
Rund 600 Kinder erhalten in Deutschland im Jahr eine Lymphatische-Leukämie-Diagnose. Vor 60 Jahren war das häufig ein Todesurteil. Heute überleben bei früher und schneller Diagnose und innovativer Behandlung über 90 Prozent. Foto: AkuAku – KI-generiert/stock.adobe.com
Leukämie bei Kindern: Die Geschichte eines medizinischen Erfolges
Es ist nicht lange her, da lebten nur etwa 14 Prozent der Kinder, die an einer lymphatischen Leukämie (ALL) oder an einer akuten myeloischen Leukämie (AML) erkrankt waren, fünf Jahre nach Diagnosestellung noch. In Folge von Forschung und medizinischem Fortschritt konnten die Gesamtüberlebensraten dramatisch gesteigert werden – zumindest in Ländern mit höheren Einkommen.
Erhöhte Leukämie-Inzidenz bei Kindern ohne Impfungen
Warum gerade Kinder und Jugendliche besonders häufig unter Krebserkrankungen des Blutes leiden? Dazu gibt es viele Theorien, aber keine endgültigen Antworten. Die ALL ist die häufigste Krebserkrankung in dieser Lebensspanne – mögliche Ursachen reichen von genetischen Veränderungen vor der Geburt, über vererbte oder spontane Mutationen in jungen Jahren bis hin zu Infektionen.
„So stellt man eine erhöhte Leukämie-Inzidenz bei Kindern fest, die keine Impfungen erhalten haben oder im frühen Kindesalter nur selten Infektionen ausgesetzt waren“, schreibt Prof. Dr. med. Martin Horstmann vom Forschungsinstitut Kinderkrebs-Zentrum Hamburg. Auch Umwelteinflüsse werden als mögliche Auslöser vermutet.
Hohe Überlebensrate bei früher Diagnose
Leukämien bei Kindern sind „häufig, aber nicht hoffnungslos“, so Horstmann. Rund 600 Kinder, die meisten zwischen 1 und 5 Jahren, erhalten in Deutschland im Jahr eine ALL-Diagnose. Vor 60 Jahren war das häufig ein Todesurteil. Heute ist das anders: Bei früher und schneller Diagnose und innovativer Behandlung, überleben über 90 Prozent.
Die Children’s Oncology Group aus den USA, die seit Jahrzehnten Daten zu Krebserkrankungen bei Kindern erhebt und Studien durchführt, geht davon aus, dass 94 Prozent der Kinder fünf Jahre nach ALL-Diagnose noch leben. Und: Diese Überlebensraten sind dauerhaft, wie die Onlinepublikation „Our World in Data“ von der Universität in Oxford betont.
Die AML ist für ein Viertel aller Leukämiefälle im Kindesalter verantwortlich. Die Krankheit ist deutlich aggressiver und lässt sich bis heute nicht so gut behandeln wie die ALL. Die Fünfjahres-Überlebensrate – sie lag in den 1970er-Jahren bei 14 Prozent – wird heute mit 60 Prozent angegeben.

Forschung und Vernetzung als Schlüssel zum Erfolg
Diese Erfolgsgeschichte hat viele Eltern: Über Jahre wurden Chemotherapien und Therapieschemata optimiert. Aber ein wesentlicher Treiber für den Fortschritt liegt laut „Our World in Data“ in der weltweiten Vernetzung der Forschung: „Leukämie im Kindesalter ist selten. Daher ist es sehr unwahrscheinlich, dass ein einzelnes Krankenhaus genügend Fälle untersuchen kann, um fundierte Schlussfolgerungen zu ziehen. Um dieses Problem zu lösen, bildeten Forschende große Kooperationsgruppen; tausende von Kindern nahmen an Forschungsstudien und klinischen Tests teil.“
Entstanden sind Organisationen wie die Children´s Oncology Group oder die BFM Study Group, ein internationales Netzwerk von Experten, das sich seit über 40 Jahren der Erforschung und Verbesserung der Behandlung von Leukämien und Lymphomen im Kindes- und Jugendalter widmet. BFM steht für Berlin, Frankfurt und Münster, weil hier die Wurzeln dieser mittlerweile internationalen Plattform liegen. Heute fasst BMF 28 Studiengruppen aus 37 Ländern unter einem Dach zusammen.
Immuntherapien bieten neue Perspektiven
Auch die Fortschritte in der genetischen und molekularen Forschung haben die Lebensperspektiven von Kindern mit Blutkrebs positiv verändert. Sie führten unter anderem zur Entwicklung zielgerichteter Medikamente, die bestimmte Krebsmutationen blockieren können. Neue Immunonkologika, darunter CAR-T-Zell- und Antikörpertherapien, haben die Behandlung grundlegend verändert. Sie sind nicht nur eine weitere Behandlungsoption für Menschen, die auf die Chemotherapie-Regime nicht oder nicht mehr ansprechen.
Da diese neuen Arzneimittel präziser eingesetzt werden können, leiden die Patienten auch weniger unter den Langzeitfolgen der chemotherapeutischen Behandlung. pm