Dr. med. Patrick Wurth: Zuerst besprechen Sie das Ansinnen mit Ihrem Hausarzt. Dieser wird Sie beraten, ob die Untersuchung notwendig und sinnvoll ist und ob die Kosten von Ihrer Krankenversicherung übernommen werden. Er wird Ihnen Kollegen in Ihrer Nähe empfehlen, oder Sie finden über die Internetseite des Dachverbands Osteologie einen zertifizierten Osteologen in ihrer Region. Der Osteologe wird dann in der Regel die Untersuchung, die Therapie und die längerfristige Betreuung durchführen.

Wer übernimmt die Kosten für eine Knochendichtemessung?

Dr. med. Daniel Dobbert: Die Knochendichtemessung ist eine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen, wenn ein Verdacht auf Osteoporose vorliegt, zum Beispiel nach einer Fraktur oder bei bestimmten Nebenerkrankungen und Medikamenten. Nach der aktuellen Leitlinie ist sie auch als einmalige Risikoabschätzung bei Frauen ab einem Alter von 50 Jahren und Männern ab 60 Jahren Kassenleistung.

Mein 82-jähriger Vater hat sich nach einem harmlosen Sturz Rippen gebrochen. Was können wir tun?

Dr. med. Friederike Thomasius: Sprechen Sie Ihren Hausarzt/Ihre Hausärztin an, damit eine Beratung zum Knochenbruchrisiko erfolgen und eine Osteoporose-Diagnostik veranlasst werden kann. Die Beratung ist gesetzlich im Rahmen der Gesundheitsuntersuchung nach § 25 SGB V geregelt. Sie sollte gleichzeitig zur Basistherapie erfolgen, also täglich 1000 Milligramm Calcium über die Ernährung und täglich 1000 IE Vitamin D sowie Muskel- und Sturzpräventionstraining, zum Beispiel im Rahmen von Rehasport. Zusätzlich gilt auch hier eine empfohlene Eiweißaufnahme von täglich einem Gramm je Kilogramm Körpergewicht.

Gibt es spezielle Reha-Angebote für Menschen mit Osteoporose?

Prof. Dr. Dr. med. Eric Hesse: Es gibt spezielle Reha-Angebote für Menschen mit Osteoporose, die darauf abzielen, die Knochengesundheit zu stärken und Sturzrisiken zu minimieren. Durch Physiotherapie und medizinisches Training wird die Muskulatur aufgebaut und die Körperhaltung verbessert. Ergotherapie unterstützt dabei, alltägliche Bewegungen sicherer und gelenkschonender auszuführen. Spezielle Sturzprophylaxe-Programme fördern das Gleichgewicht und reduzieren die Unfallgefahr. In vielen Reha-Einrichtungen wird zudem psychologische Unterstützung angeboten, um den Umgang mit der Erkrankung zu erleichtern. Die Rehabilitation kann sowohl ambulant als auch stationär erfolgen. Ein interdisziplinäres Team aus Fachärzten, Therapeuten und Ernährungsberatern stellt sicher, dass die Behandlung individuell auf die Bedürfnisse der Patienten abgestimmt ist.

Wie stellen Kliniken sicher, dass Osteoporose nicht übersehen wird?

Dr. med. Friederike Thomasius: Krankenhäuser und Kliniken nehmen hier eine Schlüsselposition ein, denn dort werden Patientinnen und Patienten mit Frakturen versorgt. Ab dem Alter von 50 Jahren sollte eine Fraktur eine Knochendichtemessung zur Folge haben – ausgenommen sind hier Brüche der Zehen und Finger sowie des Schädels. Bei Wirbel- und Schenkelhalsbrüchen ist die Vernetzung zwischen der Klinik und der anschließenden ambulanten Versorgung besonders wichtig. Betroffene benötigen rasch eine Therapie, entweder direkt in der Klinik oder beim niedergelassenen Arzt/Ärztin. Im Idealfall wird dies im Rahmen von strukturierten Versorgungsprogrammen organisiert, den so genannten Disease-Management-Programmen.

Wie finde ich Osteologen in meiner Nähe?

Dr. med. Ortrun Stenglein-Gröschel: Der Wissenschaftliche Dachverband Osteologie, in dem auch die Behandlungsleitlinie Osteoporose verabschiedet wird, bietet auf seiner Internetseite die Möglichkeit, zertifizierte Osteologinnen und Osteologen in Wohnortnähe zu finden. Die Adresse lautet www.dv-osteologie.org.

Wie senkt man das Risiko für Folgefrakturen?

Prof. Dr. Dr. med. Eric Hesse: Das Risiko für Folgefrakturen bei Osteoporose lässt sich durch eine Kombination aus Basis- und spezifischer medikamentöser Therapie effektiv reduzieren. Es gibt diverse Wirkstoffe, die Knochen stärken, während regelmäßige Kraft- und Gleichgewichtstrainings die Muskulatur fördern und das Sturzrisiko verringern. Eine Ernährung mit ausreichend Calcium- und Vitamin D unterstützt die Knochengesundheit zusätzlich. Auch der Verzicht auf Rauchen und übermäßigen Alkoholkonsum wirkt sich positiv auf die Knochengesundheit aus. Physiotherapie trägt durch bessere Beweglichkeit und Körperhaltung dazu bei, Stürze zu verhindern. In fortgeschrittenen Fällen können Hilfsmittel wie Gehhilfen oder Hüftprotektoren das Frakturrisiko weiter reduzieren.

Wie sieht die Behandlung einer Osteoporose aus?

Dr. med. Ortrun Stenglein-Gröschel: Nach einer individuellen Risikobeurteilung und einer Messung der Knochendichte nach dem DEXA-Verfahren kann die Behandlung gemäß der aktuellen Leitlinie Osteoporose von 2023 erfolgen. Sie sieht als Basistherapie calciumreiche Kost – bei Bedarf auch Calcium-Supplementation –, Vitamin D-Substitution sowie eine Beratung über körperliche Aktivität, Kraftsport und Balancetraining vor. Je nachdem, wie weit die Osteoporose fortgeschritten ist, kann eine spezifische medikamentöse Therapie eingeleitet werden. Ihr Ziel ist es, das Skelett zu stabilisieren, indem der weitere Knochenabbau gehemmt oder der Aufbau neuer Knochensubstanz gefördert wird.

Was kann ich auch im hohen Alter gegen Osteoporose tun?

Dr. med. Christiane Karrenberg: Wichtig ist, sich auch im Alter sehr viel zu bewegen und knochengesund zu ernähren. Der tägliche Spaziergang oder die Teilnahme an altersgerechtem Turnen, zum Beispiel in einem örtlichen Turnverein, sind wichtige Säulen. Ebenso bedeutsam ist es, Vorsorgeuntersuchungen zur Osteoporose wahrzunehmen. Das gilt besonders für Frauen ab dem 70. Lebensjahr. Und sollte sich eine Osteoporose zeigen, ist es ratsam, sich in die Behandlung von Spezialisten zu begeben. Die Verordnung entsprechender spezifischer Medikamente kann das Risiko verringern, einen Knochenbruch zu erleiden.

Muss man Osteoporose-Medikamente dauerhaft einnehmen? Welche Nebenwirkungen treten auf?

Dr. med. Patrick Wurth: Es gibt verschiedene Therapieansätze zur Behandlung von Osteoporose, die sich in ihrer Dauer durchaus unterscheiden können. Der Osteologe wird Sie diesbezüglich beraten, die Therapie im Verlauf für Sie überwachen, bei Bedarf ändern, gegebenenfalls sogar absetzen oder pausieren. Eine Vitamin D-Substitution sowie eine calcium- und eiweißreiche Ernährung sind, bis auf wenige Ausnahmen, die dauerhafte Basis der Therapie. Nebenwirkungen können leider unter jeglichen Therapieformen auftreten. Der Osteologe wird Sie hier speziell informieren und mit Ihnen Ihre Therapie festlegen.

Was ist ein Disease-Management-Programm für Osteoporose-Patienten?

Prof. Dr. Dr. med. Eric Hesse: Dabei handelt es sich um ein strukturiertes Behandlungsangebot zur Verbesserung der Versorgung chronisch Kranker. Es umfasst individuelle Behandlungspläne und regelmäßige Kontrollen, um den Krankheitsverlauf zu überwachen. Schulungen zu Bewegung, Ernährung und Sturzprävention helfen, Komplikationen wie Knochenbrüche zu vermeiden. Um teilzunehmen, informieren Sie sich zunächst bei Ihrer Krankenkasse über die Teilnahmebedingungen. Anschließend sprechen Sie mit Ihrem Haus- oder Facharzt, der die Teilnahme bestätigt und einen Behandlungsplan erstellt. Nach der Empfehlung des Arztes erfolgt die Einschreibung, entweder über ihn oder direkt bei der Krankenkasse.

Bieten alle Krankenkassen Disease-Management-Programme an?

Dr. Thorsten Freikamp: Aktuell bieten noch nicht alle Krankenkassen die Möglichkeit der Teilnahme. Da die Umsetzung der Programme auf der Ebene der Bundesländer erfolgt und entsprechende Verträge zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen und den gesetzlichen Krankenkassen geschlossen werden, ist es erforderlich, vor Ort über die eigene Krankenkasse in Erfahrung zu bringen, ob ein entsprechendes Angebot aktuell besteht. Da der zugrundliegende Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses zu einem Disease-Management-Programm Osteoporose als gesetzlicher Auftrag zu verstehen ist, sollten jedoch zukünftig alle Krankenkassen die Möglichkeit der Teilnahme anbieten.

Wo bekomme ich verständliche und verlässliche Osteoporose-Infos?

Dr. Thorsten Freikamp: Der Bundesselbsthilfeverband für Osteoporose e. V. als größte Patientenorganisation zum Krankheitsbild Osteoporose weltweit gibt Broschüren zu allen wichtigen Themen rund um die Erkrankung heraus. Sie sind in leicht verständlicher Sprache von führenden Wissenschaftlern verfasst und werden regelmäßig aktualisiert. Weitere Informationen, auch zu hilfreichen Bewegungsangeboten für Osteoporose-Betroffene, finden Sie auf der Website des Verbandes unter www.osteoporose-deutschland.de.

Mehr zum Thema:

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG): www.gesundheitsinformation.de

Bundesselbsthilfeverband für Osteoporose e.V.: www.osteoporose-deutschland.de

Wissenschaftlicher Dachverband Osteologie: www.dv-osteologie.org

UCBCares: www.ucbcares.de/patienten/osteoporose/de

Die SPRECHZEIT-Experten zum Thema Osteoporose

Dr. med. Christiane Karrenberg; Niedergelassene Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie; Osteologin DVO; Sportmedizin, Chirotherapie, Akupunktur; Osteologisches Schwerpunktzentrum DVO; Rösrath

Dr. med. Friederike Thomasius; Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Osteologie, Vorsitzende der Leitlinienkommission Osteoporose des DVO (Dachverband Osteologie e.V.); Leiterin Klinische Osteologie Frankfurter Hormon- und Osteoporosezentrum; Frankfurt/Main

Dr. med. Ortrun Stenglein-Gröschel; Fachärztin für Orthopädie, Chirotherapie, Sportmedizin; Osteologin DVO; Orthopädie im Reichsgraf, Ambulantes osteologisches Schwerpunktzentrum DVO; Coburg

Dr. Thorsten Freikamp; Geschäftsführer des Bundesselbsthilfeverbands für Osteoporose e. V.; Düsseldorf

Dr. med. Daniel Dobbert; Niedergelassener Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Spezielle Unfallchirurgie und Fachgebundene Radiologie-Skelett; Dessau

Prof. Dr. Dr. med. Eric Hesse; Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Osteologe DVO, Direktor des Instituts für Muskuloskelettale Medizin sowie Leiter der Sprechstunde für Metabolische und Seltene Skeletterkrankungen, Muskuloskelettales Universitätszentrum München, Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), München

Dr. med. Patrick Wurth; Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie, Osteologe (DVO); Osnabrück