2023 haben 965 Menschen deutschlandweit nach ihrem Tod ein oder mehrere Organe gespendet. Aber: Das ist noch lange nicht genug, um allen Menschen auf der Warteliste neue Hoffnung auf ein gesünderes Weiterleben zu geben. Deutschland bildet im internationalen Vergleich immer noch ein Schlusslicht bei der Organspende. Foto: SYHM MEDİA/stock.adobe.com

Organspenden in 2023 auf Erholungskurs – Fast 1000 Spender, aber 8400 Patienten auf der Warteliste

Nach starkem Rückgang waren die Organspendezahlen in 2023 bundesweit erstmalig wieder auf leichtem Erholungskurs. Das hat die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) mitgeteilt. Baden-Württemberg konnte schon in den Pandemie-Jahren gegen den Bundestrend einen Zuwachs bei der Organspende verzeichnen und diesen Trend erfreulicherweise auch 2023 fortsetzen. Aber: National stehen immer noch knapp 8400 Menschen auf den Wartelisten für eine Transplantation.

Besonders viele Organspender im Südwesten

Weiterhin liegt Baden-Württemberg mit 12,1 Spendern pro einer Million Einwohner über dem Bundesdurchschnitt. Die organspendebezogenen Kontakte haben im Land von 461 auf 481 um 4 % zugenommen. Ebenfalls um 4 % hat die Zahl der Organspender zugenommen: 2023 waren es 137 Personen, denen 397 Organe entnommen werden konnten und damit 6 % mehr als im Jahr 2022. Durchschnittlich werden einem Organspender zwei bis drei Organe entnommen.

Der baden-württembergische Gesundheitsminister Manne Lucha äußerte sich erleichtert, dass sich die Organspendezahlen im Land weiter positiv entwickelt haben: „Organspende rettet Menschenleben. Ich danke jeder Bürgerin und jedem Bürger im Land, die und der sich für die Organspende entscheidet. Denn ungeachtet des anhaltenden Aufwärtstrends haben wir in Deutschland weiterhin einen erheblichen Mangel an Spenderorganen und liegen mit den Spenden pro Million Einwohner im internationalen Vergleich weit abgeschlagen zurück. Immer noch verlieren wir bundesweit zu viele mögliche Organspenderinnen und Organspender, weil die erforderliche Zustimmung zur Organspende fehlt.“

Widerspruchslösung gefordert

2023 hatte Baden-Württemberg mit Nordrhein-Westfalen und Hessen eine Bundesratsinitiative für die Einführung der Widerspruchslösung gestartet. Der Bundesrat hat am 15. Dezember 2023 mehrheitlich für die Einführung der Widerspruchslösung bei der Organspende gestimmt. Widerspruchslösung bedeutet, dass jede und jeder automatisch als Organspender gilt – außer man selbst oder Angehörige widersprechen. Bisher sind Entnahmen in Deutschland nur möglich, wenn jemand ausdrücklich zustimmt.

Minister Lucha weiter: „Der Entschließungsantrag enthält eine Aufforderung an die Bundesregierung, die Widerspruchslösung in das Transplantationsgesetz aufzunehmen. Die Länderreferenten der federführenden Antragsteller der Bundesratsinitiative sind schon dabei, Entwürfe zu erarbeiten. Wir dürfen für diese wichtige Gesetzesnovelle keine Zeit verlieren, denn immer noch haben zu wenig Menschen ihre Haltung zur Organspende dokumentiert. Wir sind in Europa eines der wenigen Länder, das die Widerspruchslösung noch nicht eingeführt hat. Deutsche Patientinnen und Patienten profitieren damit überproportional von Spenderorganen aus anderen Ländern. Ich hoffe und glaube daran, dass wir diesen Paradigmenwechsel auch in Deutschland schaffen können.“

Zur Dokumentation der Entscheidung bietet sich weiterhin der Organspendeausweis im praktischen Scheckkartenformat an. Auch in der Patientenverfügung sollte die Organspende berücksichtigt werden. Ein Organspende-Register soll im Laufe des Jahres online gehen. Das Register für Erklärungen zur Organ- und Gewebespende ist Bestandteil des zum 1. März 2022 in Kraft getretenen Gesetzes zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende. In diesem elektronischen Verzeichnis können die Bürger zukünftig ebenfalls ihre Entscheidung für oder gegen eine Organ- und Gewebespende hinterlegen. Weiterführender Link: BZgA – Informationen zur Organ- und Gewebespende (organspende-info.de)

National 11 % mehr Spender

Im vergangenen Jahr haben 965 Menschen deutschlandweit nach ihrem Tod ein oder mehrere Organe gespendet. Dies sind 96 mehr als in 2022 und entspricht 11,4 Spendern pro Million Einwohner. Im Vergleich zu 2022 (869 Organspender; 10,3 Spender pro Million Einwohner) ist die Zahl der Spender damit national um 11 % gestiegen. Auch die Summe der in Deutschland postmortal entnommenen Organe, die über die internationale Vermittlungsstelle Eurotransplant nach festgelegten medizinischen Kriterien verteilt und schließlich hierzulande oder im Ausland transplantiert werden konnten, ist gestiegen: Sie erhöhte sich um 8,1 % auf 2877 Organe (2022: 2662). Dazu zählten 1488 Nieren, 766 Lebern, 303 Herzen, 266 Lungen, 52 Bauchspeicheldrüsen und 2 Därme.

Die Zahl der organspendebezogenen Kontakte stieg ebenfalls: Dies sind die Fälle, in denen sich die Kliniken an die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) gewendet haben, um über eine mögliche Organspende zu sprechen. Diese Kontakte stiegen von 3256 in 2022 auf 3412 in 2023.

In den 45 deutschen Transplantationszentren wurden 2023 insgesamt 2985 Organe nach postmortaler Spende aus Deutschland und dem Eurotransplant-Verbund übertragen (2022: 2795). Damit wurde bundesweit insgesamt 2866 schwer kranken Patienten durch ein oder mehrere Organe eine bessere Lebensqualität oder sogar ein Weiterleben geschenkt (2022: 2695). Gleichzeitig stehen in Deutschland knapp 8400 Menschen auf den Wartelisten für eine Transplantation.

Wieder auf Spenden-Niveau vor Corona

Der Medizinische Vorstand der DSO, Dr. med. Axel Rahmel, kann auch weiterhin keine Entwarnung geben, was die Situation der Organspende in Deutschland betrifft: „Durch den enormen Einbruch der Spenderzahlen im Jahr 2022 bringt uns das Plus von 11 Prozent zumindest wieder zurück auf das Niveau, das wir in den Jahren zuvor halten konnten – und das ist angesichts der rund 8400 schwer kranken Patientinnen und Patienten auf den Wartelisten deutlich zu niedrig. Wir haben nach wie vor einen erheblichen Mangel an Spenderorganen, sodass nicht allen Menschen, die auf ein Organ warten, geholfen werden kann, obwohl wir die medizinischen Möglichkeiten dazu haben. Die Transplantation stellt für die meisten von ihnen die beste und nicht selten auch die einzig verbleibende Behandlungsoption dar, um zu überleben.“

Prozesse im Organspendeablauf verbessern

Diese Möglichkeiten zur Steigerung der Vermittlung von Spenderorganen umfassen laut Rahmel insbesondere auch neue technische Entwicklungen, die einzelne Prozesse im Organspendeablauf verbessern können. So unterstützt das automatisierte elektronische Screeningtool DETECT Krankenhäuser dabei, mögliche Organspenderinnen und -spender auf der Intensivstation zu identifizieren. Um die begrenzte Zahl der zur Verfügung stehenden Organe optimal zu nutzen, eignen sich Verfahren wie die Maschinenperfusion oder die Fotodokumentation der Spenderorgane im Spendeprozess. Sie können die Qualität und Sicherheit des Organspendeprozesses und der Spenderorgane optimieren, sodass möglichst viele Organe erfolgreich transplantiert werden können. pm